Die Hälfte um, die Hälfte vor mir – Gedanken zur Halbzeit auf Trischen

Die Hälfte um, die Hälfte vor mir – Gedanken zur Halbzeit auf Trischen

Der Juli ist da – und damit ist für mich schon die Hälfte meines Aufenthalts hier auf Trischen um. Die Zeit rast, und doch fühlt es sich an, als würde sie hier in einem ganz eigenen Takt vergehen. Ich möchte jeden Moment aufsaugen und speichern, weil ich weiß, dass ich nur einmal Naturschutzwartin auf Trischen sein werde und diese Zeit begrenzt ist.

In meinem Blogbeitrag Alltag auf Trischen habe ich schon davon gesprochen, dass es für mich ungewohnt ist, so lange ununterbrochen an einem Ort zu bleiben. Nun bin ich schon über drei Monate hier – ein Vierteljahr! Das klingt lang, aber tatsächlich ist die Zeit unglaublich schnell vergangen.

Das liegt vielleicht daran, dass das Zeitgefühl hier anders ist. Mein Alltag auf Trischen ist nicht so schnelllebig wie auf dem Festland. Die Tage vergehen langsamer, und gleichzeitig erlebe ich die Zeit intensiver. Wahrscheinlich, weil ich weniger Reizen ausgesetzt bin, aber auch weil ich aufmerksamer über die Insel gehe als durch den gewöhnlichen Alltag.

Wenn ich morgens aufstehe, schnappe ich mir meist als erstes das Spektiv und verschaffe mir vom Umlauf der Hütte aus einen Überblick: Wer ist da? Wer nicht? Hat sich etwas verändert? Vor einigen Wochen beispielsweise verhielten sich die Vögel plötzlich merkwürdig. Statt auf ihren Nestern saßen sie aufgeregt auf den Wattflächen. Nur deshalb entdeckte ich schließlich das Nutria, ein aus Südamerika stammendes Nagetier, welches sich auch am und im Wattenmeer wohlfühlt.

So bekomme ich hier jede Veränderung mit: welche Vogelarten im Jahresverlauf kommen und gehen, welche bleiben, was gerade blüht, wie sich die Dünen und der Strand nach einem Sturm verändern. Das alles beobachte und dokumentiere ich und ich könnte es nicht so genau und akribisch tun, wenn ich nicht die ganze Zeit vor Ort wäre.

Seit ein paar Tagen sind wieder einige hundert Alpenstrandläufer da, zurück aus ihren arktischen Brutgebieten. Die Nonnengänse führen ihren Nachwuchs und tausende Eiderenten und Brandgänse versammeln sich zur Mauser rund um die Insel. Es ist schön, den Jahresverlauf Trischens so hautnah mitzuerleben.

Nönnengänse mit Nachwuchs, im Hintergrund mausernde Eiderenten

Ich bin hier vom Traveler zum Patchworker geworden, wie Arnulf Conradi die zwei Typen von Vogelbeobachter*innen in seinem Buch Zen und die Kunst der Vogelbeobachtung beschreibt. Der Traveler (dt. Reisender) ist auf der ganzen Welt unterwegs, um an verschiedenen Orten und in unterschiedlichen Landschaften neue Vogelarten zu beobachten und seine Life-list zu verlängern. Der Patchworker bleibt stets am selben Ort und beobachtet die Vögel auf seinem Patch (dt. Stelle, Flecken). Nach meiner Zeit hier werde ich wohl wieder eher zum Traveler werden, aber ich kann von mir sagen, dass ich die Vorzüge eines Patchworker-Daseins kennen und schätzen gelernt habe.

Zum Wohl! – Mit der Insel auf die gemeinsame Zeit anstoßen 🙂

Doch das gute an der Halbzeit ist, dass nochmal genauso viel Zeit, spannende Erlebnisse und stille Glücksmomente vor mir liegen. Auf eine wundervolle 2. Hälfte als Naturschutzwartin auf Trischen!

 

Eure

Mareike Espenschied

 

Buchtipp: Conradi, A., Zen und die Kunst der Vogelbeobachtung, Verlag Antje Kunstmann, ISBN 978-3-95614-289-5

 

Ein unerwarteter Gast

Ein unerwarteter Gast

Nach einem sonnigen, warmen Tag mit doch recht kräftigem Ostwind setze ich mich in den Windschatten auf der Westseite der Hütte und genieße die Abendsonne, als sich ein unerwarteter Gast zu mir gesellt: Eine Libelle setzt sich auf das Hüttengeländer, nutzt ebenfalls den Windschatten, den die Hütte gibt und sonnt sich.

Wir hätten hier jetzt einfach friedlich nebeneinander sitzen und die Abendsonne genießen können, aber eine Naturschutzwartin muss tun was eine Naturschutzwartin tun muss: Sich vorsichtig dem Tier nähern und herausfinden welche Art ihr da genau Gesellschaft leistet.

Zu meiner Freude bleibt die Libelle ganz ruhig sitzen und lässt sich von mir, beim Hantieren mit der Handykamera, nicht stören. Meine Verrenkungskünste bringen den kleinen Jäger, der außen am Geländer sitzt, ein Glück auch nicht aus der Ruhe. Geschafft – auf dem Foto sind alle Merkmale gut zu sehen, so kann ich in Ruhe im Bestimmungsbuch nachschlagen, ohne weiter beim Sonnenbad zu stören.

Schon beim ersten Blick fallen mir der blau bereifte Hinterleib und die dunklen Flügelbasen auf – Hinweise auf eine Art aus der Familie der Segellibellen (Libellulidae). Die grauen Augen, dunklen Flügelspitzen und die drei schwarz gefärbten Hinterleibssegmente sind unverkennbar: Es handelt sich um ein Männchen des Spitzenflecks (Libellula fulva). Mir ist die Art aus meiner süddeutschen Heimat bekannt, dort konnte ich schon einmal das gelblich gefärbte Weibchen mit dem dunklen Strich auf dem Hinterleib beobachten.

Doch ein genauerer Blick in mein Bestimmungsbuch sorgt für Verwirrung: Laut Verbreitungskarte kommt der Spitzenfleck an der Westküste Schleswig-Holsteins gar nicht vor! Ich schaue mir die Fotos noch einmal an, aber die Bestimmungsmerkmale sind eindeutig, alle ähnlichen Arten kann ich sicher ausschließen.

Am nächsten Morgen – die Abendsonne wollen mein unerwarteter Gast und ich dann doch noch in Ruhe genießen – setzte ich mich sogleich an den Laptop und durchforste die Jahresberichte meiner Vorgänger*innen: Es wurden schon einige Libellen auf Trischen dokumentiert, doch der Spitzenfleck ist nicht darunter. Handelt es sich also tatsächlich um den ersten Nachweis dieser Art auf Trischen?

Ich kontaktiere Herr Drews von der Umweltbehörde, der einen Überblick, sowohl über die Insektenfunde auf der Insel, als auch über die in Schleswig-Holstein besitzt. Auch er bestätigt mir: Ein Spitzenfleck wurde von Trischen bisher noch nicht gemeldet. Er schickt mir sogleich eine Karte mit, auf der alle Funde des Spitzenflecks in Schleswig-Holstein (inklusive meinem), seit 1900, verzeichnet sind. Interessant ist, dass die Art kürzlich auch an Gewässern am Geestrand im Kreis Dithmarschen nachgewiesen wurde. Der Spitzenfleck scheint sich also nach Westen auszubreiten.

Karte mit allen dokumentierten Funden des Spitzenflecks (Libellula fulva) seit 1900 in Schleswig-Holstein (Quelle: LLUR)

Der Spitzenfleck wird auf der Vorwarnliste der Roten Liste für Libellen in Schleswig-Holstein geführt. Die wärmeliebende Art hat ihren Verbreitungsschwerpunkt in Süd- Mittel und Osteuropa. Sie bevorzugt langsam fließende, mit Röhricht bewachsene Gewässer mit guter Wasserqualität. In Deutschland gibt es drei Verbreitungsschwerpunkte des Spitzenflecks, der nördlichste reicht vom Norddeutschen Tiefland östlich der Elbe über den Ostrand Schleswig-Holsteins und Mecklenburg-Vorpommern bis nach Brandenburg (Quelle: AK Libellen S-H).

Ist der Spizenfleck eine Art die vom Klimawandel profitiert oder hat sie lediglich „ein  gutes Jahr“, wie Herr Drews mir mitteilt?

Auf Trischen wird sie keine geeigneten Gewässer zur Fortpflanzung vorfinden, aber mit dem Ostwind im Rücken ist es für einen so guten Flieger vom Geestrand Dithmarschens auch nicht mehr weit nach Trischen.

Wer weiß – vielleicht wird der Spitzenfleck in Zukunft häufiger den Naturschutzwart*innen bei ihrem Sonnenbad Gesellschaft leisten.

 

Eure Naturschutzwartin 2025
Mareike Espenschied

 

Weiterführende links:

https://ak-libellen-sh.jimdofree.com/libellen-in-sh/segellibellen/spitzenfleck/

https://schleswig-holstein.nabu.de/tiere-und-pflanzen/insekten/libellen/12132.html

https://www.libellula.org/

 

Sommerzeit ist Seehundzeit: Seehunde, Heuler und der Kreislauf der Natur

Sommerzeit ist Seehundzeit: Seehunde, Heuler und der Kreislauf der Natur

Zurzeit kann ich an der Süd- und Nordspitze der Insel viele Seehundmütter mit ihren frisch geborenen Jungtieren beobachten, manchmal sogar direkt am Strand vor meiner Hütte. Von Ende Mai bis Anfang Juli werden die Seehundwelpen auf ungestörten Sandbänken geboren. Hierfür ist Trischen also ein idealer Ort.

Seehunde – im allgemeinen Sprachgebrauch oft einfach als Robben bezeichnet – sind die bekanntesten Meeressäuger unserer Küsten. Seit den 1990er Jahren hat sich ihr Bestand im Wattenmeer erfreulich erholt. 2024 wurden im schleswig-holsteinischen Wattenmeer etwa 8.500 Tiere gezählt. Seit 2020 ist jedoch ein leichter Rückgang zu beobachten – die genauen Ursachen sind bislang unklar (Galatius et. al., 2024)

Seehundjunge können unmittelbar nach der Geburt schwimmen und folgen instinktiv ihren Müttern. Das ist auch notwendig, denn viele Sandbänke im Wattenmeer werden bei Flut vollständig überspült. Sie dienen den Tieren nur während Ebbe als Ruhe-, Geburts- und Säugeplätze.

Seehundmutter mit Jungtier

Immer wieder kommt es durch Störungen oder Sturmfluten dazu, dass sich Mutter und Kind verlieren. Verlassene Jungtiere nennt man „Heuler“ – benannt nach den klagenden Lauten, die als Kontaktrufe zur Mutter dienen.

Auch hier auf Trischen finde ich zurzeit immer wieder Heuler am Strand. Viele Jungtiere verschwinden bereits nach einer Nacht – meist weil die Mutter zurückkehrt. Andere finden ihre Mütter nicht mehr und sterben.

Trischen liegt in der streng geschützten Schutzzone 1 des Nationalparks. Hier gilt: „Natur Natur sein lassen“. Deshalb wird in den meisten Fällen nicht eingegriffen. Dann sind sie eine wichtige Nahrungsquelle für zahlreiche aasfressende Insekten, die durch das Wegräumen von Kadavern selten geworden sind. Säugetierkadaver übernehmen nämlich eine wichtige Rolle in unserem Ökosystem. Hierfür werden auch auf Trischen tote Meeressäuger beprobt. Die Datenaufnahme ist Teil eines Projekts des Nationalparks Bayerischer Wald.

Etwa eine Woche alter Kadaver eines Heulers

Wichtig ist jedoch: Nicht jeder Heuler ist wirklich verlassen. Häufig sind die Mütter nur auf Nahrungssuche und kehren zurück. Außerdem sind die Zeiten in denen die Jungtiere gesäugt werden können begrenzt. Dies geht nämlich nur an Land, während das Meer, die Sandbänke bei Ebbe wieder freilegt. Wer also einen Heuler findet, sollte immer Abstand halten, Hunde anleinen und die zuständige Polizei oder Seehundstation benachrichtigen. Wenn das Tier tatsächlich Hilfe braucht, wird es, im schleswig-holsteinischen Wattenmeer, zur Seehundstation in Friedrichskoog gebracht, dort aufgepäppelt und später wieder ausgewildert. Weitere Informationen finden sich auf der Homepage der Seehundstation.

Zwei „Heuler“ auf Trischen – am guten Ernährungszustand ist jedoch erkennbar, dass sie nicht in Not sind

Die meiste Zeit bekommt man Seehunde nur aus der Ferne zu Gesicht – was auch gut ist, denn so bleiben sie ungestört. Wer Seehunde ganz aus der Nähe sehen möchte ohne zu stören, kann die Seehundstation Friedrichskoog besuchen. Um Seehunde in freier Wildbahn zu erleben, lohnt sich eine der vielen geführten Ausflugsschifffahrten. Von dort aus lassen sich die Tiere mit etwas Glück beim Ruhen oder Schwimmen beobachten.

 

Genießt euren Sommer – ob mit oder ohne Seehundbeobachtung!

 

Eure Naturschutzwartin 2025
Mareike Espenschied

Alltag auf Trischen: Ein Tag im Leben einer Naturschutzwartin

Alltag auf Trischen: Ein Tag im Leben einer Naturschutzwartin

In den letzten Tagen standen einige dringende Aufgaben an, deshalb hat sich dieser Blogeintrag etwas verzögert. Jetzt aber ist wieder etwas mehr Luft und Muße da.

Normalerweise fällt mir im Laufe der Woche etwas ein, was ich euch von meinem Inselalltag berichten möchte. Diesmal ist mir das schwerer gefallen – vielleicht auch ein Grund warum ihr diesmal länger auf den nächsten Blogartikel warten musstet. Doch Inselalltag ist das Stichwort, denn oft werde ich gefragt: „Wie sieht eigentlich dein Tagesablauf auf Trischen aus?“  Deshalb gebe ich euch heute einen Einblick in meinen Alltag auf der Insel:

 

Heute klingelt kein Wecker, aber ich wache trotzdem früh auf. Die ersten Sonnenstrahlen fallen in die Hütte. Die pfeifenden Rotschenkel und  die kreischenden Möwen und Seeschwalben machen mir deutlich: Zeit aufzustehen!

Nach dem Frühstück checke ich das Wetter und meine E-Mails: Eine Essensbestellung muss bestätigt werden, eine Anfrage für ein Zeitungsinterview trudelt ein und ein Termin für die Löfflerberingung will koordiniert werden.

In zwei Stunden ist Niedrigwasser – ein guter Zeitpunkt mich auf den Weg zur Löfflerkolonie zu machen. Hier müssen die SD-Karten der Wildtierkameras und ggf. Akkus ausgetauscht werden. Der Weg Richtung Norden der Insel führt mich an viel angespültem Müll vorbei, sowie an einer toten Eiderente. Ich dokumentiere jeden Vogelfund: Art, Fundort, Zustand – alles notiere ich in meinem Notizbuch.

An der Löfflerkolonie angekommen ziehe ich vorsorglich meine Kapuze über den Kopf: Möwen kreisen kreischend über mir und lassen mich mit der ein oder anderen Kotattacke wissen, was sie von meinem Besuch halten (ein Glück treffen sie nicht besonders gut). Die Löffler sind scheuer, sie fliegen auf die nahegelegenen Wattflächen und warten bis der Spuk vorüber ist. Auf dem Weg zur Kolonie muss ich aufpassen, dass ich keine Herings- und Silbermöweneier zertrete. Die beiden Arten zählen zu den häufigsten Brutvögeln auf Trischen und ihre Brutplätze sind über die gesamte Insel verteilt. Bei meinem konzentrierten Blick auf den Boden entdecke ich auch die ersten Möwenküken des Jahres, die wegen meiner Anwesenheit ganz ruhig am Boden sitzen und sich auf ihre Tarnung verlassen.

Ich will die Störung so kurz wie möglich halten und beeile mich: SD-Karten tauschen, Akkus wechseln, Kameras umstellen und gut positionieren. Während meiner Arbeit scheuche ich eine weibliche Brandgans neben mir im hohen Gras auf. Diesen Brutplatz erfasse ich noch schnell mit Artangabe und GPS-Koordinaten auf einer digitalen Karte auf meinem Smartphone. Geschafft! Schnell raus aus der Salzwiese zurück an den Strand.

Links: Möwenküken Rechts: Löfflernest mit Wildtierkamera im Hintergrund

An der Nordspitze gönne ich mir eine kleine Pause. Seehunde mit frisch geborenen Jungen liegen entspannt am Strand – sie stört meine Anwesenheit kaum. Auf dem Rückweg erfreue ich mich am blühenden Meersenf und einem vorbeiflatternden Tagpfauenauge – auch sie landen in meinem Notizbuch.

Zurück an der Hütte  bekomme ich Hunger und koche mir ein leckeres Mittagessen. Für heute ist eine Gemüsepfanne mit Feta und Nudeln geplant. Da ich meine Lebensmittel eine Woche vorher ordern muss, steht der Speiseplan schon früh fest. Das nimmt mir dann die Entscheidung ab, wenn ich hungrig nach Hause komme, denn die Zutaten sind alle da – eigentlich ganz praktisch. Da es draußen zu nieseln anfängt, fällt ein Mittagessen in der Sonne, vor der Hütte aus und ich nehme meine Mahlzeit drinnen ein. Hier kann ich immerhin durchs Fenster über die Insel und das Watt blicken.

Nachmittags übertrage ich meine Notizen in die Datentabellen und erledige Hausarbeiten: abspülen, Wasserkanister holen und den nicht zu vermeidenden Sandeintrag vom Hüttenboden auffegen. Das Waschen verschiebe ich mal wieder – Wäsche von Hand zu waschen ist wirklich aufwendig und anstrengend und das Ergebnis in Relation zum Aufwand eher mittelmäßig.

Schreibtischarbeit auf Trischen

Die Tage hier, ähneln sich, doch während ich auf der Insel unterwegs bin begegnen mir immer wieder Überraschungen und ich kann mich auf meinen Entdeckungstouren treiben lassen.

Natürlich bin ich es auch einfach nicht gewohnt so lange Zeit an ein und demselben Ort zu verbringen. Der Inselaufenthalt entschleunigt mein Leben. Die viele Zeit, die ich hier plötzlich habe, kann ich mit dem Füllen für das sonst wenig Zeit bleibt: lesen, lange Briefe schreiben, ausführlich mit alten Freunden und Freundinnen telefonieren, sogar meine Aquarellfarben habe ich seit Jahren mal wieder in die Hand genommen.

Ich habe Glück: Abends klart es auf und der Wind legt sich. Das verspricht einen schönen Sonnenuntergang. Ich setzte mich auf den Hüttenumlauf, gönne mir ein Glas Wein und lasse den Tag revue passieren – und freue mich schon auf morgen.

Egal wie viele Sonnenuntergänge ich hier schon erlebt habe – sie werden einfach nicht langweilig.

Denn morgen ist Samstag, da kommt Axel mit der Luise und bringt meine Lebensmittelbestellung, Trinkwasser, Post – und das wichtigste: Gesellschafft! Ich sehe die Luise schon von weitem auf die Insel zusteuern und mache mich dann auf den Weg zum Anlandungsplatz an der Südspitze. Dort angekommen gibt es, je nach Tageszeit, ein leckeres Frühstück, heißen Kaffee oder ein kühles Bier. Wir tauschen Neuigkeiten aus, beschweren uns über das Wetter und ich freue mich über die vielen Seemannsgeschichten die Axel zu erzählen weiß.

Der samstägliche Besuch von Axel ist mir zu einem liebgewonnenen Ritual geworden und strukturiert meine Wochen hier auf Trischen. Und das anschließende Wasserkanister zur Hütte transportieren nehme ich dafür gerne in kauf.

Links: Die Luise Rechts: Mein Handkarren mit Wasserkanistern und Lebensmitteln

Morgen steht die Anbringung eines Datenempfängers für besenderte Zwergseeschwalben auf dem Plan, der heute mit der Post kam, mal sehen welche Überraschungen mich morgen auf dem Weg erwarten.

 

Bis bald,

Eure Naturschutzwartin 2025
Mareike Espenschied

 

 

Wie man 5.700 Vögel zählt – Brutvogelerfassung auf Trischen

Wie man 5.700 Vögel zählt – Brutvogelerfassung auf Trischen

Auf Trischen brüten jedes Jahr rund 5.700 Brutpaare von etwa 30 verschiedenen Vogelarten. Als Naturschutzwartin ist eine meiner Hauptaufgaben, diese Brutvögel zu zählen. Doch wie zählt man so viele Vögel, die alle durcheinander fliegen und ihre Nester gut verstecken? Und wie stellt man fest, ob es sich um einen Brut- oder Rastvogel handelt? Ganz einfach ist das nicht, vor allem, weil die Vögel über die gesamte Insel verteilt brüten – immerhin 170 Hektar groß! Manche Arten gut sichtbar in großen Kolonien, andere hingegen ganz versteckt mitten in den Salzwiesen.

Austernfischer legen ihre gut getarnten Eier in eine Sandkuhle

Da Ornitholog*innen es lieben, zu zählen und zu erfassen, gibt es zum Glück standardisierte Methoden, um die Anzahl der Brutvögel in einem bestimmten Gebiet zu ermitteln. Diese Methoden sind je nach Art unterschiedlich.

Die einfachste Zählweise betrifft Arten, die durch ihren typischen Gesang ihr Revier markieren – wie der Rotschenkel oder die Feldlerche. Ich erfasse diese durch drei morgendliche Begehungen entlang einer festgelegten Route, die die gesamte Insel abdeckt. Dabei notiere ich jedes Verhalten, das auf ein Brutrevier hinweist, beispielsweise Reviergesang, Warnrufe oder Futter tragende Individuen, punktgenau auf einer (digitalen) Karte. Nach drei Begehungen werte ich meine Karten aus. Wenn ich an allen drei Terminen an etwa derselben Stelle brutanzeigendes Verhalten der gleichen Art notiert habe, wird dieses als sogenanntes „Papierrevier“ gewertet. Wird ein Futter tragender Altvogel oder sogar ein Nest entdeckt, gilt dies als sicherer Brutnachweis – dafür reicht dann auch ein einmaliger Nachweis. Das Papierrevier trägt seinen Namen, weil es auf der Karte eingezeichnet wird und nicht unbedingt dem tatsächlichen Reviermittelpunkt des Brutpaars entspricht.

Dieser Rotschenkel nutzt das Hüttengeländer gerne als Singwarte

Dieser Rotschenkel brütet nahe der Hütte und nutzt das Hüttengeländer gerne als Singwarte

Koloniebrüter wie Flussseeschwalben oder Lachmöwen werden anhand von Fotos der Kolonie gezählt. Diese Fotos ermöglichen es mir, alle Vögel in Ruhe zu zählen, ohne dass sie sich bewegen. Die Anzahl der Vögel wird anschließend mit dem Faktor 0,7 multipliziert. Da zwei Vögel ein Brutpaar ergeben, aber nie alle Vögel gleichzeitig sichtbar oder anwesend sind, nimmt man nicht die Hälfte, sondern einen etwas höheren Wert.

Als dritte Methode kommt auf Trischen zusätzlich eine Drohne zum Einsatz, die von Fachleuten gesteuert wird. Sie fliegt in 100 Metern Höhe auf einem festgelegten Transekt entlang und macht orthogonale Fotos von der Insel. Später können die brütenden Vögel dann anhand der Drohnenfotos ausgezählt werden. Diese Methode funktioniert besonders gut für große Arten wie Silber- und Heringsmöwen oder Kormorane, die von oben gut erkennbar sind und gut sichtbar brüten.

Ein Ausschnitt aus der Kormorankolonie auf Trischen

Für Arten wie die Brandgans, die versteckt unter Altgras oder in kleinen Höhlen brüten, wende ich eine andere Methode an: Ich zähle die Anzahl der balzenden Paare vor der Brutzeit und schließe daraus auf die Anzahl der Brutpaare.

Klingt kompliziert und verwirrend? Ist es auch! Natürlich gelingt es nicht, in einem so weitläufigen und unübersichtlichen Gelände alle Brutpaare bis aufs letzte Paar genau zu erfassen. Aber mit diesen Methoden kommt man ziemlich nah dran. Und da die Erfassung jedes Jahr nach dem gleichen Muster erfolgt, erhalten wir über die Jahre einen guten Überblick darüber, wie sich die Brutpaarzahlen entwickeln, welche Arten zunehmen oder abnehmen. So können wir Rückschlüsse ziehen und wichtige Erkenntnisse für den Naturschutz gewinnen.

 

Und hier kommt jetzt noch ein wenig Werbung in eigener Sache:

Wenn du auch Lust hast als Naturschutzwart*in ein halbes Jahr auf Trischen zu verbringen oder du jemanden kennst: Schau gerne mal in unsere Stellenausschreibung rein oder leite sie an interessierte weiter! Bis zum 15. Juni 2025 könnt ihr euch als Trischenwart*in 2026 beim NABU S-H bewerben. Wir freuen uns über eure Bewerbungen 🙂

 

Bis bald,

eure Mareike Espenschied