Brutvögel Beiträge

Auf den zweiten Blick

Liebe Trischen-Blogleser*Innen,

als wir vor zwei Wochen die Dünen auf der Suche nach Möwenküken durchkämmten, erlebten wir eine kleine Überraschung als plötzlich ein laut forderndes Piepsen erklang. Ein Möwenküken war es nicht, aber wir machten uns trotzdem auf die Suche. Die Ortung war gar nicht so einfach, doch schließlich hatten wir die Pieps-Richtung ausgemacht und eine horstige Ansammlug der Strandquecke (Agropyron litorale) im Visier.

Vorsichtig schoben wir ein paar Halme zur Seite und da schauten uns kleine Köpfchen mit riesigen Schnäbeln und gelben Schnabelwinkeln entgegen. Ein Wiesenpieper-Nest! Wiesenpieper (Anthus pratensis) sind eher heimlich und die Nester gut in der Vegetation versteckt. Hätten wir das Piepsen nicht vernommen, wären wir daran vorbeigelaufen.
 

 
 

Wiesenpieper

Auch die adulten Wiesenpieper sind leicht zu übersehen. Ihr Gefieder wirkt zunächst unscheinbar braun-schmutzig weiß, weist aber bei näherer Betrachtung eine feine Strichelung auf Kopf, Rücken, Brust und Flanken auf. Genauso leicht gehen die Rufe und der Gesang des Wiesenpiepers in dem Gesangs-Crescendo der anderen Arten unter. Am besten sind sie zu entdecken, wenn sie bei ihrem Singflug wie ein abstürzendes Flugzeug mit nach oben gerichteten Flügeln vom Himmel gleiten, oder auf einer Sitzwarte sitzen.

Neben ihrer subtilen Schönheit mag ich die Wiesenpieper aber auch aufgrund des Lebensraumes, für den sie stehen. Als Bodenbrüter und Insektenfresser sind Wiesenpieper auf (feuchte) extensive Wiesen und ein reiches Insektenvorkommen angewiesen. Ein Lebensraum der durch Entwässerung, Überdüngung und Pestizideinsatz, zu häufige Mahdschnitte oder Grünlandumbruch bedroht ist. Damit steht der Wiesenpieper stellvertretend für all die anderen Wiesenbrüter wie Kiebitz, Uferschnepfe und Co., die unter der heutigen Intensiv-Landwirtschaft leiden.
 

Und sonst?

Die Wiesenpieper sind nicht die einzigen, die auf Trischen noch kleine Küken zu füttern oder zu führen haben. Neben den schon fast flüggen Möwenküken, sind noch wenige Brandgans- (Tadorna tadorna) und Weißwangengansfamilien (Branta leucopsis) auf der Insel unterwegs. Ganz besonders gefreut habe ich mich aber über den lang ersehnten Nachwuchs bei den Löfflern (Platalea leucorodia)!
 

 
Nachdem die Hauptkolonie dieses Jahr aufgegeben wurde, hat ein Teil der Löffler erneut mit der Brut begonnen. Eigentlich hatte ich aufgrund des fortgeschrittenen Jahres nicht mehr mit einem Schlupf gerechnet, doch zu meiner großen Freude habe ich mich geirrt. Vor etwa zwei Wochen haben sich die ersten Löfflerküken aus dem Ei gepellt.

Ich hoffe sehr, dass sie sich trotz des im Moment etwas regnerischen und stürmischen Wetters gut entwickeln, um rechtzeitig und gut genährt in ihre Winterquartiere starten zu können.

Ihre Vogelwartin 2023

Wie der Ring ans Bein kommt

Liebe Blogfolger*Innen,

vor einigen Wochen habe ich schon einmal kurz über das Ablesen von Möwenringen berichtet. Dieses Mal möchte ich aus gegebenem Anlass darauf eingehen, wie und warum ein Ring an ein Vogelbein kommt.

Wissenschaftliche Vogelberingung
Jeder Ring trägt eine Kennnummer, die eine individuelle Zuordnung zu einem Vogel möglich macht. Durch Beringung und Ablesung der Kennnummer lassen sich Kenntnisse über das Leben des Vogels gewinnen. Werden genug Individuen einer Vogelart beringt, können beispielsweise Rückschlüsse auf Zugwege, Überwinterungsgebiete, populationsökologische Parameter wie Überlebensraten usw. gezogen werden. Und diese Informationen sind dann wiederum für den Naturschutz relevant. Denn nur wenn wir wissen, dass sich die Überlebensraten von Jungvögeln verschlechtern, können wir auf Ursachensuche gehen.

Ringarten gibt es vielerlei verschiedene. Der „Standardring“ ist ein Metallring, der neben der individuellen Kennnummer noch Informationen zur zuständigen Vogelwarte und zum Herkunftsland enthält. Um diesen Ringtyp abzulesen, muss der Vogel aber oftmals wiedergefangen werden bzw. bedarf es zum Ablesen großer Geduld und einer günstigen Gelegenheit. Daher werden im Rahmen spezieller Projekte zusätzlich andere Ringe eingesetzt, die auch auf Distanz abgelesen werden können. Möglich sind beispielsweise Farbringe mit Kennnummer, oder Kombinationen mehrerer Farbringe. Aber auch Halsringe oder Flügelmarken finden, je nach Vogelart, Verwendung.

Möwenberingung auf Trischen
Auf Trischen werden seit einigen Jahren im Rahmen des „Trilateral Monitoring Assessment Program“ (TMAP) der drei Wattenmeeranrainerstaaten Silber- und Heringsmöwen beringt. Die Beringung dient in erster Linie dazu den Bruterfolg (Küken pro Paar) von Silber- und Heringsmöwen abzuschätzen, hilft darüber hinaus aber noch bei der Beantwortung weiterer wichtiger Fragestellungen, wie beispielsweise bei der Ermittlung von Überlebensraten und Überwinterungsgebieten.

Für die Beringungsaktion bekam ich letztes Wochenende Besuch, denn beringt werden darf (auch außerhalb der Nationalparkzone I) nur mit Genehmigung. Drei Tage lang haben wir in zwei Durchgängen die Dünen auf der Suche nach Möwenküken durchkämmt, die sich erstaunlich gut in der hohen Vegetation verstecken können. Und manchmal war sogar etwas sportlicher Einsatz zum Einfangen der Küken gefragt. Zur besseren Ablesung bekamen die Möwen, als Ergänzung zum Metallring, einen Farbring ans Bein. Insgesamt konnten so ca. 280 Küken beringt werden, deutlich weniger als im letzten Jahr.

 

Ringe ablesen
Damit fängt die Arbeit aber erst an, denn nur durch Ablesungen lassen sich die erhofften Erkenntnisse gewinnen. In den nächsten Wochen werde ich mich also wieder verstärkt an Möwengruppen heranpirschen und fleißig Möwenbeine durchmustern, vielleicht ist ja irgendwo ein Ring versteckt. Und durch zahlreiche Ablesungen lassen sich hoffentlich nach und nach die Lebenswege der einzelnen Möwen nachvollziehen.

Möglicherweise finden auch sie am Strand, am Hafen oder an der Mülldeponie eine beringte Möwe und können durch ihre Sichtung zum ersehnten Erkenntnisgewinn beitragen. Den Ringfund melden können sie über die zuständige Vogelwarte, oder sie suchen unter www.cr-birding.org nach dem Beringungsprojekt.

Ihre Melanie Theel

Das große Schlüpfen

Liebe Blogfolger*Innen,

das große Schlüpfen hat begonnen. Seit etwa zwei Woche pellen sich die Küken der Großmöwen und der Kormorane aus ihren Eiern. Und heute habe ich den ersten Flussseeschwalben- und Lachmöwennachwuchs  beobachten dürfen, wie er noch etwas wackelig auf den Beinen das Nestumfeld erkundete.

 

Damit ist Trischen im Vergleich ganz schön spät dran, denn das Wetter „hier draußen“ ist doch etwas rauer als am Festland. Niedrige Temperaturen können den Brutbeginn, aber auch die Kükenentwicklung im Ei verzögern. Allerdings hat auch der erhöhte Wasserstand Ende Mai seinen Tribut gefordert und einige der Lachmöwennester davon geschwemmt, weshalb sie nun mit ihrem Nachgelege im Verzug sind.

Sommerhochwasser auf Trischen kommen immer wieder vor (und werden im Zuge des Klimawandels vermutlich weiter zunehmen) – trotzdem versuchen es die Lachmöwen jedes Jahr erneut an derselben Stelle. Dieses Jahr waren bisher nur die Nester betroffen, was zum Teil durch Nachgelege kompensiert werden kann. Schlimmer wäre es gewesen, wenn das Sommerhochwasser zur Zeit des größten Kükenvorkommens stattgefunden hätte.

Für mich bedeutet das große Schlüpfen vor allem eines: Erleichterung. Kaltes Frühjahr hin oder her, mit so einer starken Verzögerung hatte ich nicht gerechnet. Zwischendurch fühlte ich mich ein bisschen wie eine Glucke, die um das wohl behütete Nest umherschleicht und nach dem Rechten sieht – ein diffuses „hier stimmt doch etwas nicht“ im Gefühl.

Und leider trifft dies auch auf einige der Inselbewohner zu. Die Löfflerkolonie im Norden der Insel wurde aus bisher ungeklärten Ursachen aufgegeben. Die Löffler hatten sowieso schon sehr spät mit der Brut begonnen und Mitte Mai noch kaum Eier in den Nestern. Anfang des Monats wurde die Kolonie dann aufgegeben. Nun befinden sich nur noch knapp 130 Tiere auf der Insel, ein kläglicher Rest der 179 Paare des letzten Jahres.  Von diesen versuchen sich nur noch wenige in einem Nachgelege. Nun steht die große Frage des „Warum?“ im Raum. Ich hoffe sehr, dass wir zu einer Antwort gelangen.

Seite an Seite mit den Brutvögeln auf Trischen zu leben, sie jeden Tag zu beobachten und zu monitoren, lässt mich mit ihren Schicksalen regelrecht mitfiebern. Hat der Sandregenpfeifer am Hüttenzugang noch sein Nest? Führen die Weißwangengänse an der Südspitze noch ihre vier Gössel (Gänseküken)? Und wieso gibt es dieses Jahr keinen Wanderfalken-Nachwuchs? Fragen über Fragen, die ich mir jeden Tag stellen kann – auch wenn ich bei über 5.000 Brutpaaren natürlich nicht jedes individuelle Schicksal mitverfolgen kann. Das Große und Ganze behalte ich jedoch im Blick – und das ein oder andere Brutpaar ganz besonders.

Ihre Melanie Theel

Vogelperspektive

Liebe Trischen-Begeisterte,

auch letztes Wochenende stand wieder ein Perspektivenwechsel auf Trischen an. Seit 2017 findet Ende Mai/Anfang Juni eine Drohnenbefliegung zur Ermittlung des Brutbestandes ausgewählter Arten statt. Denn aus der Luft können die Vögel in der hohen Vegetation besser und störungsärmer erfasst werden – so der Gedanke. Bisher handelt es sich aber noch um einen Testlauf, weshalb nach wie vor eine Bodenerfassung (Begehung) durchgeführt wird, um die Validität der Ergebnisse zu überprüfen.

Da ich noch nie mit einer Drohnenerfassung zu tun hatte, wusste ich nicht, was mich erwartet. Wie würden wohl die Vögel auf die Drohne reagieren? Schließlich wird jeder potenzielle Prädator von Austernfischer, Seeschwalbe & Co. sofort attackiert. Um das Störpotenzial der Drohne richtig einschätzen zu können, wird während sowie vor und nach der Befliegung, die Vogelaktivität auf der Insel in einem Störprotokoll festgehalten.

Drohne über Trischen zur Brutbestandserfassung

Von der Hütte aus war die Drohne im Norden jedenfalls kaum zu erkennen und das Brummen der Rotoren erst im näheren Umkreis zu hören. Überraschenderweise schienen sich auch die Brutvögel Trischens nicht besonders um die Drohne zu kümmern, denn nur selten konnten wir ein Auffliegen beobachten. Allerdings scheint dies zwischen den Drohnentypen, den Vogelarten und zwischen manchen Rast- und Brutvögeln unterschiedlich zu sein. Denn die rastenden großen Brachvögel wurden mehrfach von der Drohne aufgeschreckt.

Direkt im Anschluss der Befliegung bekam ich auch schon die ersten Bilder zu sehen und konnte mich im Bestimmen der Arten aus 100m Höhe üben. Was bei den Großmöwen, den Löfflern und den Kormoranen sehr gut funktioniert, wird schwieriger, wenn es an die kleineren Arten wie Lachmöwe und Seeschwalbe geht. Besonders spannend fand ich auch den Perspektivenwechsel. Denn das Bild, welches ich mir nach und nach von dem leicht erhöhten Standpunkt meiner Hütte oder der Dünen über die Lage und Ausdehnung der Kolonien gemacht habe, unterscheidet sich doch deutlich von der Realität. Und wieder einmal zeigt sich: Die Perspektive machts!

Inwieweit meine Kartierergebnisse mit den Drohnendaten übereinstimmen, wird sich aber erst noch zeigen. Denn nun müssen die Luftbilder bearbeitet und ausgezählt werden. Und auch meine Auswertung steht noch aus.

In jedem Fall war es wieder ein ereignisreiches Wochenende, mit neuen Erfahrungen und netter Gesellschaft. Übrigens hatte ich großes Glück, denn die „Luise“, mein Versorgungsschiff, ist gerade in Reparatur und so fand meine Verpflegung den Weg über Marc und Clara (welche die Drohnenerfassung durchgeführt haben) zu mir nach Trischen.

Ihre Vogelwartin 2023

 

Wann kükt es denn endlich?

Liebe Blogleser*Innen,

die Brutsaison ist in vollem Gange. Sobald ich einen Schritt vor die Hüttentür wage, werde ich nicht mehr nur von den Rotschenkeln angeblökt, sondern habe auch einen wütenden Mob von Flussseeschwalben über mir. Manchmal macht mich das ein bisschen traurig, gibt es mir doch zu verstehen, dass ich höchst unwillkommen bin. Aber ich weiß auch, dass es nicht an mir persönlich liegt. Denn der gleiche Mechanismus kommt bei den Möwen und den Krähen zum tragen. Gestern habe ich sogar beobachtet wie der Ziegenmelker, über den ICH mich zumindest sehr gefreut habe, höchst erfolgreich von den Seeschwalben vertrieben wurde.

Für einige Arten ist die gemeinsame Feindabwehr übrigens ein Grund in Kolonien zu brüten. Zum einen ist das Risiko der Gelegeprädation für das einzelne Individuum in einer Kolonie deutlich geringer, zum anderen können Feinde in der Gruppe erfolgreicher vertrieben werden. Im Gegenzug muss der „nervige“ Nachbar in Kauf genommen werden. Dieser kann nämlich auch einfach mal das Nistmaterial oder die Eier klauen!

Bei dem ganzen Brutgeschehen auf Trischen bin ich natürlich auch auf das Ergebnis gespannt. Die ersten Küken müssten eigentlich schon zu entdecken sein. Denn Graugans, Stockente und Löffler sitzen beispielsweise schon länger auf ihren Gelegen. Nur wollen die Küken nicht so richtig schlüpfen. Die ein oder anderen konnte ich zwar schon entdecken, aber bisher ist dies weit hinter meinen Erwartungen zurückgeblieben – insgeheim hatte ich mir nämlich eine Insel voller Flauschkugeln erhofft. Teilweise mag dies an dem eher kalten Frühjahr liegen, sodass sich alles etwas nach „hinten“ verschoben hat. Bei den Graugänsen vermute ich aber eher ein Hochwasserereignis im Frühjahr und die Möwen als Schuldige. Es fällt mir schwer nicht Partei zu ergreifen, wenn ich eine Silbermöwe mit einem Ei oder Küken davonfliegen sehe, die verzweifelten Rotschenkelrufe in den Ohren. Doch auch die Möwe muss sehen wo sie bleibt. Und gerade hier auf Trischen soll ja alles so sein, wie die Natur es eingerichtet hat.

Dafür freue ich mich über jedes einzelne Küken doppelt – insbesondere über die Sandregenpfeifer. Der Brutplatz hinter den Dünen, über den ich vor einiger Zeit berichtet hatte, hat sich als gut gewählt erwiesen. Das Gelege war erfolgreich und ist vor etwa zwei Wochen geschlüpft. Ich hatte großes Glück, denn ich habe noch zwei Küken im Nest erwischt. Sandregenpfeifer sind nämlich Nestflüchter und verlassen sehr schnell nach dem Schlupf ihre Nistmulde. Sie sind schon voll entwickelt und können gleich mit ihren Eltern auf Nahrungssuche gehen, weshalb ich die Familie schon am nächsten Abend am Strand beobachten konnte.

 

Sind die Küken noch sehr klein, ducken sie sich beim Erklingen der Warnrufe ihrer Eltern auf den Boden, sodass sie kaum noch zu entdecken sind. Sind sie schon älter, rennen sie bei Gefahr meistens in eine nahe gelegene Deckung.  Leider hielt das Familienglück nicht lange, denn etwa vier Tage später waren die adulten Sandregenpfeifer schon wieder allein unterwegs. Und nun sind sie wieder am Balzen, sie versuchen also erneut ihr Glück. Hoffentlich dieses Mal mit mehr Erfolg!

Also halte ich weiter Ausschau nach den Anzeichen einer erfolgreichen Brut, hoffe dass die Möwen anderswo ausreichend Nahrung finden, die Sommerhochwasser bis nach der Brutsaison warten und die Löffler bald schlüpfen. Denn ich habe die Hoffnung auf eine Insel voller Küken noch nicht aufgegeben!

Ihre Melanie Theel