Nach dem seltenen Weißstorchbesuch, folgte direkt am nächsten Tag ein nicht nur seltener, sondern auch sehr ungewöhnlicher Gast. 

Am Morgen wunderte ich mich über das Verhalten der Rotschenkel. Sie sammelten sich in der Düne, durch die ein Trampelpfad führt, der mein täglicher Weg an den Strand ist. Ich schwenkte mit dem Fernglas hinüber und was sehe ich da: Ein Reh! Die Ricke bewegte sich ganz entspannt in der Graudüne und fraß Gräser. Bei den Rotschenkeln hatte ich zunächst den Eindruck, dass sie verwundert und neugierig waren. Doch dies schlug dann auch sehr schnell um in Verärgerung über dieses zweite Land-Säugetier und das Getütere war groß.

Am darauffolgenden Tag konnte ich das Reh wieder im Süden der Insel beobachten. Die Kartoffelrose, die dort wächst, schien ihr ganz gut zu schmecken. Doch dann wurde die Ricke ordentlich aktiv und rannte im Galopp an der Hütte vorbei, scheuchte im Norden so allerhand Vögel auf, trieb sich eine Weile dort herum und sprintete später wieder Richtung Süden.

Auch heute ist das Reh noch da. Ich bin gespannt wie sich die Lage entwickelt. Unruhe stiftet es jedenfalls ordentlich.

Ich frage mich, welchen Weg die Ricke wohl eingeschlagen hat. Der direkteste, nämlich über die Marner Plate, ist nicht mehr so einfach zu begehen. Die Marner Plate ist eine höher gelegene Ebene zwischen Trischen und dem Festland. Allerdings ist sie an einer Engstelle im letzten Jahr durchgebrochen, sodass dort inzwischen eine 10m tiefe und ebenfalls einige Meter breite „Rinne“ verläuft. Aber Rehe können ja schwimmen. Irgendwie wird es sich schon seinen Weg gesucht haben. Warum es den Weg nach Trischen eingeschlagen hat, ist ebenfalls fragwürdig. Dass es an der Küste durch irgendetwas aufgeschreckt wurde und panisch ins Watts lief, ist für mich die wahrscheinlichste Erklärung. Aber genau weiß mans nicht….

Reh

Anne de Walmont

Vogelwartin 2019