Nachwuchs Beiträge

1, 2, 100 Austernfischer

Moin, liebe Blogleser:innen,

die Brutvogelkartierung hat begonnen. Meine größte Aufgabe während der Zeit auf Trischen ist die Erfassung der Brutbestände der hier ansässigen Vögel. Es könnten an die 30 Arten werden, von denen ich in den nächsten Monaten die Brutpaare dokumentieren werde. Hierfür werden, je nach Art, verschiedenste Methodiken angewendet.

Ein Pärchen Austernfischer

Zum Auftakt hat diese Woche die Revierkartierung begonnen. Hierfür laufe ich eine vorgegebene Linie über die gesamte Insel entlang und nehme mittels App die Vögel auf, die ein Revier anzeigen oder sonstige Hinweise auf eine Brut sehen lassen. Das kann herausfordernd sein, manche Arten sind etwas heimlicher und in der hohen Vegetation nicht immer leicht auszumachen. Außerdem gilt es, die Vögel nicht doppelt zu zählen. Bei meiner ersten Begehung hat der Austernfischer den größten Teil ausgemacht, er brütet verteilt auf der ganzen Insel. Viele Rotschenkel trällern vor sich hin und wollen gezählt werden, außerdem Feldlerchen und Wiesenpieper. Die Graugänse sind schon fleißig am brüten, von ihnen konnte ich bereits etwa ein Dutzend Gelege finden. Die Weißwangengänse und Stockenten zähle ich in Paaren, Bachstelzen und Rohrammer besetzen ebenfalls mehrere Reviere. Dieses Prozedere werde ich noch zweimal wiederholen.

Die ersten Daten

In den kommenden Wochen und Monaten kommen weitere Methodiken hinzu, einige Arten werden mit der Drohne aus der Luft erfasst, ich werde Brutpaare in Kolonien zählen, Nester werden aufgenommen und Balzgruppen erfasst. Ich werde berichten und bin gespannt wie sich die Bestände entwickeln. Einige Arten wie Weißwangengans, Löffler und Zwergseeschwalbe nehmen über die letzten Jahre zu, andere wie Austernfischer, Lachmöwe und Silbermöwe werden seltener. Die Brutvogelkartierung ist elementar um diese Trends zu dokumentieren, mögliche Gefährdungen zu erkennen und daraus dann Schutzmaßnahmen entwickeln zu können.

Viele Grüße

Jakob

Die Vogelgrippe auf Trischen

Moin, liebe Blog-Leser:innen,

seit meiner Ankunft achte ich bei meinen Touren über Strand, Düne und Salzwiese auf alles was so herumliegt: interessante Fundstücke an Müll, Bernstein, ein altes 5 Mark Stück oder Quitscheentchen. Irgendetwas Neues findet sich meistens. Was ich vor allem viel finde, sind verendete Vögel. Mein Vorgänger Till hat hier bereits über die Endlichkeit auf der Insel geschrieben (LINK). Wenn ich einen Kadaver sehe, dokumentiere ich die Art, Details wie Alter und Geschlecht, den Fundort und das Datum. Dann markiere ich den Vogel mit einem bunten Plastikfaden, um ihn beim nächsten Mal nicht doppelt zu erfassen, ein Trick den mir meine Vorgängerin Melanie gegeben hat. Im ersten Monat ist schon einiges zusammengekommen, insgesamt habe ich 180 Totvögel aus 21 Arten gefunden. In den letzten Jahren waren es zwischen 12 und 63 Totvögel, die Zahlen sind also sehr hoch. Einige dieser Vögel sind Rupfungen, vor allem durch Wanderfalke und Seeadler geschlagen. Darunter sind viele Waldschnepfen, Eiderenten, Alpenstrandläufer und ein Merlin. Die Natur nimmt ihren üblichen Lauf.

Einen großen Teil der toten Vögel muss ich aber leider der Vogelgrippe zuordnen, diese erklärt auch die hohe Zahl der gestorbenen Individuen im Vergleich zu den Vorjahren. Die Vogelgrippe ist in der Vergangenheit überwiegend im Winter aufgetreten, seit 2020 kann sich H5N1 jedoch auch über den Sommer halten, eine bedrohliche Situation. Vor allem Kolonien von ohnehin schon gefährdeten Seevogelarten waren hiervon jüngst betroffen. Auch auf Trischen ist die Vogelgrippe nichts Neues, Till hatte hier viele betroffene Brandseeschwalben gefunden, daneben auch Basstölpel und Eiderenten (LINK). Zu einem Ausbruch unter den hier brütenden Arten kam es nur bedingt, junge Löffler und Silber- und Heringsmöwen waren betroffen, aus 2023 gab es keine eindeutigen Nachweise.

Allein 95 meiner gefundenen Kadaver sind Alpenstrandläufer, eine ungewöhnlich hohe Zahl. Die Vogelgrippe beim Alpenstrandläufer ist gut untersucht. Diese Art steckt sich leider sehr schnell mit dem Virus an. Etwa drei bis fünf Tage nach der Infektion stirbt der Vogel, in der Zwischenzeit kann er seine Artgenossen anstecken. Zur Zeit rasten tausende Alpenstrandläufer um und auf Trischen, die Vogelgrippe verkleinert die Zahl. Zudem sind viele Eiderenten unter meinen Funden, eine Art bei der der Ausbruch der Aviären Influenza, wie die Vogelgrippe auch genannt wird, ebenfalls gut belegt ist. Ich wünsche mir sehr, dass es in diesem Jahr bei den Wintergästen und Rastvögeln im Frühjahr bleibt, dass die Brutvögel hier nicht oder wenigstens wenig betroffen sein werden. Ausbrüche solcher Viren zeigen, wie angreifbar ein Ökosystem sein kann und wie wichtig es deshalb auch ist, Gebiete, Arten und Individuuen zu schützen und die Gefährdungsursachen so gut es geht zu minimieren.

Wo viel Leben ist, wird auch viel gestorben, die Totfunde gehören zum Leben als Vogelwart. Aber genug der traurigen Themen. Die Insel wird auch immer lebendiger. Die ersten Seeschwalben treffen langsam ein, immer mal huscht eine Rauchschwalbe über die Insel, die ersten Pflanzen blühen und ich habe schon viele Gelege von Graugänsen und Stockenten entdeckt. In den nächsten Tagen wird es voller hier auf der Insel, die Gelege werden schlagartig zunehmen, es wird mehr und mehr blühen, die Insel wird grüner. Toll, das miterleben zu dürfen!

Ich wünsche euch allen einen schönen, lebendigen Frühling,

Jakob

Im Penthouse

Liebe LeserInnen,

wir alle kennen die verschiedensten Formen von Nestern. Die Meisen und Sperlinge in den Nistkästen, die Amsel und das Rotkehlchen in der Efeuwand und im dichten Gebüsch, der Kiebitz in der Ackerfurche.

Hier auf Trischen brüten alle Vögel am Boden. Die Möwen drehen flache Mulden und staffieren diese mit Grashalmen aus. Die Austernfischer legen manchmal ihre Eier auch einfach in den Sand, genau wie die Zwergseeschwalben und Sandregenpfeifer. Die Rotschenkel wiederum verstecken ihre Nester so gut, dass man sie nie finden kann.

Aber der Löffler übertrifft sie alle in Extravaganz. Hoch hinaus baut er seine Nester. Kunstvoll aufgetürmt, stehen sie mal Einzeln und mal in Gruppen zusammen. Sorgfältig werden Äste zusammengesteckt und das Innere des Nestes mit weicherem Material ausgepolstert, wo der Löffler im Schnitt 3 Eier reinlegt. Der Turm muss schon gut konstruiert sein, damit der recht große Vogel darauf auch Halt findet.

 

Vor einigen Tagen war ich mit drei Helfern in der Löfflerkolonie, um die Nester mit dem GPS-Gerät einzumessen und die Eianzahl aufzunehmen. In manchen Nestern konnten wir leider auch Seile, Schnüre oder Folien finden, die wir entfernt haben. Noch gab es keine Anzeichen, aber schon bald werden die Küken schlüpfen.

Und kurz bevor wir fertig sind, entdecken wir ein Nest etwas abseits der Kolonie. Das war so unglaublich hoch wie kein anderes! Scherzend und lachend, dass das ja wohl das Luxus-Penthouse ist, verlassen wir die Kolonie, mit 179 Nestern im GPS-Gerät und 551 gezählten Eiern – so viele wie noch nie auf Trischen!

 

Das milde Wetter in diesen Tagen ist optimal, damit die Kleinen schlüpfen und dann schnell groß werden können.

 

Mein sympathischer Nachbar

Jetzt, in den ersten Junitagen, bekommen viele Vogelarten auf Trischen ihren Nachwuchs. In den letzten Tagen konnte ich schon erste Familien von Austernfischern im Watt beobachten. Auch die Möwenküken schlüpfen in diesen Tagen und die Küken der Löffler sind zum Teil schon richtig groß.

Rund um die Vogelwärterhütte fällt jedoch eine Vogelart ganz besonders auf: der Rotschenkel.

früh morgens am Dünenübergang

In direkter Nachbarschaft zur Hütte haben sie ihre Nester angelegt, so dass ich sie dort jeden Tag intensiv beobachten konnte. In den letzten Tagen habe ich endlich auch die „Kleinen“ durch das Gras huschen sehen. Damit die Elternvögel den Überblick behalten nutzen sie alle hohen Ansitzwarten, die ihnen zur Verfügung stehen. Da die höchste Ansitzwarte die Vogelwärterhütte selbst ist, sitzen sie auch regelmäßig direkt vor dem Fenster oder an der Treppe. Von hier oben können sie sehen, wo die Küken sich aufhalten oder ob sich eine Gefahr nähert. Und ich selber kann diese zarten Vögel auf den Sitzwarten wunderbar beobachten.

Durch anhaltendes Rufen führen sie ihre Küken durch die Salzwiese oder warnen sie bei Gefahr. Dieses Rufen fängt jeden Tag pünktlich zu Sonnenaufgang an. Einen Wecker benötige ich somit meistens nicht.

Die Küken sind sogenannte Nestflüchter. Das bedeutet, dass sie kurz nach dem Schlupf laufen und auch selbständig nach Nahrung suchen können. Meistens legen Rotschenkel vier Eier, im Abstand von 2 Tagen. Damit die Küken aber alle gleichzeitig schlüpfen, fängt das Weibchen erst mit dem vierten Ei an zu brüten. Ansonsten würden die älteren Küken schon davonlaufen, während das zuletzt gelegte Ei noch gar nicht geschlüpft wäre.

Dieses Jahr ist für die Rotschenkel auf Trischen ein gutes Jahr. Viele Familien sind unterwegs und sobald sich eine Möwe nähert fliegen etliche laut rufende Rotschenkel hinter ihr her, bis sie sich wieder davon machen. Je mehr Vögel an einem Ort brüten, desto besser funktioniert eben auch die Feindabwehr.

Das ist schön zu beobachten und so nehme ich den frühmorgendlichen Wecker auch gerne an.

Letzter Nachwuchs – Auflösung des cliffhangers

Endlich ist es soweit. Der cliffhanger wird aufgelöst! Täglich lugte ich bei meinem Gang über die Düne Richtung Strand zu den vier kleinen Eiern, die sich wirklich direkt neben dem Weg befanden. Eines Tages war es endlich so weit und ich konnte erkennen, dass die winzigen Küken in den Eiern begannen, ihre Schale aufzupicken. Am nächsten Tag fand ich dann dieses Küken, das sich nun bis auf den Dünenübergang vorgewagt hatte. Die drei anderen lagen noch hinter dem Meersenf, der mir immer als Orientierung diente, wenn ich zu dem Gelege schauen wollte. Sandregenpfeifer!