Der Vogel vom Donnergott? – Thorshühnchen auf Trischen

Gestern, am frühen Abend, schwenkte ich nichtsahnend mit dem Spektiv über den Hafenpriel und die Südostbucht der Insel. Einige Alpenstrandläufer waren auf Nahrungssuche unterwegs. Doch was ist das! Ein Thorshühnchen hatte sich unter die hungrigen Strandläufer gemischt!

Seit 1976 stattete erst ein Thorshühnchen Trischen einen Besuch ab und blieb gleich für ein paar Tage, nämlich im Jahre 2011. Nun war gestern also das zweite hier unterwegs.

Thorshühnchen brüten an den nördlichen Rändern Kanadas, Alaskas, Sibiriens, sowie Grönlands, Islands und Spitzbergens. Sie überwintern an den Küsten Südamerikas, West- und Südafrikas. Damit sind sie absolute Langstreckenzieher. Ganz selten passiert es, dass sie auf ihrer Reise verdriftet werden und in die Nordsee gelangen. Diesem Thorshühnchen ist das wohl passiert.

Wenn sie im Herbst bei uns erscheinen, tragen sie schon lange nicht mehr ihr auffälliges Prachtkleid, sondern sind wesentlich schlichter unterwegs. Gemeinsam mit dem Odinshühnchen, dem zweiten Vertreter unter den sogenannten Wassertretern, nehmen diese kleinen Vögel eine Sonderstellung ein. Sie haben eine besondere Eigenschaft, die sie von allen anderen Vögeln unterscheidet:

Man kennt das. Im Frühjahr sieht man bei vielen Vogelarten prächtige, bunte Männchen, während die Weibchen eher schlicht und gut getarnt gekleidet sind. Schließlich will das Männchen mit seinem schicken Kleid angeben und werben, während das Weibchen brütet und die Jungen aufzieht und besser nicht so schnell für potentielle Fressfeinde sichtbar sein sollte. Doch die Wassertreter haben eine umgedrehte Rollenverteilung! Das Weibchen trägt zur Balz- und Brutzeit das leuchtendere Gefieder, umwirbt das Männchen und dieses wiederum, ist für die Jungenaufzucht zuständig. Das ist doch was!

Hier auf Trischen habe ich dieses einsame Thorshühnchen tippelnd im Watt beobachtet. Still hielt es eigentlich nie. Doch die Bezeichnung Wassertreter kommt nicht von ungefähr: Thors- und Odinshühnchen waten nicht durch niedriges Wasser wie zum Beispiel Rotschenkel oder Dunkler Wasserläufer, sondern sie „treten“ das Wasser. Das heißt, sie können schwimmen. An ihren Füßen habe sie, ähnlich wie das Blässhuhn, Hautlappen an de Seiten der Vorderzehen ausgebildet.

Heute konnte ich das Thorshühnchen bisher noch nicht entdecken. Vielleicht ist es schon auf seinem Weg, um die eigentliche Route in sein Überwinterungsgebiet wieder zu erreichen. Vielleicht schwimmt oder tippelt es aber auch noch irgendwo hier rum um bleibt für ein paar Tage wie 2011. Ich halte die Augen offen….

Anne de Walmont

Vogelwartin 2019