Natura 2000 Beiträge

EU-Umweltminister beraten Naturschutzpolitik

EU FlaggeSpät im Jahr, am morgigen Mittwoch, dem 16.12.2015, ein weiterer Höhepunkt in der Saga um die EU-Naturschutzrichtlinien. Auf ihrem regulärem Ministerratstreffen werden die EU-Umweltminister (Deutschland wohl vertreten durch Staatssekretär Jochen Flasbarth) die Zwischenbilanz der EU-Biodiversitätsstrategie für 2020 diskutieren. Die EU-Kommission (und auch wir selbst im BirdLife-Netzwerk) hat dazu eine ausführliche Evaluierung vorgelegt, die zeigt, dass Halbzeit in diesem Fall nicht „wir sind auf halbem Weg“ heißt. Die Kernbotschaft der Daten lautet: Während die EU-Naturschutzrichtlinien stellenweise beginnen zu wirken, verhindern schädliche Agrarsubventionen sowie die zögerliche Umsetzung und Finanzierung von Natura 2000 durch die Mitgliedsstaaten eine Trendwende beim Kampf gegen das Artensterben.

Rückenwind aus Belgien

flagge-belgienAls elfter EU-Mitgliedsstaat hat sich nun auch Belgien in einem Brief an EU-Kommissar Karmenu Vella gewandt und sich gegen Änderungen am EU-Naturschutzrecht ausgesprochen (PDF download, auf französisch). Zuvor hatten bereits neun Umweltminister (aus Deutschland, Frankreich, Spanien, Polen, Italien, Rumänien, Slowenien, Kroatien und Luxembourg) einen gemeinsamen Brief geschickt, anschließend auch Griechenland. In den Niederlanden hat das Parlament per Mehrheitsbeschluss die Regierung aufgefordert, ein entsprechendes Schreiben auf den Weg zu bringen.

Nächsten Mittwoch, am 16.Dezember 2015, werden sich alle EU-Umweltminister in Brüssel treffen, um über Maßnahmen zum Stop des Artenschwunds bis 2020 zu beraten. Dabei werden sich vermutlich auch viele auch zu den Naturschutzrichtlinien äußern. Der NABU und seine europäischen Partner werden die (vermutlich öffentlich übertragene) Sitzung auf Twitter (#NatureAlert) und in der Presse kommentieren. Näheres dann nächste Woche auch in diesem Blog.

Parlament zwingt Regierung auf Naturschutzkurs

300px-Flag_of_the_Netherlands.svgIn einer ungewöhnlichen Abstimmung hat heute das niederländische Parlament den für Naturschutz zuständigen Agrarminister Martijn van Dam aufgefordert, sich nicht länger für eine Änderung und Abschwächung der EU-Naturschutzrichtlinien einzusetzen. Mit Mehrheit wurde ein Antrag angenommen, der ihn stattdessen auffordert, der Europäischen Kommission schriftlich darzulegen, dass die Niederlande den Erhalt dieser wichtigen Gesetze fordern. Die Niederlande führen bisher eine kleine Gruppe von EU-Staaten an, die eine Lockerung der Richtlinien wünschen.

Durch die Initiative der Volksvertretung müsste nun auch die niederländische Regierung auf die Linie einschwenken, die Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (einvernehmlich mit Landwirtschaftsminister Schmidt) und weitere Ministerkollegen aus Frankreich, Polen, Spanien, Italien, Rumänien, Kroatien, Slowenien und Griechenland vorgegeben haben: Sie fordern die EU-Kommission eindeutig auf, ihre Pläne für eine „Modernisierung und Verschmelzung“ der Vogelschutz- und der sogenannten FFH-Richtlinie aufzugeben und sich stattdessen auf die Umsetzung und Finanzierung dieser wichtigen Naturschutzgesetze zu konzentrieren.

Dies ist ein weiterer wichtiger Beweis für die Tatsache, dass die Europäerinnen und Europäer im Gegensatz zu manchen Lobbyisten eine starke Rolle der EU im Naturschutz wünschen. Bereits im Sommer hatte die Bürgerbefragung zur Zukunft der Naturschutzrichtlinien eine Rekordbeteiligung ausgelöst: über 90% der Teilnehmer waren für den Erhalt der Richtlinien. Im Herbst schrieben dann Vertreter fast aller Fraktionen im EU-Parlament mit gleichlautender Botschaft an die EU-Kommission, gefolgt von einer Stellungnahme der europäischen lokalen und regionalen Regierungen (Ausschuss der Regionen).

Im Frühjahr muss die Spitze der EU-Kommission Klartext reden, wenn sie die Ergebnisse des „Fitness-Checks“ der Richtlinien veröffentlichen. Wir hoffen sehr, dass Präsident Juncker und sein Vizepräsident Timmermans die Stimme des Volkes dabei beachten werden.

Inoffizielle Übersetzung des Beschlusses in englischer Sprache:
The House of Representatives, having heard the debate, noting that the Birds and Habitats Directive is seen in society as a good Directive to achieve European nature conservation; noting that the European Commission within the framework of the program „Better Regulation“ is conducting an evaluation of the Birds and Habitats Directive; noting that ministers of nine EU member states in a letter to Commissioner Vella, have asked to leave the Birds and Habitats Directive unchanged and to make improvements in the implementation of the Directive; noting that seven of the nine groups in the European Parliament have already made a similar request to the Eurocommissioners Timmermans and Vella; believes that also the Netherlands want to retain the Birds and Habitats Directive in its current form and want improvements in their implementation; calls on the government, to convey this message in writing to the European Commissioners Timmermans and Vella, and proceeds to the order of the day.

Game changers: Was braucht der europäische Naturschutz?

workshop titelZusammenfassung NABU-Workshop in Brüssel (Teil 2)

Im Oktober hat Bundesumweltministerin Barbara Hendricks mit ihrer Naturschutzoffensive einen beachtlichen Aktionsplan veröffentlicht, mit dem Deutschland das internationale 2020-Ziel zur Trendwende beim Artensterben erreichen soll. Allerdungs müssen die wesentlichen Weichenstellungen auf der Ebene von EU und Bundesländern erfolgen, auf die die Bundesregierung nur begrenzten Einfluss hat. Gerade auf „Brüssel“ richten sich derzeit große Erwartungen, denn im kommenden Jahr wird die EU-Kommission darlegen, womit sie die gefährdeten Lebensadern unseres Kontinents, die bedrohten Arten und Schutzgebiete, wiederbeleben will. Heibei braucht es nicht kosmetische, sondern tiefgreifende Veränderung. Worin diese „game changer“ bestehen könnten diskutierten am Dienstag auf Einladung des NABU Vertreter von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Verbänden in Brüssel, darunter Naturschutzpraktiker aus 19 EU-Staaten.

People, people, people: NABU-Workshop in Brüssel

Durchbruch für die Biologische Vielfalt bis 2020 – Was muss die EU tun?

Zur Stunde diskutieren in Brüssel Vertreter von EU-Institutionen, Regierungen und Naturschutzverbänden darüber, wie die EU-Naturschutzrichtlinien künftig besser umgesetzt werden können. Der Workshop, organisiert vom NABU und seinem Dachverband BirdLife Europe, ist Teil des Projekts „EU-NaturExchange“, das vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) mit Mitteln des Bundesumweltministeriums (BMUB) druchgeführt wird. Ziel ist es, den laufenden „Fitness Check“ der EU-Naturschutzrichtlinien zu nutzen, um die bestehenden Defizite bei deren Umsetzung, Finanzierung und Durchsetzung zu beheben. Hier ein kurzer Bericht mit weiterführenden Links:

Workshop pic

Foto: Kristina Richter

Die nächsten Schritte des „Fitness-Checks“

Für die EU-Kommission erklärte Nicola Notaro, Referatsleiter Naturschutz, den Stand des „Fitness-Checks“ der EU-Naturschutzrichtlinien. Nach der großen Brüsseler Konferenz am 20.November und der Veröffentlichung der vorläufigen Ergebnisse der beauftragten Experten wird für Anfang 2016 der finale Bericht erwartet. Basierend auf dieser umfangreichen Studie plant die Kommission im Frühjahr ein Arbeitspapier („Staff Working Paper“) zu veröffentlichen, in dem sie die lange ersehnte Antwort auf die Frage gibt, ob die beiden Naturschutzrichtlinien wirksam, effizient und noch relevant sind, außerdem ob sie zu einander und zu den anderen EU-Richtlinien passen (Kohärenz), sowie ob die einen europäischen Mehrwert darstellen verglichen mit rein nationalen Naturschutzaktivitäten. Später im Jahr 2016 wird die Kommission dann konkrete Schritte vorschlagen, und damit entscheiden, ob sie eine Änderung der Richtlinien für notwendig hält oder deren bessere Umsetzung. Was  man unter „besserer Umsetzung“ verstehen sollte, und was die EU dafür tun könnte, ist Thema der folgenden Präsentationen und Diskussionen.

Live aus Brüssel: NABU-Konferenzticker (Teil 2)

Hiermit geht unser Live-Blog zu Ende. Danke an alle, die so lange durchgehalten haben!

Es war eine denkwürdige Erfahrung zu sehen, wie immer mehr Interessensgruppen, immer mehr Regierungen sich im Laufe des Tages für die Naturschutzrichtlinien ausgesprochen haben. Bis auf einige unverbesserliche Lobbies scheinen wir im letzte Jahr sehr viele Menschen, Organisationen und Institutionen davon überzeugt zu haben, dass es sich lohnt, gemeinsam für die Natur zu arbeiten. Das ist sehr ermutigend – aber noch ist nichts entschieden. In jedem Fall werden wir uns stark einsetzen, die Umsetzung der Richtlinien zu verbessern. Die Liste, die die  EU-Kommission am Ende der Konferenz verkündet hat, entspricht ziemlich genau dem, was wir auch für nötig halten!

Nachtrag: Die Teilnehmerliste, die meisten Vorträge und den Videomitschnitt findet man inzwischen hier.

17:25 Abschluss durch den Generaldirektor Umwelt der EU-Kommission

Sinngemäße Zitate von Daniel Calleja Crespo „Was nun: Die EU-Kommission wird im Frühling die finalen Schlussfolgerungen der Kommission über den Fitness Check veröffentlichen. Die Diskussion in den Niederlanden (Konferenz im Juni 2016) wird helfen, die konkreten Vorschläge zu definieren, die wir dann machen werden.

Welche Vorschläge werden das sein? Vorläufig kann die Kommission sagen:

  1. Dieser Fitness-Check muss im breiteren Kontext der Biodiversität gesehen werden. Vor allem die Rolle der Richtlinien außerhalb von Natura 2000, und Maßnahmen in der ganzen Landschaft, die das Netzwerk unterstützen können.
  2. Das Thema der Finanzierung muss angegangen werden.
  3. Wir müssen die bessere Umsetzung angehen. Best practice, training, guidance, intelligente Lösungen. Hieran müssen wir besser arbeiten. IMPLEMENTATION BECOMES CRITICAL.
  4. Mehr Durchsetzung. Die Kommission ist bereit ihre Rolle auszufüllen als Hüterin der Verträge. Wir werden von den Mitgliedstaaten verlangen, dass die Regeln auch wirklich eingehalten werden.
  5. Die Verbindungen zur Wirtschaft und Arbeitsplätzen, es gibt viele Verbindungen, die angegangen werden können.

Fortschritt geht dann, wenn es keine Konflikte zwischen den Gruppen gibt. Der Fitness-Check hat gezeigt, dass es gemeinsame Interessen gibt. Es sollte möglich sein, die notwendingen Gemeinsamkeiten zu finden. Was auf dem Spiel steht, ist viel zu groß, als dass wir es uns leisten können zu scheitern.

Schließlich müssen wir das Bewusstsein für die Bedeutung der Biodiversität noch viel weiter steigern.

Viel Arbeit liegt vor uns. Wir werden gut mit den kommenden Ratspräsidentschaften von Luxembourg, den Niederlanden und der Slowakei zusammenarbeiten.

Ich möchte Kommissar Vellas Botschaft wiederholen. Er hat seine persönliche Hoffnung geäußert, dass die Richtlinien eine gute Rolle für die Biodiversität spielen.

Meine persönliche Schlussfolgerung ist, was ich auf den Plakaten der NGOs gesehen habe: NATURE MATTERS. Wenn wir die Gesetzgebung umsetzen, und das zusammen tun, können wir es schaffen! Danke!“

Live aus Brüssel: Der NABU-Konferenzticker (Teil 1)


Mittagspause in Brüssel! Weiter geht’s um 14:45 Uhr – hier klicken für den zweiten Teil!

Der erste Teil der Konferenz war zum großen Teil ein klares Bekenntnis zu den Naturschutzrichtlinien aus sehr vielen Richtungen. Beachtlich die positiven Worte der britischen Regierung und einiger Industrievertreter, erwartbar die Angriffe der Wald- und Grundbesitzer. Aber es wird klar, dass sie sich zunehmend isolieren. Spannend wird der Auftritt der ebenfalls bisher kritischen niederländischen Regierung am Nachmittag.


12:50, Lebhafte Debatte mit ungewöhnlichen Allianzen

mike clarkMike Clarke, Chef des größten Umweltverbands in Europa, der Royal Society for the Protection of Birds (RSPB) gibt wie zu erwarten ein starkes Statement für die Naturschutzrichtlinien ab. Unterstützt wird er vom Verband der europäischen Zementindustrie (CEMBUREAU), die sich schon länger für den Erhalt der Naturschutzrichtlinien einsetzen.

Einer der Väter der FFH-Richtlinie, Stanley Johnson (Vater des derzeitigen Londoner Bürgermeister) ist auch im Raum. Er spricht von dem starken Baum, der aus der Saat hervorgegangen ist – und appelliert an alle, die Erfolge nicht aufs Spiel zu setzen.

Dagegen feuert die finnische Forstindustrie „wir können nicht alles schützen“

 


12:40, Landbesitzerlobby greift NGO-Kampagne anlandowner

Der Sprecher der Europäischen Großgrundbesitzer schlägt einen schärferen Ton an. Die Umweltverbände hätten Bilder von „süßen Tieren“ missbraucht für ihre Kampagne anstatt vernünftig zu diskutieren….

Naturschutzrichtlinien fit. EU-Kommission stellt erste Ergebnisse des Fitness-Checks vor.

Eine Woche vor einer entscheidenden Konferenz in Brüssel zur Zukunft des EU-Naturschutzrechts (wir werden an dieser Stelle berichten!), stellte die EU-Kommission heute zwei wichtige Berichte ins Internet: Die vorläufigen Ergebnisse des Fitness-Checks der EU-Naturschutzrichtlinien (PDF-Download, Englisch) und die Analyse der EU-Bürgerbefragung vom Frühsommer 2015 (PDF-Download, Englisch).

Nach erstem Überfliegen bestätigen beide Dokumente in eindrucksvoller Weise, das was der NABU und andere Umweltverbände schon seit längerem betonen: Die EU-Naturschutzrichtlinien sind die richtigen Instrumente, was fehlt ist ihre ernsthafte Umsetzung und Finanzierung, durch die Mitgliedstaaten unterstützt durch die EU. Und: die ganz große Mehrheit der Öffentlichkeit ist gegen eine Neuverhandlung der Richtlinien, aber für eine starke Rolle der EU im Naturschutz. Auch eine Verschmelzung der Richtlinien sollte nun zumindest aus fachlicher Sicht vom Tisch sein.

naturealert

Mit dieser Kampagne haben wir gezeigt: EU-Bürger wollen Naturschutz.

Was fehlt ist nun eine politische Entscheidung der Kommissionsspitze wie es weitergeht. Diese könnte sich auf der Konferenz nächste Woche abzeichnen. Offiziell soll dies aber erst im Frühjahr bekannt gegeben werden. Man will auch noch abwarten wie sich die EU-Umweltminister und EU-Parlamentarier im Winter äußern.

Worten müssen Taten folgen

Wiederholt haben die Naturschutzverbände bemängelt, dass es mit der Umsetzung der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt (NBS) nur unzureichend voran geht; dies haben auch Studien des Bundesumweltministeriums und des Bundesamtes für Naturschutz belegt, z.B. der Bericht zur Lage der Natur im Jahr 2014 und der Artenschutzreport im Jahr 2015. „Die aktuelle Lage der Natur muss ein Weckruf an die Politik sein. Denn Abwarten führt dazu, dass unsere Natur immer weiter Schaden nimmt“ hatte NABU-Präsident Olaf Tschimpke darauf hin seinerzeit gefordert. Und nun war es so weit, in der vergangenen Woche hat Bundesumweltministerin Hendricks ihre „Naturschutzoffensive 2020“ vorgestellt, mit der eine Reihe von prioritären, für das Jahr 2020 formulierten Zielsetzungen der NBS doch noch erreicht werden soll.

BM Hendricks_stellt die Naturschutzoffensive vor (BMUB/Inga Wagner)

Bundesumweltministerin Hendricks stellt die Naturschutzoffensive vor (BMUB/Inga Wagner)

In der Tat, das muss man anerkennen, enthält das Papier deutliche Worte zu den Treibern aktueller Probleme des Naturschutzes. Dies war sicher nur möglich, weil das Papier explizit die Sichtweise der Umweltministerin wiedergibt, wie Frau Hendricks bei der Vorstellung betonte, und eben nicht im Vorfeld mit den anderen Bundesressorts abgestimmt wurde – genau hier liegt der Reiz, aber eben auch der mögliche Schwachpunkt der Naturschutzoffensive: Die Probleme, insbesondere die durch intensive industrielle Landnutzung hervorgerufenen, werden zwar klar benannt und mögliche Lösungswege aufgezeigt, die Umsetzung liegt aber weitgehend in der Zuständigkeit anderer Ministerien. Dies ist im Grunde nur logisch, denn die NBS ist schließlich eine Strategie der gesamten Bundesregierung und in der Konsequenz sind daher alle Ressorts dafür verantwortlich, dass die Weichen zur Zielerreichung bis 2020 gestellt werden. Mehr noch: Weil Naturschutz in weiten Teilen Ländersache ist, müssen zudem auch die Landesregierungen ihren Teil dazu beitragen. Entsprechend haben die Umweltverbände in einer ersten Stellungnahme ein konsequentes Handeln von Bund und Ländern eingefordert.

Die Naturschutzoffensive 2020 enthält insgesamt 10 prioritäre Handlungsfelder, von denen ich ein paar hier kurz anschneiden möchte:

Besonders treffend und ambitioniert geht die Naturschutzoffensive mit der industriellen Landwirtschaft ins Gericht. Hier besteht der größte Handlungsbedarf und gleichzeitig ein harter Wiederstand gegen substanzielle Reformen. Der Umweltbeauftragte des Deutschen Bauernverbandes sprach bei der Vorstellung der Offensive zwar von „Folterinstrumenten“ und „starkem Tobak“, aber an einer Reform der EU-Agrarförderung unter der Maßgabe „Geld für Leistung“ kommen wir (nicht nur) aus NABU-Sicht keinesfalls vorbei; auch die vorgeschlagene Weiterentwicklung der nationalen Gemeinschaftsaufgabe „Agrarstruktur und Küstenschutz“ mit einem Schwerpunkt Naturschutz ist ebenso überfällig wie eine naturverträgliche Ausgestaltung der Fischereipolitik und eine konsequente Umsetzung von Meeresschutzgebieten. Das Bundeslandwirtschaftsministerium wird hier sicher mehr als einmal angeschoben werden müssen wenn es gilt, richtig dicke Bretter zu bohren.

Beim verbesserten Vertragsnaturschutz im Wald schließlich sind die Länder ebenso gefragt wie beim vorbildlichen Naturschutz und der natürlichen Entwicklung in öffentlichen Wäldern (gemeinsam mit den Kommunen). Die Stärkung von Stadtgrün im Rahmen der Städtebauförderung wiederum ist etwas, dem der neue Ressortzuschnitt des Umweltministeriums entgegen kommt – daran, wie ambitioniert dieser Punkt umgesetzt werden wird, kann man dann bald ablesen, wie weit die Abteilung Städtebau schon in das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit integriert ist.

Bei den Schutzgebieten und dem Biotopverbund bin ich gespannt, was der „Nationale Aktionsplan Schutzgebiete“ tatsächlich bringen wird, den die Ministerin gemeinsam mit den Ländern starten möchte. Klar ist, dass die Länder gerade erst und mit jahrelanger Verspätung angefangen haben, ihre Hausaufgaben in Sachen Sicherung und Entwicklung der Natura 2000-Gebiete zu erledigen – und das auch erst vor dem Hintergrund eines durch die EU eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens – und dass noch ein langer Weg zu gehen ist. Interessant noch im Kontext Biotopverbund: Das schon seit einigen Jahren bestehende „Bundesprogramm Wiedervernetzung“ der Bundesregierung wird nicht explizit erwähnt, und das, obwohl doch gerade die Finanzierung des Programms bisher unzureichend ist und das Bundesverkehrsministerium (BMVI) hier dringend mit einem eigenen Haushaltstitel nachbessern müsste.

Positive Erwähnung findet das BMVI hingegen im Kontext des in Erarbeitung befindlichen Bundesprogramms Blaues Band, das vom NABU seit langem gefordert wurde. Gleichwohl wird sich erst in Zukunft erweisen, inwieweit dieses von Frau Hendricks als „Jahrhundertprojekt“ titulierte Programm die gestellten Erwartungen auch tatsächlich erfüllt (am 8. Dezember werden auf einer Statuskonferenz in Bonn die ersten Arbeitsgergebnisse vorgestellt – man darf gespannt sein). Denn neben politischen Absichtsbekundungen braucht es dafür eine tiefe institutionelle Verankerung, eine solide Finanzierung und zudem über einen langen Zeitraum den politischen Willen, die gesetzten Ziele auch gegen Wiederstände zu verfolgen – ganz so, wie es prinzipiell Grunde für alle Handlungsfelder gilt, die nun in der Naturschutzoffensive 2020 aufs Tableau gehoben werden.

Zwei Mächte im Naturschutz?

„Nature and land use“ heute in der Britischen Botschaft Berlin

Bild2Heute Abend laden die beiden größten Naturschutzverbände Europas, die Royal Society for the Protection of Birds (RSPB) und der NABU gemeinsam mit der Britischen Botschaft Berlin zu einer ungewöhnlichen Veranstaltung ein: Ein deutsch-britisches Treffen, räumlich weit weg vom üblichen Brüsseler Verhandlungsmarathon, wo mühsam Kompromisse zwischen 28 Regierungen und Hunderten von Europaabgeordneten gefunden werden müssen; ein informeller Dialog mit Vertretern aus Regierung und Zivilgesellschaft beider Länder zu wichtigen Weichenstellungen, die im europäischen Naturschutz und in der Agrarpolitik anstehen. Die Eröffnung des British-German Dialogue on halting biodiversity loss and the need for policy reform“ wird übrigens einer der ersten Termine von Sir Sebastian Wood sein, des neuen Britischen Botschafters in Berlin. Wir laden Sie ein, die Veranstaltung über Twitter (#biodivdialogue) zu verfolgen!

Seeadler beim Fischfang

Der Seeadler verdankt sein Überleben auch den deutsch-britischen Vogelschutzranstrengungen. (Foto: Klemens Karkow/NABU)

Es gibt wenig Länder in denen der Naturschutz eine so große Tradition hat wie das Vereinigte Königreich und Deutschland. Der RSPB wurde schon im Jahr 1889 gegründet, der NABU zehn Jahre später (zunächst als Deutscher Bund für Vogelschutz, DBV). In beiden Fällen übrigens mit Frauen an der Spitze.
Ein der ersten gemeinsamen internationalen Kampagnen der beiden Verbände, an der auch der heutige US-BirdLife Partner Audubon-Society beteiligt war, zielte auf den Schutz von Reihern und Paradiesvögeln, deren Federn zum Schmuck von Damenhüten verwendet wurden. Mit Erfolg: kurz vor dem Ersten Weltkrieg erließen die Regierungen Einfuhrstopps und Abschussverbote. Die Geschichte der ersten internationalen Lobby-Kampagne von NABU und RSPB lässt sich im Detail hier nachlesen. Viele Jahrzehnte später waren die beiden Verbände die wesentlichen Triebkräfte bei der Gründung des heute wichtigsten Netzwerks von nationalen Natur- und Vogelschutzverbänden, BirdLife International (gegründet 1994 im bayerischen Rosenheim).

„Die Vögel des Paradieses in Paris, dem Herzen der Schmuckvogelausrottung! Aber auch in Berlin und anderen Großstädten kann man Ähnliches beobachten.“ Aus dem Jahresheft 1914 – Illustration: Bund für Vogelschutz/E. Matthes

„Die Vögel des Paradieses in Paris, dem Herzen der Schmuckvogelausrottung! Aber auch in Berlin und anderen Großstädten kann man Ähnliches beobachten.“ Aus dem Jahresheft 1914 – Illustration: Bund für Vogelschutz/E. Matthes

Aber auch der staatliche Naturschutz beider Länder reicht weit ins 19.Jahrhundert zurück, als erste Naturdenkmäler vor der Zerstörung geschützt wurden, wie der Drachenfels im Siebengebirge 1836, oder erste Artenschutzgesetze erlassen wurden, wie der Seabirds Preservation Act der britischen Regierung von 1869. Es war jedoch meist eine rührige Zivilgesellschaft aus Naturfreunden, Wissenschaftlern und engagierten Unternehmern, die diese Gesetze einforderten. Birdwatching ist in Großbritannien seit langem ein Volkssport, in Deutschland gibt es eine breit aufgestellte Umweltbewegung, die ihre Wurzeln im Naturschutz hat. Auch global sind beide Länder übrigens wichtige Finanzierer von Projekten für die biologische Vielfalt.

Und letztlich haben Briten und Deutsche auch an der Entstehung der heute weltweit bewunderte EU-Naturschutzgesetzgebung großen Anteil. Ein deutscher Abteilungsleiter der Europäischen Kommission brachte die Vogelschutzrichtlinie in den 1970er Jahren auf den Weg und ein britischer EU-Abgeordneter (der Vater des heutigen Londoner Bürgermeisters!) war entscheidend für die Verabschiedung der FFH-Richtlinie und die Gründung des Natura-2000-Netzwerks. Immer intensiv begleitet vom NABU-Vorläufer DBV und RSPB.

Die Turteltaube ist Opfer intensiver Landwirtschaft und illegaler Jagd (Foto: BirdLife Malta)

Die Turteltaube ist Opfer intensiver Landwirtschaft und illegaler Jagd (Foto: BirdLife Malta)

In den nächsten Jahren wird sich entscheiden, ob Deutschland und Großbritannien weiterhin treibende Kräfte für den Naturschutz bleiben. Erstens müssen sich beide unbedingt für einen Erhalt der EU-Naturschutzrichtlinien aussprechen. Zweitens wäre eine Kooperation beider Regierungen für eine grundlegenden Umbau der EU-Agrarsubventionen sehr wichtig. Und drittens können wir alle nur hoffen, dass sich die britische Bevölkerung für einen Verbleib in der EU entscheiden wird – die Natur braucht eine starke britische Stimme in Europa.

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