Europaparlament Beiträge

Die grünen (Klima-)Versprechen der Ursula von der Leyen

Wahl von der Leyens zur künftigen Kommissionspräsidentin mit Zugeständnissen an Sozialisten und Grüne

Das Ringen um die Nachfolge von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat ein Ende gefunden. Am 16. Juli wurde Ursula von der Leyen mit den Stimmen von (lediglich) 383 Abgeordneten des Europäischen Parlaments in Straßburg zur Präsidentin der nächsten EU-Kommission gewählt (374 Stimmen waren nötig). Mit ihrer Rede veröffentlichte sie zugleich ihre „Politischen Leitlinien“ für 2019-2024. Diese Agenda ist – auch um den Fraktionen der Sozialisten, Liberalen und Grünen im Europaparlament entgegenzukommen – deutlich umweltorientierter ausgefallen als etwa die „Strategische Agenda“ der Staats- und Regierungschefs vom 20. Juni 2019.

Europawahl: mehr Bürger votieren für Umweltschutz

Die NABU-Analyse am Tag nach der Wahl

Die Bürgerinnen und Bürger der EU haben gewählt. Zwar können wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschließend beurteilen, was das Wahlergebnis für die Zukunft Europas bedeutet. Nicht absehbar ist vor allem auch, wie sich in den nächsten Wochen das Machtgefüge, die Postenverteilung und die inhaltlichen Festlegungen der Parteien entwickeln werden – und was das alles für den Natur- und Klimaschutz heißt. Hier folgt trotzdem eine erste Bewertung der gestrigen Wahl.

Wie viel Naturschutz steckt in den Parteiprogrammen?

In aktuellen Umfragen liegen Natur-, Umwelt- und Klimaschutz klar auf Platz 1 der wichtigsten Themen für die Wahlentscheidung der Deutschen bei der anstehenden Europawahl. Knapp die Hälfte aller Bürgerinnen und Bürger geben an, dass diese Themen für die die größte Rolle spielen. Im Vergleich zur vergangenen Europawahl in 2014 ist das eine enorme Steigerung. Doch was wollen die Parteien in diesen Bereichen umsetzen?

Offizieller Appell: EU-Mitgliedstaaten fordern nachhaltige EU

Ratsschlussfolgerungen zu SDGs verabschiedet

Die SDGs müssen die Prioritäten der nächsten EU-Kommission prägen.

Heute haben die AußenministerInnen der EU-Mitgliedstaaten im Rat für Allgemeine Angelegenheiten Schlussfolgerungen zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (SDGs) verabschiedet. Diese beziehen sich auf das entsprechende Reflektionspapier der EU-Kommission vom Januar 2019. Die Schlussfolgerungen sind aber deutlich ambitionierter. Vor allem schauen sie nicht nur zurück, sondern enthalten konkrete Forderungen für die Zukunft. Sie kommen zur rechten Zeit, denn die Debatte über die Zeit der EU nach der Europawahl ist im vollen Gange.

Geht’s noch: Umweltstandards als unfair verbieten?

Warum sich die Position des Agrarausschusses des EU-Parlaments beim Trilog zur Richtlinie über „Unfaire Handelspraktiken“ nicht durchsetzen darf!

Grafik: Tim Ehlich, NABU

In der Plenarsitzung am 25. Oktober 2018 hat das EU-Parlament ohne Beratung in der Sache eine vom Agrarausschuss verfasste Position zu „Unfairen Handelspraktiken“ in den Trilog geschickt, die es in sich hat:

Dem Lebensmitteleinzelhandel soll es zukünftig verboten werden, in Verträgen mit Landwirten Regelungen zu Umwelt- und Tierschutzstandards zu treffen, die über das gesetzliche Niveau hinausgehen.

Dies ist ein nicht nur ein Anschlag auf die Bemühungen der Handelsketten für nachhaltigere Agrarprodukte. Es ist auch ein Schlag ins Gesicht aller Verbraucherinnen und Verbraucher, die bewusst solche Produkte kaufen möchten, deren Qualität über die EU-einheitlichen Standards und Siegel hinausgehen.

Aus Sicht des NABU ist das auf die konservativen Abgeordneten des EU-Parlaments Deß und Co. zurückgehende Bemühen auch deshalb  scheinheilig, weil Herr Deß unter anderem bei der vergangenen Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) versucht hat, die Verknüpfung zwischen dem Erhalt von EU-Subventionen und der Einhaltung bestimmter Mindeststandards gemäß EU-Richtlinien zum Natur- und Umweltschutz zu schwächen oder ganz zu verhindern.

Mit anderen Worten: nach dieser Logik sollen einerseits freiwillige Standards zum Umwelt- und Tierschutz unmöglich sein. Gleichzeitig sind aber auch hohe Umweltstandards, die EU-weit gesetzlich verbindlich gelten, unerwünscht.

In den zeitnah beginnenden Trilog-Verhandlungen sind nun vor allem die Landwirtschaftsminister der EU-Mitgliedstaaten gefordert, diese aus Umwelt- und Verbraucherschutzsicht kritische Änderung nicht Gesetz werden zu lassen.

A propos: Vielleicht sollten gerade die für die kritischen Passagen verantwortlichen konservativen Abgeordneten sich noch einmal aktuelle Wahlergebnisse wie etwa das der Bayernwahl anschauen und erkennen, dass die Bürgerinnen und Bürger schon viel weiter sind als eine solch rückwärtsgewandte Politik.

Insgesamt ist nur eine nachhaltige Landwirtschaft, die ambitionierte Umwelt- und Tierschutzstandards beachtet, „fit for future“. Und erst recht lassen nur hohe Standards die weiterhin enormen Agrarsubventionen im EU-Haushalt rechtfertigen, wenn überhaupt.

Weitere Infos:

Naturschutz-Aktionsplan bei weitem nicht ausreichend

Abgeordnete verlangen von EU-Kommission mehr GAP-Kohärenz und eigenständige Naturschutzfinanzierung

Aktionsplan der EU-Kommission (englische Broschüre).

Es kommt einem Paukenschlag gleich: Das Europäische Parlament hat am 15.11.2017 der EU-Kommission in einer Resolution eine Reihe von Hausaufgaben aufgegeben. Mit ihrer Entschließung legen die Abgeordneten den Finger in die Wunde des Aktionsplans für die Natur, die Menschen und die Wirtschaft der EU-Kommission. Sie zeigen nämlich auf, dass die von der EU-Kommission geplanten Maßnahmen bei weitem nicht ausreichen, um die im Fitness Check identifizierten Probleme zu lösen. Die der Abstimmung vorausgegangene Debatte, bei welcher EU-Umweltkommissar Karmenu Vella Rede und Antwort stehen musste, verdeutlicht die Sorge über den anhaltenden Biodiversitätsverlust.

Politik und Pestizide

Sei es zu konkreten Wirkstoffen oder politischen Wegweisern: In letzter Zeit mehren sich die Vorschläge, wie zukünftig mit Pestiziden umzugehen sei. Grund genug, um sie einer kritischen Analyse zu unterziehen:

Pestizidplan der Grünen

Mit dem jüngst veröffentlichten „5-Punkte-Plan zur Reduktion von Pestiziden“ gibt die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen Vorschläge für den zukünftigen Umgang mit Ackergiften – und zeigt, wie die verheerenden Auswirkungen von Pestiziden auf die biologische Vielfalt reduziert werden können. Unter anderem werden ökologische Ausgleichsflächen für den Pestizideinsatz, eindeutig definierte Reduktionsziele, verstärkte Forschung zu Verfahren des Integrierten Pflanzenschutzes und Verbesserungen im Zulassungsverfahren gefordert. Damit ist eine passende politische Ergänzung zum „5-Punkte-Programm für einen nachhaltigen Pflanzenschutz“ des Umweltbundesamtes (UBA) geschaffen worden, welches ebenfalls seiner Umsetzung harrt.

NatureLeaks: Frans Timmermans in Bedrängnis

Timmermans screenshot

Erster Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, gestern im Umweltausschuss des Europaparlaments (EP-Videostream).

Bei der gestrigen Sitzung des Umweltausschusses des Europäischen Parlaments musste sich der Vizepräsident der Europäischen Kommission, Frans Timmermans, für die Naturschutzblockade im eigenen Haus rechtfertigen. Heftig angegriffen von Vertretern fast aller Parteien, bekräftigte er seinen „pragmatischen Ansatz“, keine Änderungen an Gesetzen vornehmen zu wollen, die funktionieren. Gleichzeitig solle man aber grundsätzlich verbessern, was man verbessern könne. Ebenso wenig legte er sich fest, wann die Kommission die Entscheidung über die Zukunft der EU-Naturschutzrichtlinien treffen würde. Man wolle aber dann gleichzeitig Vorschläge machen, wie der Artenschwund dringend gestoppt werden könnte. Die EU-Abgeordneten wären dann die ersten, die davon erfahren würden.

Es war nicht zu erwarten, dass sich der Vizepräsident, der mächtigste Mann neben Juncker, festlegen würde. Die durchgesickerte Evaluierungsstudie, die beweist, das das Expertenvotum zur „Fitness“ der Richtlinien bereits im Januar sehr klar war, brachte ihn jedoch deutlich in die Defensive. Dazu die einstimmige Aufforderungen, die Entscheidung zum Erhalt der Richtlinien nicht länger zu verzögern – aus nahezu allen politischen Lagern, unter anderem von den Abgeordneten Peter Liese (CDU), Matthias Groote (SPD), Gerben-Jan Gerbrandy (Liberale, Niederlande), Mark Demesmaeker (Konservative, Belgien), Margret Auken (Grüne, Dänemark) und Katerina Konecna (Linke, Tschechien). Einzelne Redner empörten sich auch darüber, dass die Kommission die Flüchtlingskrise oder das britische Referndum als Ausrede für die Verzögerung nutze. Im Gegenteil: jeder Eindruck, die Kommission entscheide nicht transparent, zeichne ein fatales Bild für die Bürger. Die Debatte lässt sich auch in deutscher Übersetzung hier ansehen (Startzeitpunkt einstellen auf 17 Uhr).

Wer ist der Strippenzieher im Hintergrund?

Insgesamt blieb der Eindruck, dass der niederländische, sozialdemokratische Vizepräsident, der neben „besserer Rechtssetzung“ auch für Nachhaltigkeit zuständig ist, sich sehr unwohl fühlt in einer Lage, für die er nicht direkt verantwortlich ist. Es verdichten sich die Hinweise, dass einflussreiche (wiederum wohl von Lobbyisten beeinflusste) Strippenzieher im direkten Umfeld von Jean-Claude Juncker für die Blockade verantwortlich sind, die der Kommission jetzt viel öffentlichen Schaden einbringt. Vermutlich können jetzt nur Interventionen wichtiger EU-Regierungschefs und des Parlamentspräsidenten Martin Schulz helfen, diese Blockade zu lösen. Und dazu hilft nur weiterer öffentlicher Druck. Wir rufen deswegen auch auf zur Teilnahme an der derzeitigen Online-Kampagne der Kollegen vom WWF und des BUND. Diese hat unseren „NABU/BirdLife-Thunderclap“ Ende Mai abgelöst.

Nächste wichtige Termine: Am 20. Juni erwarten wir von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks klare Worte im EU-Umweltrat in Luxemburg. Und am Tag drauf wird sich Umweltkommissar Karmenu Vella im Europaparlament erklären müssen. Vielleicht die Gelegenheit für ihn, doch die Beibehaltung der EU-Naturschutzrichtlinien zu verkünden?

UPDATE: Das Niederländische Parlament hat am heutigen Donnerstag die sofortige Veröffentlichung der Fitness-Check-Ergebnisse verlangt (Original des soeben verabschiedeten Antrags hier).

 

 

 

NatureLeaks: Fitness-Check-Studie veröffentlicht

Die von der Europäischen Kommission noch immer zurückgehaltene Evaluationsstudie der EU-Naturschutzrichtlinien ist öffentlich gemacht worden (in einer Entwurfsversion vom 4. Januar). Sie gelangte durch eine nicht genannte Quelle an die Plattform Euractiv (englischer Artikel, deutscher Artikel, Download der gesamten Studie als pdf ist hier möglich)

Heute steht Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans, verantwortlich für „Bessere Rechtssetzung“ und „Nachhaltigkeit“, im Umweltausschuss den Europaabgeordneten Rede und Antwort. Die Debatte wird ab 16:30 Uhr live übertragen. Wie sind gespannt, was er zu sagen hat. Wir erwarten endlich ein klares Bekenntniss zum Erhalt der EU-Naturschutzrichtlinien – und kein Unterdrücken von Studien!leak cover


Die fast 600 Seiten starke Studie, die nach NABU-Informationen nahezu der finalen Version entsprechen müsste (es sei denn, es wurde oder wird noch politisch Einfluss genommen…) wurde von vier Instituten im Auftrag der EU-Kommission erstellt und stellt das Ergebnis eines umfangreichen Fitness Checks der EU-Vogelschutz- und der Fauna-Flora-Habitat-(FFH)-Richtlinie dar.

Naturschutzkonferenz abgesagt

BREAKING NEWS: Wegen der immer noch nicht veröffentlichten Ergebnisse des „Fitness Checks“ der Naturschutzrichtlinien hat die Niederländische Regierung, derzeit EU-Ratspräsidentschaft, ihre hochrangig besetzte Konferenz zum Thema kurzfristig abgesagt. Auf dieser sollten in Amsterdam Ende Juni dringend notwendige Schritte zum Erhalt der Artenvielfalt diskutiert werden. Drei Wochen vor dem Termin ist dies eine äußerst ungewöhnliche Entscheidung und eine große Blamage für die EU-Kommission und ihr Programm zur „Besseren Rechtssetzung (REFIT)“.

Als Teil des EU-REFIT-Programms wurden die EU-Vogelschutz- und die EU-Fauna-Flora-Habitat-(FFH)-Richtlinie seit Ende 2014 einer aufwändigen fachlichen Evaluierung unterzogen. Hinzu kam die größte EU-Bürgerbefragung aller Zeiten sowie Stellungnahmen von EU-Parlament, nationalen Umweltministern und dem Ausschuss der Regionen. Alle plädierten eindeutig für die Beibehaltung, aber bessere Umsetzung der Richtlinien. Noch heute ist auf der Website der Kommission zu lesen, dass eine Veröffentlichung der Ergebnisse für „Frühling“ bzw. das „zweite Qartal“ 2016″ vorgesehen ist.

Umweltverbände zeigen sich in einer ersten Reaktion schockiert von der äußerst ungewöhnlichen Entscheidung: