Geht’s noch: Umweltstandards als unfair verbieten?

Warum sich die Position des Agrarausschusses des EU-Parlaments beim Trilog zur Richtlinie über „Unfaire Handelspraktiken“ nicht durchsetzen darf!

Grafik: Tim Ehlich, NABU

In der Plenarsitzung am 25. Oktober 2018 hat das EU-Parlament ohne Beratung in der Sache eine vom Agrarausschuss verfasste Position zu „Unfairen Handelspraktiken“ in den Trilog geschickt, die es in sich hat:

Dem Lebensmitteleinzelhandel soll es zukünftig verboten werden, in Verträgen mit Landwirten Regelungen zu Umwelt- und Tierschutzstandards zu treffen, die über das gesetzliche Niveau hinausgehen.

Dies ist ein nicht nur ein Anschlag auf die Bemühungen der Handelsketten für nachhaltigere Agrarprodukte. Es ist auch ein Schlag ins Gesicht aller Verbraucherinnen und Verbraucher, die bewusst solche Produkte kaufen möchten, deren Qualität über die EU-einheitlichen Standards und Siegel hinausgehen.

Aus Sicht des NABU ist das auf die konservativen Abgeordneten des EU-Parlaments Deß und Co. zurückgehende Bemühen auch deshalb  scheinheilig, weil Herr Deß unter anderem bei der vergangenen Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) versucht hat, die Verknüpfung zwischen dem Erhalt von EU-Subventionen und der Einhaltung bestimmter Mindeststandards gemäß EU-Richtlinien zum Natur- und Umweltschutz zu schwächen oder ganz zu verhindern.

Mit anderen Worten: nach dieser Logik sollen einerseits freiwillige Standards zum Umwelt- und Tierschutz unmöglich sein. Gleichzeitig sind aber auch hohe Umweltstandards, die EU-weit gesetzlich verbindlich gelten, unerwünscht.

In den zeitnah beginnenden Trilog-Verhandlungen sind nun vor allem die Landwirtschaftsminister der EU-Mitgliedstaaten gefordert, diese aus Umwelt- und Verbraucherschutzsicht kritische Änderung nicht Gesetz werden zu lassen.

A propos: Vielleicht sollten gerade die für die kritischen Passagen verantwortlichen konservativen Abgeordneten sich noch einmal aktuelle Wahlergebnisse wie etwa das der Bayernwahl anschauen und erkennen, dass die Bürgerinnen und Bürger schon viel weiter sind als eine solch rückwärtsgewandte Politik.

Insgesamt ist nur eine nachhaltige Landwirtschaft, die ambitionierte Umwelt- und Tierschutzstandards beachtet, „fit for future“. Und erst recht lassen nur hohe Standards die weiterhin enormen Agrarsubventionen im EU-Haushalt rechtfertigen, wenn überhaupt.

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Raphael Weyland
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4 Kommentare

Ingrid Kaufmann

26.10.2018, 13:50

wenn sich die Handelsketten bemühen, besser zu sein als die Standards, dann werden ihnen EU-Knüppel dazwischen geworfen. Wann fangen wir eigentlich an, die Umwelt und damit alle Lebewesen auf der Welt zu schützen? Wenn es zu spät ist?, Wenn alle Flüsse, Ackerflächen vergiftet sind, wenn die Urwälder weiterhin gerodet werden? Wann kommt die Politik zur Vernunft. Ich dachte immer, dass Politik für die Menschen, für die Bürger der Staaten gemacht wird - weit gefehlt - Politik wird für die Lobbyisten gemacht, für die geldgierigen Konzerne . Der Weg zur Zerstörung unserer wunderbaren einzigartigen Erde ist bereits geebnet - die Klimakatastrophen 2018 sind ein Beweis...

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Ute Hasenbein

26.10.2018, 15:14

Was sagen eigentlich die Landwirte selber zu dem Thema? Sie müssten doch sturmlaufen gegen die Tatsache, dass angesichts der klimatischen Auswirkungen auf ihr Tätigkeitsfeld respektive ihrer Lebensgrundlage nicht konsequent umgedacht und gegengesteuert wird. Sind sie bereits so im "Schema F" gefangen, dass sie weiterhin auf Entschädigungszahlungen setzen, die sie doch nicht retten werden? So brain-washed von der Agrar- und Chemie-Industrie, dass sie aus dem Teufelskreis (Saatgut- und Pestizidabhängigkeit, Überdungung) nicht herausfinden? Wäre ich Landwirt unter den heutigen Vorausssetzungen, ich würde mich mit anderen Landwirten zusammenschließen und so was von auf die Barrikaden gehen, dass den Theoretikern und Profit-Gesteuerten Hören und Sehen vergeht. Hier geht es um viel Wichtigeres, nämlich um die Wiederherstellung von gutem Boden mit gesunden Erträgen für die Menschen, Stärkung der geschwächten Artenvielfalt, die für ein ökologisches Gleichgewicht steht und Schaffung von gesicherten Einkünften auch der kleinen Landwirtschaftsbetriebe, nicht um die Sicherung von Geldtöpfen für einige Großbetriebe und Großkonzerne. Wer das jetzt noch ignoriert oder gar verhindern will, macht sich schuldig an Mensch, Tier und Natur. Was bleibt denn, wenn das erst mal zerstört ist? Mit Gen-Food braucht mir keiner zu kommen, auch nicht mit künstlichen Bestäubungs-Drohnen und Ähnlichem. Wer mit sowas spekuliert, der glaubt auch, dass er die ausgeschlachtete und dann lebensfeindliche Erde verlassen kann, um sich auf dem Mars anzusiedeln, passt zur Wegwerf-Mentalität! Nein, liebe Landwirte, traut euch neu durchzustarten und fordert Unterstützung für eine nachhaltige Richtung von der Politik ein, wir Verbraucher wollen gesunde ökologisch erzeugte Nahrungsmittel und eine artenreiche und lebenswerte Umwelt, unsere Unterstützung habt ihr schon mal!

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Claus Mayr

22.11.2018, 12:46

Sehr geehrte Frau Hasenbein, zwischenzeitlich hat auch der Bayerische Rundfunk das Thema aufgegriffen. In dem Beitrag kommen auch Landwirte zu Wort, die - ganz im Sinne Ihrer Argumentation - mit dem Vorstoß der deutschen Europaabgeordneten gar nicht einverstanden sind. Der Beitrag ist mittlerweile bei YouTube eingestellt: https://www.youtube.com/watch?v=yIJiY0DJaE8

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Ute Hasenbein

13.12.2018, 11:53

Hallo Herr Claus Mayr, vielen Dank für Ihren Hinweis auf den Beitrag des Bayerischen Rundfunks! Unterm Strich bleibt bei mir nur die Erkenntnis, dass angesichts des Herumeierns unserer Politiker wohl keine nennenswerten Fortschritte in Sachen Agrarwende, Umwelt-, Natur- und Artenschutz zu erwarten sind und einzig wir Verbraucher hartnäckig und laut die uns zur Verfügung stehenden Mittel Protest, Konsumverweigerung und Eigeninitiativen wie z.B. Bildung von Genossenschaften (da lassen sich auch Landwirte mit einbinden) einsetzen müssen. Es gibt also viel zu tun, was heilsam sein kann, um nicht zu verzagen, wenn man den Stiefel vor sich sieht, der da zu bewältigen ist.

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