Naturschutz-Aktionsplan bei weitem nicht ausreichend

Abgeordnete verlangen von EU-Kommission mehr GAP-Kohärenz und eigenständige Naturschutzfinanzierung

Aktionsplan der EU-Kommission (englische Broschüre).

Es kommt einem Paukenschlag gleich: Das Europäische Parlament hat am 15.11.2017 der EU-Kommission in einer Resolution eine Reihe von Hausaufgaben aufgegeben. Mit ihrer Entschließung legen die Abgeordneten den Finger in die Wunde des Aktionsplans für die Natur, die Menschen und die Wirtschaft der EU-Kommission. Sie zeigen nämlich auf, dass die von der EU-Kommission geplanten Maßnahmen bei weitem nicht ausreichen, um die im Fitness Check identifizierten Probleme zu lösen. Die der Abstimmung vorausgegangene Debatte, bei welcher EU-Umweltkommissar Karmenu Vella Rede und Antwort stehen musste, verdeutlicht die Sorge über den anhaltenden Biodiversitätsverlust.

Ambitionierte Aussagen in der Resolution des Europäischen Parlaments

Halbzeitbewertung der EU-Biodiversitätsstrategie. Quelle: EU-Kommission.

Die Entschließung des Europäischen Parlaments umfasst 53 Paragraphen. Aus Umweltsicht besonders zu begrüßen sind unter anderem Aussagen zur Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP), die endlich den Schutz der Biodiversität sicherstellen muss. Ebenfalls ambitioniert ist die Forderung nach besserer Naturschutzfinanzierung.

  • So findet sich in Paragraph 29 etwa eine eindeutige Ursachenanalyse, die anerkennt, dass der Verlust an biologischer Vielfalt vor allem auf die übermäßige Nutzung der Böden, intensive Landwirtschaft und den Einsatz von Pestiziden zurückzuführen ist. In Paragraph 30 lässt sich nahezu die Forderung nach einem Fitness Check der GAP hineinlesen, denn die Abgeordneten verlangen von der Kommission, die Auswirkungen der GAP auf die biologische Vielfalt zu bewerten.
  • Paragraph 32 bezieht sich auf die Direktzahlungen der GAP und kann als Forderung an den EU-Agrarkommissar Phil Hogan verstanden werden, der gerade über die Zukunft dieser Politik nachdenkt. Er lautet: „Das Europaparlament bekräftigt seine Forduerung an die Kommission und die Mitgliedstaaten, dafür zu sorgen, dass die Finanzmittel im Rahmen der GAP anstatt für die Subventionierung von Tätigkeiten, die mit dem Rückgang der biologischen Vielfalt in Verbindung stehen, für die Finanzierung von ökologisch nachhaltigen Landbewirtschaftungsmethoden und die Aufrechterhaltung der damit verbundenen biologischen Vielfalt verwendet werden.“
  • Was die Naturschutzfinanzierung angeht verlangt Paragraph 45, dass in den nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen der EU (MFR) neue Mechanismen für die Finanzierung des Erhalts der biologischen Vielfalt aufgenommen werden. Außerdem sollen den Abgeordneten nach auch Agrargelder der GAP speziell für den Naturschutz reserviert und durch Umweltbehörden mit-verwaltet werden.
  • Darüber hinaus fordert das Europäische Parlament die EU-Kommission erneut auf, endlich einen eigenständigen Vorschlag für das Netzwerk Grüner Infrastruktur (TEN-G) und eine Bestäuber-Initiative vorzulegen.

Aus Umweltsicht weniger zu begrüßende Paragraphen beziehen sich auf die Koexistenz mit großen Beutegreifern, insbesondere Wölfen (Paragraph 35), und auf eine gesonderte Betrachtung für besonders geschützte Arten, soweit sie in einer Region einen guten Erhaltungszustand erreicht haben (Paragraph 34). Dabei ist zweifelhaft, dass es rechtlich möglich ist, den Schutzstatus von Arten in bestimmten Regionen abzuändern – dies spricht außerdem auch gegen den Geist der EU-Naturschutzrichtlinien, die auf die gemeinschaftliche Verantwortung für die Arten abstellen. Ein weiterer Paragraph mit Bezug zu Beutegreifern sowie ein Änderungsantrag der Konservativen zum Kormoran hat es glücklicherweise nicht in die abgestimmte Endfassung geschafft.

 

EU-Umweltkommissar muss Parlamentariern Rede und Antwort stehen

Zitat aus Rede von Karmenu Vella, Grafik von BirdLife Europe.

Vor der Abstimmung fand in Straßburg eine Debatte mit EU-Umweltkommissar Karmenu Vella statt. Dort wandten sich die Abgeordneten zunächst mit ihren Forderungen aus der Resolution an den Kommissar. Hierbei machten sie sehr deutlich, dass ihnen der von der EU-Kommission vorgelegte Aktionsplan nicht ausreicht. Da die Kernprobleme, nämlich die fehlende Kohärenz der GAP und eine eigenständige Naturschutzfinanzierung, von der EU-Kommission ausgeblendet wurden, seien die Ziele der EU-Biodiversitätsstrategie mit dem Aktionsplan nicht zu erreichen.

Spannend wurde es bei den Antworten von Karmenu Vella, denn hierbei mussste er Farbe bekennen. Mit seinen Worten zeigte er sich erstaunlich ambitioniert – ein Bild, das bisher leider nicht seinen Taten entspricht.

  • So macht Karmenu Vella klar, dass er nicht zufrieden ist mit dem Stand der Managementplanung der Natura 2000 – Gebiete. Dies gilt nicht nur, aber vor allem auch für marine Natura 2000 – Gebiete.
  • Außerdem bekräftigt er, dass die EU-Kommission sicherstellen wird, dass jeder einzelne Euro der GAP nachhaltig und auch im Interesse des Naturschutzes eingesetzt wird. Auch alle anderen MFR-Gelder sollen unter Berücksichtigung der Nachhaltigkeit ausgegeben werden.
  • Karmenu Vella gibt zu, dass der Aktionsplan nicht ausreichen wird, um die Ziele der Biodiversitätsstrategie zu erreichen, und wir endlich handeln sollen. Die Umsetzung der EU-Naturschutzrichtlinien müsse dabei beschleunigt werden.

Die bisher geleakten Entwürfe der Mitteilung von EU-Agrarkommissar Phil Hogan reflektieren allerdings nicht, dass jeder Euro der GAP nachhaltig verwendet wird. Wir werden Karmenu Vella bei Gelegenheit an seine Worte erinnern und auch die für den 29.11.2017 erwartete Veröffentlichung des Vorschlags von Phil Hogan an Vellas Worten messen.

 

Fazit

Nachdem es zuvor bereits Schlussfolgerungen des Umweltrats zum Aktionsplan gegeben hat, ist mit der Resolution des Europäischen Parlaments der Prozess des Fitness Checks der Naturschutzrichtlinien vollends abgeschlossen. Höchste Zeit, sich nun vollständig um die Umsetzung der Maßnahmen des Aktionsplans und der Naturschutzrichtlinien selbst zu kümmern. Parallel hierzu sind die von den Parlamentariern aufgezeigten Defizite anzugehen. Daneben wird die EU-Kommission nicht daran vorbeikommen, zukünftig auch wieder verstärkt von klassischen Vollzugsinstrumenten wie Vertragsverletzungsverfahren Gebrauch zu machen. Nur so lässt sich der Biodiversitätsverlust stoppen.

Raphael Weyland
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