Wirtschaft finanziert Naturschutz: Welche Rolle kann private Naturschutzfinanzierung für die Land- und Forstwirtschaft spielen?
Anfang Januar trafen sich erneut große Teil der Agrar– und Waldszene in Berlin auf der Internationalen Grünen Woche (IGW). Die Messe lebt neben den Hallen mit Lebensmitteln aus der ganzen Welt vor allem von den politischen und fachlichen Veranstaltungen zum Thema Landnutzung. Die vielen Herausforderungen des letzten Jahres fanden sich dabei auch auf den verschiedenen Podien wieder und es herrschte allgemein eine überwiegend dystopische bzw. frustrierte Stimmung. In vielen Diskussionen ging es darum, wie viel Naturschutz wir uns in der Land- und Forstwirtschaft leisten können und wollen, und wie dieser bezahlt werden soll. Um dieser vorwiegend negativen Stimmung etwas entgegenzusetzen und Lösungsansätze aufzuzeigen und zu entwickeln, widmete der NABU seinen diesjährigen Neujahrsempfang dem Thema private Naturschutzfinanzierung. Diskutiert wurde dabei, welche Maßnahmen, neben der staatlichen Förderung, den Naturschutz nachhaltig stärken können. Um entsprechend mit einem positiven Spirit in das neue Jahr zu starten, wurden dabei zunächst mehrere Beispiele vorgestellt, wie marktwirtschaftliche Akteure erfolgreich eine nachhaltige Entwicklung unterstützen können.
“Wir müssen den Mut für die Zukunft in den Mittelpunkt stellen, nicht Fatalismus und Frustration – im Umgang geopolitischen Herausforderungen ebenso wie für die Herausforderungen von Land- und Forstwirtschaft, Natur- und Klimaschutz und das Zusammenleben in unserer Gesellschaft.” begrüßte jedoch zunächst Jörg-Andreas Krüger, Präsident des NABU, die Gäste des Neujahrsempfangs.

Bild 1: Jörg-Andreas Krüger, NABU-Präsident, bei der Neujahrsrede
Offensichtlich war: Am Thema der privaten Naturschutzfinanzierung kommt inzwischen niemand mehr vorbei. So verpflichteten sich im Weltnaturabkommen viele Staaten zur Akquirierung privater Finanzmittel zur Wiederherstellung der Artenvielfalt, in Brüssel spricht Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen von “Nature Credits” und in Dänemark soll ein Teil der grünen Transformation durch privates Kapital gedeckt werden. Auch in Deutschland haben sich bereits zahlreiche Startups, Unternehmen und Kapitalgeber das Thema zu eigen gemacht. Zudem führt die globale Lage dazu, dass staatliche Gelder der EU sowie Deutschlands in den kommenden Jahren vermehrt in geopolitische Handlungsfelder fließen müssen – der Haushalt wird dadurch knapper für andere Themen. Wie viele Gelder künftig noch für die Land- und Forstwirtschaft zur Verfügung stehen werden, bleibt daher abzuwarten.
Was sind Biodiversitätszertifikate?
Eine genaue bzw. offizielle Definition gibt es nicht, doch im Grunde handelt es sich um den Austausch von Geld gegen eine Naturschutzleistung. Vor allem Land- und Forstwirt*innen können sich Leistungen, die gesunde Ökosysteme fördern, und damit einhergehende Mindereinnahmen sowie die entsprechende Umstellung ihrer Betriebsweise durch private Investoren bezahlen lassen.
Chancen und Herausforderungen eines Marktes für Biodiversität
Wenn private Naturschutzfinanzierung einen Mehrwert für Natur und Klima leisten soll, müssen vorher die Rahmenbedingungen richtig gesetzt werden. Wichtig ist, dass sich zum einen der Markt und die Ideen frei entfalten können, andererseits ein fester Rahmen die Richtung vorgibt und durch Transparenzpflicht Betrug und Greenwashing vermieden werden.

Bild 2: Mark Titterington von der FFA
Dass diese Themen auch auf EU-Ebene heftig diskutiert werden, wurde in der Keynote eines Vertreters des FFA, des Forum for the Future of Agriculture, deutlich. Mark Titterington unterstrich das große Potential für Unternehmen, in Naturschutzleistungen zu investieren, warnte jedoch auch ausdrücklich vor Greenwashing.
Ein zentraler Punkt beim Schutz des Biodiversitätsmarktes vor Greenwashing ist die Frage der Zertifizierung. So stellten auf unserem NABU-Neujahrsempfang mehrere Unternehmen bzw. Startups ihre Konzepte zur privaten Naturschutzförderung vorgestellt. Dabei waren sich alle einig, dass sowohl ein hoher Naturschutzstandard wie auch eine unabhängige Zertifizierungsstelle unbedingt notwendig sind, um die Naturschutzleistungen zu prüfen, zu verifizieren und zu monitoren. Über diese Zertifizierung wird die ökologische Wirksamkeit anhand vorher festgelegter Indikatoren und ein Monitoring dieser sichergestellt. Wichtig ist, dass es sich dabei um zusätzliche, also über den Status Quo hinausgehende ökologische Leistungen handeln muss und die Dauer bzw. Permanenz der Maßnahmen festgeschrieben sein muss.
Folgende Unternehmen stellten sich beispielhaft vor:
Aeco: Wiedervernässung von Mooren
Der Fokus liegt bei aeco auf der Reduktion von Emissionen. Unternehmen investieren in Moorrenaturierung und erhalten Zertifikate. Das System soll in Zukunft um weitere Ökosystemleistungen erweitert werden.
FSC Deutschland: Ökosystemdienstleistungen von Wäldern honorieren
Der FSC Deutschland hat einen Leitfaden entwickelt, um Waldbesitzenden die Ökosystemleitungen Biodiversität, Kohlenstoffspeicherung, Wasserschutz, Erholung sowie Bodenschutz von naturnah bewirtschafteten Wäldern zu honorieren.
Agora Natura: Naturschutzleistungen der Landwirtschaft in Wert setzen
Agora Natura stellt eine Plattform zur Verfügung, die in Zukunft Investoren den Erwerb von Zertifikaten von ökologisch hochwertigen Maßnahmen in der Landwirtschaft ermöglichen soll. Dazu wird der bereits entwickelte NaturPlus-Standard genutzt.
GREENZERO: Reduzieren und Renaturieren
GREENZERO hilft Unternehmen bei der Analyse ihres Produkt- und Unternehmens-Footprints. Anschließend werden Maßnahmen zur Reduktion und Renaturierung umgesetzt.

Bild 3: Danny Püschel von GREENZERO

Bild 4: Elmar Seitzinger von FSC Deutschland

Bild 5: Dr. Frederike Neuber von Agora Natura
In der Podiumsdiskussion ergänzte ein Vertreter der landwirtschaftlichen Rentenbank die Sicht der Förderbanken. Hier herrscht großes Interesse, in zertifizierte Renaturierungsprojekte zu investieren. Die Rentenbank baut aktuell eine Plattform zu Zertifizierungssystemen von Ökosystemleistungen auf, um die verschiedenen Angebote vergleichbar und ihre Qualität sichtbar zu machen, um so Orientierung für Investoren zu geben.

Bild 6: Dr. Christian Bock von der Rentenbank, Jörg-Andreas Krüger (NABU), Tanja Busse (Moderatorin) und Malte Schneider von aeco
Schaffen Zertifikate endlich die Trendwende im Naturschutz?
Es ist wichtig zu betonen, dass Biodiversitätszertifikate nicht die Aufgaben des Staates ersetzen können oder sollen. Ein Biodiversitätsmarkt darf keinesfalls als Ausrede genutzt werden, um Ordnungs- und Förderrecht nicht weiterzuentwickeln. Staatliche Regulierung und Förderung müssen immer das erste Instrument zur Entwicklung der Land- und Fortwirtschaft bleiben. Diese bietet Orientierung und sichern Qualität. Der private Markt kann darauf ergänzend aufbauen und Instrumente der staatlichen Governance adaptiv ergänzen und hebeln. Gut ist jedoch, wenn staatliche Instrumente marktwirtschaftliche und Non-Profit-Initiativen bereits mitdenken.
Weiterhin sollte die EU aktiv einen Biodiversitätsmarkt aufbauen und ihn durch einheitliche Rahmenbedingungen wirksam und attraktiv gestalten, um so vor Greenwashing zu schützen. Biodiversitätszertifikate können hierbei einen wichtigen Beitrag leisten und Unternehmen die Möglichkeit bieten, in sinnvolle Projekte zu investieren. Dieses Potential sollte unbedingt genutzt werden – denn jede Naturschutzmaßnahme hilft bei der Wiederherstellung der Artenvielfalt.
Die Konsistenz des Biodiversitätsmarktes mit bestehender Gesetzgebung ist entscheidend. Es können nur zusätzliche Maßnahmen über Biodiversitätskredite abgedeckt werden- was Grundlage bestehenden Ordnung- oder Förderrecht ist, kann nicht Teil des Marktes sein.
Eine Chance privaten Kapitals könnte sein, dass neue Gesetze in ihrer Umsetzung finanziell unterstützt werden könnten, wie z.B. die Naturwiederherstellungsverordnung. Hier könnte die Umsetzung deutlich verbessert werden, wenn mehr finanzielle Mittel zur Verfügung stehen würde.
Unser Fazit:
Der freiwillige Markt für Naturschutzfinanzierung ist derzeit noch sehr klein, jedoch stark in der Entwicklung. Überall entstehen Initiativen, die es sich zum Ziel setzen, diesen Markt zu entwickeln – es herrscht gewissermaßen ein Wettbewerb der Ideen. Parallel hierzu sind erste Überlegungen der Regulierung durch den Staat (staatlich Mindestanforderungen: Green Claims, CSRD Standards, CRCF) erkennbar. Der NABU wird das Thema garantiert weiter beobachten, zum einen auf politischer Ebene (Stichwort Nature Credits), zum anderen als Akteur selbst (Agora Natura), und sich damit für tatsächlich wirksame Projekte einsetzen, die die Transformation in Sachen Honorierung von Naturschutzleistungen in der Land- und Forstwirtschaft neben der staatlichen Förderung endlich voranbringen.
- Wirtschaft finanziert Naturschutz: Welche Rolle kann private Naturschutzfinanzierung für die Land- und Forstwirtschaft spielen? - 5. Februar 2025
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- Wegfall der Brache – Studie belegt Rückschritt für den Naturschutz - 22. November 2024
7 Kommentare
Martin Schmid
05.02.2025, 19:45Hallo Laura, ich bin Landwirt und habe schon vor über 20 Jahre vertraglichen Naturschutz betrieben. Aber in Deinem Artikel lese ich nur Bürokratie, Bürokratie, Bürokratie. Ich bin aus Frustration vor 3 Jahren aus jeglicher staatlichen und privaten Förderung ausgestiegen. Ich musste um verschiedenste Vorgaben zu erfüllen die Biodiversität, meine Böden und das Bodenleben schädigen, da das Wetter und die phänologische Entwicklung nicht zu den Fristen und Vorgaben der Verordnungen und den Zertifizierungsstellen zusammengepasst haben, oder völlig unsinnige Bestimmungen durch politische Kompromisse entstanden sind. Jetzt sind meine Fesseln gelöst, ich kann wieder Lebensmittel produzieren (meinen Ertrag und vor allem die Qualität der Lebensmittel konnte ich in 2 Jahren wieder auf das Niveau von 2015 anheben) und Naturschutz betreiben der sinnvoll und effektiv ist. Diese Unternehmen die auf dem Neujahrsempfang vom Nabu ein Forum bekommen haben, saugen die Bauern aus. Der Frust wird dadurch noch größer, hoffentlich findet bald ein Umdenken statt, bevor es zu spät ist. Grüße
AntwortenLaura Henningson
06.02.2025, 11:19Lieber Martin, danke für deinen Beitrag. Ich finde, man muss das differenziert betrachten. Es gibt einen Haufen unnötiger Bürokratie- da stimme ich dir total zu. Ich selbst habe mal in der landwirtschaftlichen Beratung gearbeitet und diese dort sehr gut kennengelernt. Allerdings ist auch nicht alle Bürokratie unnötig, sondern Bestandteil von Regelungen unseres gesellschaftlichen Miteinanders. Wenn Unternehmen nun landwirtschaftlichen Betrieben finanzielle Mittel anbieten, damit diese in Naturschutz investieren können, muss das nicht in überbordender Bürokratie enden, sondern sollte ein fairer Vertrag zwischen zwei Parteien sein. Und genau da sehen wir auch die Chance. Staatliche Regulierung und Förderung steht auf einem anderen Blatt- die private Finanzierung ist etwas zusätzlich und wird diese nicht ersetzen können. D.h. es ist dringender Handlungsbedarf geboten die staatliche Regulierung und Förderung zu entschlaken, ohne die Wirksamkeit zu untergraben und beim Aufbau eines privaten Marktes unnötige Bürokratie von vornerein zu unterbinden. Herzliche Grüße Laura
AntwortenWolfgang Deinlein
06.02.2025, 20:48Hallo Laura, ein hoher Naturschutzstandard wie auch unabhängige Zertifizierungsstellen sind sicherlich eine Voraussetzung, um Greenwashing zu vermeiden. Darüber hinaus stellt sich die weitere Frage, ob bei einigen dieser Instrumente denn die privaten Investoren für ihre Förderung von Naturschutzmaßnahmen ein Guthaben bekommen ("credits"), die dann an anderer Stelle verwendet werden können, um Schäden an der Natur auszuüben? Wenn dem so ist, wäre das ein Nullsummenspiel und nichts gewonnen. Oder anders gefragt: Wenn private Investoren z.B. Forstwirt*innen für deren Leistungen zur Förderung gesunder Ökosysteme finanziell unterstützen und dafür "credits" bekommen - auf welche Weisen könnten die privaten Investoren diese "credits" denn verwenden? Auch zur Schädigung von Natur? Herzliche Grüße, Wolfgang
AntwortenLaura Henningson
07.02.2025, 10:48Lieber Wolfgang, das hast du sehr schön auf den Punkt gebracht. Genau, es ist die Frage, ob die Credits auch dazu führen, das sich Unternehmen in Gänze transformieren oder "nur" Naturschutz woanders auszuführen. Nichtsdestotrotz würde ich sagen, dass in jedem Fall ein Plus für die Natur herausspringt. Das Unternehmen macht entweder bussiness as usual mit Naturschutz oder ohne. Der Anspruch umweltschädliche Praktiken abzubauen sollte aber auf jeden Fall in einem zukünfitgem Biodiversitätsmarkt bestehen, da stimme ich dir vollkommen zu. LG
AntwortenWolfgang Deinlein
07.02.2025, 12:35Liebe Laura, vielen Dank für die Antwort, aus der ich noch nicht so ganz schlau werde. Können denn nun "nature credits" dafür verwendet werden, an anderer Stelle Natur zu zerstören? Dann finde ich dieses System irreführend, weil sich Unternehmen ein positives Image geben können, das aufgrund der Zerstörung an anderer Stelle nicht gerechtfertigt ist. Dann sollte man von diesen "Nature Credits" auf jeden Fall Abstand nehmen. LG Wolfgang PS. Zudem sollte man noch bedenken, dass es immer besser ist, Natur erst gar nicht zu zerstören und dass Ausgleichsmaßnahmen oft erst nach vielen Jahren einen genauso wertvollen Naturraum wiederherstellen - wenn überhaupt.
AntwortenLaura Henningson
07.02.2025, 12:43Lieber Wolfgang, da es ja noch kein offizielles, politisch reguliertes System für "Nature credits" gibt, kann ich dir die Frage nicht beantworten. Ich kann nur sagen, dass es auch NABU Anspruch ist, dass ein zukünftiger Markt das mit einbezieht. Beantwortet das deine Frage? Viele Grüße
AntwortenWolfgang Deinlein
07.02.2025, 13:28Liebe Laura, ok, ja, vielen Dank.. Ich finde diesen Aspekt sollte man am besten noch mehr herausarbeiten. Was hilft es, wenn Naturschutzstandard durch unabhängige Zertifizierungsstellen garantiert werden, um Greenwashing zu vermeiden, aber das ganze System selbst infolge der dadurch ermöglichten Naturzerstörung an anderer Stelle auch als Greenwashing zu betrachten ist. Das erinnert mich an ein Unternehmen, das ein schädliches Produkt herstellt, aber seine saubere Produktionsweise in vielen prämierten Nachhaltigkeitsberichten öffentlichkeitswirksam herausstellen darf. Viele liebe Grüße, Wolfgang
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