Landwirtschaft & Ernährung Beiträge

Umweltverbände fordern Einrichtung eines EU-Naturschutzfonds

Frisch aus der NABU-Pressestelle:

15.September 2016 – Anlässlich des 33. Deutschen Naturschutztages in Magdeburg veröffentlichen die Umweltverbände NABU, BUND, DNR und WWF und der Bundesverband Beruflicher Naturschutz (BBN) einen Forderungskatalog an Länder, Bund und EU zur vollständigen Umsetzung der EU-Naturschutzrichtlinien. Insbesondere schlagen die Verbände die Schaffung eines eigenen EU-Naturschutzfonds vor, mit dem Schutz- und Pflegemaßnahmen in den über 27.000 europäischen Natura-2000-Gebieten, Artenhilfsprogramme und weitere Maßnahmen für die biologische Vielfalt umgesetzt werden können.

Eine Neuausrichtung der EU-Finanzierung für den Naturschutz ist notwendig, weil „der derzeit verfolgte ‚integrierte Ansatz‘ der EU-Naturschutzförderung, bei dem die Mitgliedstaaten aus verschiedenen EU-Fonds die notwendigen Mittel zur Verfügung stellen sollen, gescheitert ist“, so die einhellige Meinung der fünf Verbände in ihrem Forderungspapier. Nach Schätzungen der EU-Kommission wurden in der Förderperiode 2007 bis 2013 lediglich 20 Prozent der Natura-2000-Kosten, die auf sechs bis zehn Milliarden Euro geschätzt werden, mit EU-Mitteln aus den Bereichen Landwirtschaft, Regionalförderung oder Fischerei gedeckt. Da auch in den nächsten Jahren keine Verbesserung in Sicht ist, fordern die Umweltverbände zu Beginn der Debatte über die nächste EU-Haushaltsperiode 2021-2027 neue Wege zu gehen und verbindliche Mittel für den Naturschutz festzuschreiben.

Tarbeker Moor Foto: NABU/Jens Kube

Tarbeker Moor Foto: NABU/Jens Kube

Die Verbände fordern, dass die EU jährlich mindestens 12 bis 15 Milliarden Euro für den Naturschutz bereitstellt. Dies entspricht im Umfang etwa den sogenannten „Greening-Zahlungen“ aus der ersten Säule der EU-Agrarpolitik, die durch gezielte Landbewirtschaftungsmethoden den Klima- und Umweltschutz fördern sollen, nach Ansicht der Verbände jedoch weitgehend wirkungslos für die Umwelt bleiben. Unter dem neuen System könnten beispielsweise die Naturschutzleistungen von Landwirten, die Naturschutzmaßnahmen umsetzen, gezielter und besser honoriert werden.

Darüber hinaus verlangen die Umweltverbände von der EU-Kommission eine sofortige Entscheidung zur Beibehaltung der EU-Naturschutzrichtlinien. Der sogenannte Fitness-Check der EU-Naturschutzrichtlinien ergab, dass dieser Rechtsrahmen effektiv, effizient und modern ist (NABU-Übersetzung der Schlussfolgerungen hier zum Download). Dennoch schiebt die Kommission eine Entscheidung über den Fortbestand der Richtlinien „auf die lange Bank“.

Strippenzieher Pestizidhersteller

Der Präsident des Europäischen Berufsimkerbundes (EPBA) Walter Haefeker im Interview über aktuelle Entwicklungen aus der Pestizidpolitik und die starke Lobby der Industrie.

Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt rühmt sich mit der kürzlich erlassenen Eilverordnung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), verstärkt für den Schutz der Bienen einzutreten. Durch die Verordnung soll nun auch die Einfuhr von Saatgut verboten werden, das mit den Neonikotinoiden Clothianidin, Imidacloprid oder Thiamethoxam gebeizt wurde. Auch wenn dieser Schritt für die Bienen definitiv von Vorteil ist: Weshalb hat sich das BMEL erst nach massivem Druck – auch seitens der Imkerverbände – dazu bewegen lassen?

Clemens Lischka gebeiztes Saatgut

Mit Neonikotinoiden gebeiztes Saatgut birgt zahlreiche Gefahren für die Bienenwelt (Foto: C. Lischka)

Walter Haefeker: Der ursprüngliche Verordnungsentwurf enthielt eine Hintertür, welche bei „vermutet“ hoher Beizqualität die Anwendung doch zugelassen hätte. Damit wäre ein langersehnter Wunsch der Pestizidhersteller in Erfüllung gegangen, das Problem auf die Staubentwicklung bei der Aussaat zu reduzieren und alle anderen Wege, die zu einem Kontakt von Bienen mit diesen Wirkstoffen führen, zu ignorieren. Das wäre aus der Sicht der Pestizidhersteller ein ganz wichtiger Präzedenzfall gewesen. Diesen Dammbruch mussten wir daher unbedingt verhindern.

Imker-Präsident gegen Glyphosat-Einsatz

Im Interview: Der Präsident des Deutschen Imkerbundes (DIB) Peter Maske über Glyphosat auf dem Acker, Rückstände im Honig und die Zukunft der Landwirtschaft

Seit einigen Wochen erregt die Diskussion um die nunmehr für weitere 18 Monate erfolgte Neuzulassung des Breitbandherbizids Glyphosat die Gemüter. Welche Meinung hat der DIB zum Einsatz von Glyphosat?

Peter Maske: Glyphosat lehnen wir natürlich grundsätzlich ab. Unsere Agrarlandschaft bietet ohnehin bereits zu wenig Blütenreichtum für blütensuchende Insekten, durch den Einsatz von Glyphosat wird dieser Mangel weiter verstärkt.

Vor einigen Wochen wurde bei einzelnen Proben die Überschreitung des Rückstandshöchstgehaltes von Glyphosat im Honig festgestellt. In Brandenburg konnte in einer Probe eine hundertfache Grenzüberschreitung festgestellt werden. Ist der Verzehr von Honig mittlerweile gesundheitsgefährdend?

Dieser Sachverhalt ist uns seit Anfang des Jahres bekannt, weshalb wir uns bereits mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und dem Julius Kühn-Institut (JKI) in Verbindung gesetzt haben. Eindeutig ist, dass dergleichen Rückstände eigentlich nur durch das Verfahren der Sikkation hervorgerufen werden können, dessen Einsatz nur noch sehr eingeschränkt erlaubt ist. Demnach ist es wahrscheinlich, dass hier eine nicht hinnehmbare Fehlanwendung vorliegt. Solche Fehlanwendungen bei der Ausbringung von Pestiziden gibt es wahrscheinlich bundesweit immer wieder und müssen verhindert werden. Den betroffenen Imkern, deren Honig sich nicht mehr für den Verzehr eignet, müssen entsprechende Schadensersatz- und Ausgleichszahlungen angeboten werden. Die gesundheitlichen Bedenken von Glyphosat kann ich nicht bewerten, stelle mich hier aber an die Seite des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR), der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und der Weltgesundheitsorgansisation (WHO), die Glyphosat als wahrscheinlich nicht krebserregend einstuften. Dennoch sind zu hohe Rückstände im Honig keinesfalls akzeptabel, schließlich wollen wir den Konsumenten ein hochwertiges Lebensmittel anbieten. Glücklicherweise ist davon auszugehen, dass der Fall in Brandenburg bisher ein Einzelfall ist.

Im Kern daneben: Bienen-Konferenz des BMEL

Viele Vertreter der Gattung der Schmalbienen gelten nach der Roten Liste Deutschlands als gefährdet (Foto: Kerstin Kleinke).

Die vor zwei Tagen stattgefundene Bienen-Konferenz des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) bestätigte vor allem eines: dass es das BMEL unter Leitung von Bundesminister Christian Schmidt (CSU) nicht schafft, den drängendsten Gefährdungen von Bienen mit ambitionierten Maßnahmen entgegenzutreten. Statt auf die konventionelle Landwirtschaft als wesentlichen Faktor für den Rückgang an Bienen einzugehen, beschränkte sich die Konferenz vorrangig auf die Vorstellung von Initiativen und Projekten, die sich der Förderung von Bienen im urbanen Raum verschrieben haben. Diese können zwar durchaus einen wertvollen Beitrag leisten, um die Potentiale für die Insekten-Förderung in der Stadt zu beleuchten und praktische Maßnahmen wir die Aussaat von Blühstreifen oder ein angepasstes Mahdregime in die Wege zu leiten. Doch lenkt das nur von der Tatsache ab, dass der eigentliche Schlüssel zum Bienenschutz in der Landwirtschaft liegt. Da mag es bezeichnend sein, dass sich der Befund, „die Stadt sei das bessere Land“ während der Konferenz zum running gag der Vortragenden avancierte. Schließlich brachten die Vorträge auch eine Entwicklung zutage, die sich bereits seit einigen Jahrzehnten abzeichnet: Im Gegensatz zur Stadt ist auf dem Land 1.) ein geringeres Blühangebot mit sich abwechselnden Massentrachten und Trachtlücken zu verzeichnen, 2.) eine geringere Vielfalt von Strukturen gegeben, die als potentielle Lebensräume für Bienen infrage kämen und 3.) der Einsatz von Pestiziden um ein Vielfaches höher.

Mit Risiken und Nebenwirkungen: der Nationale Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln

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Einsatz von PSM auf landwirtschaftlicher Fläche (Foto: Arndt Müller).

Vom 14.-16. Juni 2016 fand in Potsdam der Midterm-Workshop des Nationalen Aktionsplans zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (NAP) statt. Der aktuelle NAP wurde 2013 verabschiedet um Maßnahmen in die Wege zu leiten, die den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln (PSM) sicherer machen und insgesamt minimieren sollten.

Dass es seitdem mit dem Erreichen der Ziele noch nicht sehr weit gekommen ist, lässt sich unter anderem anhand des Verfehlens einiger zielgebundener Indikatoren des NAP belegen: so stagniert der bundesweite Flächenanteil des „ökologischen Landbaus“ mit etwa sechs Prozent seit Jahren auf einem niedrigen Niveau – dabei sind es gerade die Anbaumethoden der ökologisch wirtschaftenden Betriebe, die einen kompletten Verzicht auf chemisch-synthetische PSM überhaupt erst ermöglichen.

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Grauammern sind durch den Einsatz von PSM besonders betroffen (Foto: Tom Dove).

Auch die Umsetzung des Indikators für „Artenvielfalt“, der Auskunft über den Zustand und die Veränderungen von Beständen ausgewählter Vogelarten der Agrarlandschaft gibt, hinkt mit einem Zielerreichungsgrad von lediglich 60 Prozent den Erfolgsansprüchen des NAP weit hinterher. Wie stark der Einfluss von PSM auf Vogel- und Säugetierarten landwirtschaftlicher Nutzflächen ist, zeigte nicht zuletzt eine NABU-Studie.

Ein schlechtes Zeugnis muss jedoch nicht nur dem Zustand von Vogelarten der Agrarlandschaft ausgestellt werden. Auch um den NAP-Indikator, der Auskunft geben soll über die „Reduktion der Belastung von blütenbestäubenden Insekten mit Pflanzenschutzmitteln“ ist es schlecht bestellt: durch Wissenschaftler des NABU-Nordrhein-Westfalens und des Entomologischen Vereins Krefeld konnte Anfang 2016 festgestellt werden, dass zwischen 1985 bis 2014 die Insektenbiomasse an allen untersuchten Standorten um etwa 80 Prozent zurückgegangen ist. Dass von diesem Rückgang auch potenzielle Bestäuber betroffen sind, liegt auf der Hand. Ebenso der jüngst erschienene Bestäuber-Bericht des Weltbiodiversitätsrates (IPBES) bestätigt den weltweiten Rückgang von Bestäuberarten – und sieht im Einsatz von PSM einen der Hauptfaktoren dafür.

Das im Zuge des Midterm-Workshops zum NAP entworfene Eckpunktepapier, welches seit dem 17. Juni auf der Website des NAP einsehbar ist, fungiert als Grundlage für die Weiterentwicklung des NAP und stellt daher eine richtungsweisende Funktion dar. Der NABU nutzt deshalb die Gelegenheit, um sich konstruktiv in den Reformprozess einzubringen und unterbreitet den Gremien folgende Vorschläge, deren Umsetzung unabdingbar ist, um den NAP zu einem Instrument umzugestalten, das auch dem Schutz der biologischen Vielfalt dient:

  • Formulierung ambitionierterer, verbindlich festgesetzter Ziele mit konkretem Zeitplan.
  • Optimierung der Indikatoren, welche die Wirkung der NAP-Maßnahmen anzeigen (unter anderem durch Verbesserung der Datengrundlage).
  • Verbesserung und Veröffentlichung der Datenlage für PSM und ihrer Metabolite in allen Umweltmedien.
  • Entwicklung eines verbindlichen, auf Daten basierenden Konzepts zur Risikominimierung mit entsprechender Wirkungsabschätzung.
  • Ausbau der Erforschung zur Wirkung alternativer Pflanzenschutzmaßnahmen im Rahmen integrierter Pflanzenschutzmethoden.
  • Bestimmung von Modellregionen für NAP-konformen Pflanzenschutz, um den Landschaftsbezug herzustellen.
  • Verbesserung der Koordination zwischen den Gremien des NAP, insbesondere im Biodiversitätsbereich.
  • Verbesserung der Öffentlichkeitsarbeit zur Aufklärung über die Risiken des Einsatzes von PSM.
  • Stärkere und glaubwürdigere Einbeziehung von Umwelt- und Naturschutzverbänden.
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Blühstreifen können auch auf benachbarten Flächen den Schädlingsbefall vermindern (Foto: NABU/Klemens Karkow).

Um durch eine Reformierung des PSM-Einsatzes die fortschreitende Intensivierung der Landwirtschaft zu stoppen und damit auch der mangelhaften Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie sowie der EU-Biodiversitätsstrategie Abhilfe schaffen zu können, fehlt es der jetzigen Ausrichtung des NAP noch an Durchschlagskraft. Die 2017 erwartete Neuauflage des Aktionsplans muss demnach noch einer Reihe von natur- und umweltschutzfachlicher Anforderungen gerecht werden.

Fitness-Check für die EU-Agrarpolitik

Anlässlich der großen jährlichen Konferenz des „Forum für die Zukunft der Landwirtschaft“ (FFA2016), das vom Europäischen Landbesitzerverband (ELO) und dem Agrarkonzern Syngenta getragen wird, haben der NABU, sein Dachverband BirdLife Europe und über 100 Verbände aus den Bereichen Umwelt, Gesundheits- und Verbraucherschutz, Ernährung und Tierschutz den Präsidenten der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, in einem gemeinsamen Brief dazu aufgefordert, die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU einem „Fitness-Check“ zu unterziehen.

Die mitzeichnenden NGOs.

Die mitzeichnenden NGOs.

Zu den Referenten der FFA-Konferenz – die trotz der dramatischen Ereignisse in der nur wenige Gehminuten entfernten Metro-Station Maelbeek stattfand – zählten neben den Vertretern der Agrarverbände, der Agrarindustrie und großer, weltweit agierender Lebensmittelkonzerne auch Achim Steiner, der Exekutivdirektor des UN-Umweltprogramms (UNEP), José Graziano da Silva, Generaldirektor der Ernährungsorganisation der UN (FAO), EU-Agrarkommissar Phil Hogan, der Generaldirektor der Generaldirektion Umwelt der EU-Kommission, Daniel Calleja Crespo, Mitglieder des Europäischen Parlamentes, aber auch Vertreter von Umwelt- und Verbraucherorganisationen wie Ursula Hudson, Präsidentin von Slow Food Deutschland und Mitglied des Vorstandes von Slow Food International. Leitfrage war, wie die im September beschlossenen „Sustainability Development Goals“ (SDGs) in die aktuelle Agrarpolitik integriert werden können.

Rückgang von Bestäuber-Arten

titelDer NABU begrüßt das „Bestäuber-Assessment“ und fordert eine Berücksichtigung der Ergebnisse in der Agrarpolitik

Während des vierten Plenums des Weltbiodiversitätsrates IPBES in Malaysia sind die Vertreter der 124 Mitgliedstaaten ein letztes Mal Zeile für Zeile eines Dokuments von großer Tragweite durchgegangen. Die „Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger“ stellt die wesentlichen Aussagen einer weltweiten Untersuchung mit dem Titel „Assessment zu Bestäubern, Bestäubung und Nahrungsmittelproduktion“ dar. Am 26. Februar 2016 einigten sich die Verhandler dann auf dieses erste wichtige Produkt von IPBES, der neuen Schnittstelle zwischen Biodiversitätsforschung und Politik. Der NABU hofft, dass der globale wissenschaftliche Konsens dazu führen wird, dass der Rückgang der Artenvielfalt einen höheren Stellenwert in der Politik erfährt – gerade wenn es um die Landwirtschaft geht.