Rückgang von Bestäuber-Arten

titelDer NABU begrüßt das „Bestäuber-Assessment“ und fordert eine Berücksichtigung der Ergebnisse in der Agrarpolitik

Während des vierten Plenums des Weltbiodiversitätsrates IPBES in Malaysia sind die Vertreter der 124 Mitgliedstaaten ein letztes Mal Zeile für Zeile eines Dokuments von großer Tragweite durchgegangen. Die „Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger“ stellt die wesentlichen Aussagen einer weltweiten Untersuchung mit dem Titel „Assessment zu Bestäubern, Bestäubung und Nahrungsmittelproduktion“ dar. Am 26. Februar 2016 einigten sich die Verhandler dann auf dieses erste wichtige Produkt von IPBES, der neuen Schnittstelle zwischen Biodiversitätsforschung und Politik. Der NABU hofft, dass der globale wissenschaftliche Konsens dazu führen wird, dass der Rückgang der Artenvielfalt einen höheren Stellenwert in der Politik erfährt – gerade wenn es um die Landwirtschaft geht.

Landwirtschaft als Hauptverursacher des Rückgangs an Bestäubern

Im Vergleich zum letzten Entwurf kann der NABU erfreulicherweise feststellen, dass dieses Assessment zu wesentlichen Punkten noch einmal eindeutiger Stellung bezieht. Aus den 20 Kernbotschaften ist nicht nur klar herauszulesen, welche enorme Bedeutung die Bestäuber – allen voran die Wild- und Honigbienen – für die Sicherung einer vielfältigen Nahrungsmittelproduktion, die Aufrechterhaltung elementarer Ökosystemfunktionen und für die Nahrungsgrundlage vieler weiterer Tierarten haben. Auch der gegenwärtige Zustand der Bestäuber wird unmissverständlich widergegeben, wonach wilde Bestäuber sowohl in ihrer Häufigkeit als auch Vielfalt zumindest in Nordwest-Europa und Nord-Amerika stark zurückgegangen sind. Weltweit sind mittlerweile bis zu 30 Prozent der Arten vom Aussterben bedroht. Vor allem aber wird im Assessment den Ursachen für diesen dramatischen Rückgang auf den Grund gegangen, wobei man zur Schlussfolgerung kommt, dass neben dem Pestizideinsatz auch Landnutzungsänderungen, intensive Landwirtschaft, Umweltverschmutzung, invasive gebietsfremde Arten, Krankheitserreger und Klimawandel als direkte Triebkräfte identifiziert werden können.

Fahrzeug mit Sprühaufsatz (NABU/H.May)

Doch auch wenn die direkten tödlichen Auswirkungen von Pestiziden auf Bestäuber bisher aufgrund der komplexen Zusammenhänge größtenteils nur unter kontrollierten Labortests zweifelsfrei nachgewiesen werden konnten, wird im Assessment nicht ohne Grund gleich in mehreren Kernbotschaften den Pestiziden ein hohes Gefährdungspotenzial nachgesagt. Damit in Verbindung stehend, werden als alternative landwirtschaftliche Bewirtschaftungsmethoden beispielsweise die Reduktion/ der Verzicht des Pestizideinsatzes, die Einführung eines integrierten Pflanzenschutzes und die Förderung der ökologischen Landwirtschaft nahegelegt.

IPBES hält sich zwar mit Ratschlägen und Empfehlungen zurück und beschränkt sich auf die Benennung alternativer Handlungsoptionen. Aus dem Bestäuber-Assessment geht jedoch klar hervor, dass der Rückgang von Bestäubern eng mit den Praktiken der intensivierten Landwirtschaft verknüpft ist – und demnach auch hier nach Lösungsansätzen gesucht werden müsse.

hummel

Hummel auf Flockenblume (NABU/M. Markowski)

IPBES als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik

Nun bleibt abzuwarten, wie die Ergebnisse in internationale, europäische und nationale Politikprozesse mit einfließen, um den Erkenntnissen aus dem Assessment auch entsprechende Taten folgen zu lassen. So hat der wissenschaftlich-technische Ausschuss (SBSTTA) der CBD (Convention on Biological Diversity) in Vorbereitung auf die 13. Vertragsstaatenkonferenz im Dezember 2016 die Analyse des Bestäuber-Assessments bereits mit auf die Tagesordnung genommen. Es soll geprüft werden, welche Handlungsoptionen sich zukünftig ihm Rahmen der CBD ergeben. Fest steht, dass das Bestäuber-Assessment auch die Inhalte im CBD-Arbeitsprogramm zu Agrobiodiversität unterstützen wird. Einen weiteren Beitrag in der internationalen Biodiversitätspolitik wird das Bestäuber-Assessment (und die weiteren, die noch folgen werden) sicherlich auch hinsichtlich der Erreichung der Aichi-Ziele (Aichi Biodiversity Targets) im Rahmen des „Strategischen Plans 2011-2020“ leisten.

Auf EU-Ebene ist zu hoffen, dass die unterbreiteten Politikmaßnahmen einen Einfluss auf die Reformverhandlungen zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ausüben werden, die ab 2017 beginnen. Die Forderungen der Umweltverbände nach einer Ökologisierung der GAP werden dabei durch die Erkenntnisse aus dem Bestäuber-Assessment, die auf einem breiten wissenschaftlichen Konsens beruhen, weiter untermauert. Auch liefert das Assessment weitere Argumente für eine substanzielle Erhöhung der Finanzierung von Naturschutzmaßnahmen im Rahmen der GAP. Nicht zuletzt davon hängt auch die Umsetzung der EU-Naturschutzrichtlinien ab, zu der sich die EU-Staaten rechtlich verpflichtet haben.

Darüber hinaus bestätigen die Ergebnisse des Bestäuber-Assessments die Forderung nach einem weiteren Anwendungsstopp mindestens dreier Wirkstoffe von Neonikotinoiden, die für Wild- und Honigbienen tödlich sind und für welche die EU 2013 ein Verbot verhängte. 2017 steht durch die Europäische Agentur für Lebensmittelsicherheit (EFSA) eine Neubewertung dieser Insektizide an. Ebenfalls hochaktuell: die im März anstehende Entscheidung zur Neuzulassung des Herbizids Glyphosat in der EU – hier hat der NABU erneut eine umfassende Neubewertung des Pflanzengifts und ein Glyphosat-Verbot im Haus- und Kleingartenbereich gefordert und spricht sich klar gegen eine Neuzulassung des Herbizids aus. Den EU-Ministern liegt ein Antrag auf Zulassung vor, der dann bis zum Jahr 2031 gelten soll. Neben vielen anderen negativen Auswirkungen auf Natur und Umwelt stellt Glyphosat auch eine potentielle Bedrohung für Bienen dar, da es ihr Orientierungsvermögen beeinträchtigen kann und darüber hinaus die für Wildbienen wichtige Nahrungsgrundlage der Wildkräuter zerstört.

Dass die gegenwärtige Situation der Bestäuber auch in Deutschland besorgniserregend ist, ist nicht nur der „Roten Liste der wirbellosen Tiere“ zu entnehmen, wonach über 50 % der heimischen Wildbienenarten bestandsgefährdet sind. Auch aktuelle Untersuchungen, die durch den NABU in Nordrhein-Westfalen und dem Entomologischen Verein Krefeld im Januar 2016 vor dem Umweltausschuss des Deutschen Bundestages vorgestellt wurden, bestätigen diesen Negativtrend: anhand von Malaisefallen an über 100 Standorten konnte nachgewiesen werden, dass sich zwischen 1985 bis 2014 die Insektenbiomasse an allen Standorten um etwa 80 % reduziert hat. Dass von diesem Rückgang auch potenzielle Bestäuber betroffen sind, bestätigen die Daten, die im Wahnbachtal nordöstlich von Bonn gesammelt wurden: Kamen an Großschmetterlingen 1989 noch 132 Arten vor, waren es 2014 nur noch 103 Arten.

Malaise

Die Malaisefalle (NABU/J.Tumbrinck)

Bei den Schwebfliegen – einer weiteren bedeutenden Bestäubergruppe – sieht der Artenverlust noch drastischer aus: hier lag im selben Zeitraum der Artenverlust bei über 27 %. Auch der NABU-NRW sieht dafür in der landwirtschaftlichen Intensivierung und dem Einsatz von Pestiziden eines der Hauptprobleme und fordert unter anderem eine umfassende Neubewertung der Wirkmechanismen von Neonikotinoiden und weiteren Wirkstoffen. Der Bundesregierung wird nahegelegt, im Rahmen der Umweltbeobachtung ein dauerhaftes Insektenmonitoring anzulegen und hierfür entsprechende Mittel bereit zu stellen. Die identische Implikation zieht auch das Bestäuber-Assessment in welchem steht, dass längerfristig angelegte internationale und nationale Monitoringprogramme für die meisten Bestäuberarten dringend erforderlich sind, um weitere Erkenntnisse über ihren Zustand und die Entwicklung zu erhalten.

Vor dem Hintergrund dieser zahlreichen Anknüpfungspunkte für aktuelle naturschutzpolitische Inhalte wird der NABU auch zukünftig genau weiterverfolgen, ob die Ergebnisse des Bestäuber-Assessments auch ausreichend Berücksichtigung finden werden.

Das Bestäuber-Assessment als auch das vor wenigen Tagen verabschiedete Assessment zu „Szenarien und Modellierung von Biodiversität und Ökosystemleistungen“ werden noch in alle 5 UN-Sprachen übersetzt und in Kürze auf der Seite des Weltbiodiversitätsrates veröffentlicht: www.ipbes.net

Weitere Infos zu Pestiziden finden Sie hier auf den Seiten des NABU.

Die Pressemitteilung zur Krefelder Studie erhalten Sie hier.

Till-David Schade
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