Bleihaltige Jagdmunition endlich verbieten!

Bleihaltige Jagdmunition endlich verbieten!

+++ Update: Abstimmung im Chemikalien-Ausschuss erfolgreich! +++

Am 3. September 2020 wurde das EU-weite Verbot von Bleischrot in Feuchtgebieten von den Mitgliedsstaaten der EU beschlossen. Nach langem Hin und Her hat auch Deutschland seine Zustimmung dazu gegeben. Für den NABU ein längst überfälliger Schritt: „Endlich wird der Einstieg in den Ausstieg bei der Verwendung vom Umweltgift Blei in der Jagd begonnen. Ein generelles Bleiverbot in Jagdmunition muss nun folgen. Die jetzt diskutierte Änderung des Jagdgesetzes sollte das Bundeslandwirtschaftsministerium nutzen,“ kommentiert NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger den Beschluss.

Nach jahrelangen Verhandlungen und einer Reihe von Abschwächungen und Übergangsfristen, die unter anderem Deutschland durchgesetzt hatte, wurde nun endlich im für Chemikalien zuständigen Ausschuss der EU-Kommission über einen Vorschlag der Europäischen Chemikalien-Agentur  abgestimmt, der ein Verbot von bleihaltiger Schrotmunition in Feuchtgebieten vorsieht. Ohne Einigung mit dem Bundeslandwirtschaftsministerium hätte sich das federführende Umweltministerium in Brüssel enthalten müssen. Hiermit wäre die erforderliche Mehrheit für das Verbot wohl nicht zustande gekommen und die Blamage für die amtierende deutsche Ratspräsidentschaft perfekt gewesen. Am Ende konnten auch noch weitere EU-Länder von den nationalen BirdLife-Partnern überzeugt werden und die Abstimmung endete mit einer Zustimmung von 90%!

Nach der Abstimmung ist vor der Abstimmung

In den letzten Wochen hatte der NABU gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, sowie Umweltverbänden aus ganz Europa Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner zum Einlenken im Sinne des Natur- und Umweltschutzes aufgerufen. Das Europa-Parlament muss dem Verbot noch zustimmen; durch das klare Ergebnis im REACH-Ausschuss gilt dieser Schritt jedoch als Formalie. Trotzdem ist mit massivem Druck auf die Europaabgeordneten durch die Jagd- und Munitionslobby zu rechnen.

+++ Update: Abstimmung auf den 3. September verschoben! +++

Durch den Druck des NABU und anderer Verbände auf die Bundesregierung im Vorfeld der geplanten Abstimmung über ein EU-weites Verbot von Bleimunition für den 15. Juli 2020 hat Julia Klöckner ihre Blockadehaltung aufgegeben. Das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) wollte dem Verbot aber nur zustimmen, wenn sich das Bundesumweltministerium bereit erklärt, die Übergangsfrist für die neue Regelung von zwei Jahren auf drei Jahre zu verlängern. Zähneknirschend hatte Svenja Schulze dem Kompromiss zugestimmt.

Leider hat die Verzögerungstaktik des BMEL die Regierung der Tschechischen Republik dazu veranlasst, kurz nach Bekanntwerden der deutschen Entscheidung, der Methode der schriftlichen Abstimmung die Zustimmung zu entziehen. Darauf hat die EU-Kommission die Entscheidung vertagt, und zwar auf den 3. September. Am Donnerstag kommender Woche  wird nun also vielleicht endlich über ein Verbot von bleihaltiger Schrotmunition in Feuchtgebieten abgestimmt.

Wie schon im Juli wird es eine sehr knappe Entscheidung werden und Deutschland als sehr großes EU-Mitgliedsland spielt hier eine entscheidende Rolle. Bei der Abstimmung im REACH-Regelungsausschuss zählt eine qualifizierte Mehrheit. Das bedeutet, dass mindestens 15 EU-Mitgliedsstaaten (MS) für das Verbot stimmen müssen, diese 15 MS aber auch mindestens 65 Prozent der Bevölkerung der EU umfassen müssen. Deutschland hat aufgrund der Bevölkerungsgröße bei der Abstimmung ein großes Gewicht, aber auch eine Vorbildfunktion für noch unentschiedene, kleinere Mitgliedsstaaten. Alle Fakten liegen auf dem Tisch und sind auch bis in die Ministerbüros bekannt. BLEI IST GIFT! Es gibt keinen vernünftigen Grund, weiter bleihaltige Schrotmunition zu verwenden. Julia Klöckner muss jetzt Rückgrat zeigen und sich im Interesse von Verbraucher*innen, Natur und Umwelt für ein vollständiges Verbot bleihaltiger Jagdmunition aussprechen.

 

Blockade von Klöckner mit haltlosen Argumenten

Beitrag von Marius Adrion, Vogelschutz-Experte des NABU, 9. Juli 2020

Derzeit steht in Brüssel ein EU-weites Verbot von Bleischrot in Feuchtgebieten zur Abstimmung. Doch leider blockiert bisher Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner beziehungsweise ihr Ministerium die Zustimmung Deutschlands zu dem Verbot. Die Abstimmungsfrist läuft am 15. Juli ab. Die Argumente sind haltlos, wie dieser Naturschätze.Retten-Beitrag aufzeigt.

 

Warum Bleimunition verbieten

Blei ist ein hochgiftiges Schwermetall. Deshalb wurde die Nutzung in vielen Produkten des Alltags schon untersagt. Wenn Blei in die Umwelt gelangt, hat das für Tiere und Pflanzen gravierende Folgen, ebenso für die Gesundheit von Menschen. So sind Bleivergiftungen beispielsweise eine der Haupttodesursachen von Seeadlern. Sie nehmen beim Verzehr von Innereien eines erlegten Tieres Bestandteile zerlegter Bleigeschosse auf und sterben qualvoll. Blei ist auch für den Menschen schädlich. Es greift Nervensystem, Nieren sowie das Herz-Kreislaufsystem an, wird als krebserregend eingestuft und mindert die Intelligenz und Aufmerksamkeit von Kindern.

Foto: BirdLife Europe

Besonders problematisch ist die Nutzung von bleihaltiger Schrotmunition. Eine Schrotpatrone enthält dutzende kleine Schrotkügelchen, von denen nach dem Schuss die meisten in der Umwelt verbleiben. Vögel nehmen diese Bleikügelchen dann auf – im Glauben es handele sich um harmlose Steinchen, die Ihre Verdauung unterstützen. Doch das Blei wird in ihrem Muskelmagen zerrieben und in den Blutkreislauf aufgenommen. Durch die Vergiftung wird der Darm gelähmt und die Vögel verhungern, unabhängig davon, ob sie noch Nahrung aufnehmen. Schon bald nach Aufnahme des Bleis können die Tiere ihre Beine und Flügel nicht mehr kontrolliert bewegen, schleppen sich angsterfüllt umher, bis sie unter großem Schmerz sterben oder von Beutegreifern getötet werden.

Jedes Jahr werden viele Millionen Vögel auf diese Weise unnötig vergiftet. Bis zu 1,5 Millionen Wasservögel sterben in der EU jährlich unmittelbar an einer Bleivergiftung. Aus Sicht des NABU ist dies ein bedeutendes Tierschutzproblem.

 

Was steht nun in Brüssel zur Abstimmung

Durch die sogenannte REACH-Verordnung (Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals) können Chemikalien in der EU in der Verwendung beschränkt werden. Blei wurde schon für das Bleigießen, in Farben und in Treibstoffen verboten, wird aber immer noch tonnenweise in Jagdmunition in die Umwelt gebracht. Durch die angestrebte Beschränkung von Blei in Schrotmunition in Feuchtgebieten im Rahmen der REACH-Gesetzgebung käme die EU übrigens auch ihren globalen Verpflichtungen aus dem AEWA-Abkommen nach.

Logo der Europäischen Chemikalienagentur

In einem jahrelangen Prozess wurde der Sachverhalt nun umfassend geprüft und der Stand der Wissenschaft von der Europäischen Chemikalienagentur zusammengefasst. Insgesamt ist klar: Blei ist schädlich für die Umwelt und muss endlich verboten werden.

 

Wie hat sich Deutschland bisher verhalten

Tweet vom Staatssekretär, der die Enthaltung rechtfertigt.

Am 23. Juni kam turnusgemäß der sogenannte REACH-Ausschuss der EU zusammen (ein Ausschuss nach den neuen „Komitologie“-Regeln des EU-Vertrages). Mit auf der Tagesordnung: das von der EU-Kommission vorgeschlagene Verbot bleihaltiger Jagdmunition in Feuchtgebieten. Abgestimmt werden sollte sodann im schriftlichen Verfahren, aber erfragt wurde bereits die Position der Vertreter der Mitgliedstaaten (die ihren Platz im Ausschuss haben). Wie so üblich in Deutschland: das Prinzip der Ressortabstimmung, also eine Abstimmung innerhalb der Bundesregierung über die Positionierung bei derartigen Fragen (außer einzelne Akteure spielen foul, wie etwa der damalige Landwirtschaftsminister Schmidt, der bei der Verlängerung der Glyphosat-Zulassung die Ressortabstimmung ignorierte, wie in diesem Naturschätze.Retten-Beitrag nachzulesen ist). Im Nachhinein kam heraus, dass Deutschland sich enthalten musste, da das Bundeslandwirtschaftsministerium eine Zustimmung zum Verbot blockiert. Die Frist für die schriftliche Abstimmung endet am 15. Juli.

 

Argumente gegen ein Verbot überzeugen nicht

Bleivergifteter Seeadler – Foto: Rainer Altenkamp

Die Argumente des Bundeslandwirtschaftsministeriums sind nicht haltbar. Es geht dabei vor allem um die vermeintlich verringerte Tötungswirkung von bleifreiem Schrot. Diese Bedenken bezüglich der Tötungswirkung von Bleialternativen sind wissenschaftlich wie jagdpraktisch ausgeräumt. Die im Vergleich zu bleihaltiger Schrotmunition veränderten ballistischen Eigenschaften sind umfassend untersucht. Bleifreie Schrotmunition tötet Vögel genauso effektiv wie Bleischrot. Jahrzehntelange Erfahrungen in der Verwendung ausschließlich bleifreier Schrotmunition in Dänemark  und den Niederlanden belegen eindeutig die ebensogute Tötungswirkung von bleifreiem Schrot, auch bei der Jagd auf größere Gänsearten. Forschungen aus Frankreich  weisen zudem darauf hin, dass die scheinbar schlechtere Tötungswirkung von bleifreiem Schrot nicht durch das Material selbst, sondern durch Faktoren wie Windgeschwindigkeit und die Art und Weise der Jagdausübung bedingt ist. Feldversuche haben sogar ergeben, dass Jäger*innen nicht unterscheiden konnten, mit welchem Typ Schrot sie in Doppelblindstudien geschossen haben und sich auch die Jagdergebnisse nicht unterschieden.

Zudem ist in Deutschland die Jagd mit Bleischrot schon heute durch die Jagdgesetze der Länder geregelt. In 14 Ländern, darunter alle Flächen-Bundesländer, ist die Verwendung von bleihaltigem Schrot bei der Jagd auf Wasserfederwild an und über Gewässern verboten. Sechs Länder verbieten den Einsatz von Bleischrot an Gewässern auch auf Säugetiere oder untersagen den Einsatz gänzlich. Es ist also davon auszugehen, dass die Jagdstrecken von Wildenten und Wildgänsen in Deutschland bereits seit vielen Jahren weitaus überwiegend unter Verwendung von bleifreier Schrotmunition zustande kommen.

Eine weitere Reduktion tierschutzrechtlicher Risiken bei der Jagd mit Schrot werden sich nur durch verpflichtende Schießtrainings und Anpassungen der Jagdausübung erreichen lassen. Der Fortbestand der Umweltbelastung und der millionenfachen Vergiftung von Wildtieren durch den Einsatz von Bleischrot steht demgegenüber in keinem vertretbaren Verhältnis.

Deshalb unser Appell: Das Bundeslandwirtschaftsministerium und Julia Klöckner müssen ihren Widerstand gegen eine einheitliche europäische Verbotsregelung bis zum 15. Juli aufgeben. Nicht nur um den Start des deutschen Vorsitzes im Rat der Europäischen Union nicht zu vermasseln, sondern vor allem um Mensch und Natur zu schützen!

 

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3 Kommentare

Elke Lumpp

12.07.2020, 21:34

Warum ist so jemand im Amt , der gar kein Herz für Tiere hat . Zerstörend und verstörend! ,,

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Franz Böck-Roth, Radolfzell am Bodensee

13.07.2020, 15:18

Ich werde alles, was in meinen Kräften steht, dafür tun, dass die Amtszeit dieser Blockadeministerin Klöckner und die Herrschaft der Unionsparteien über die Lebensministerien mit der Bundestagswahl 2021 endgültig zu Ende geht.

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Karl-Michael Guensche

03.08.2020, 13:23

In meinen, zahlreichen ehrenamtlichen Ämtern , in denen ich auch immer wieder in Gesprächen mit Jägern und Landwirten bin, werde ich alles mir Mögliche dazu tun, die Absurditäten der Entscheidungen von Ministerin Klöckner und ihrer Entourage aufzuzeigen. Es gibt mehr umwelt- und tierschutzbewusste Wähler , als dies dieser Entscheidergruppe bewusst ist. Klar ist mir immer noch nicht, ob diese Haltung durch Lobbyismus oder Ignoranz wissenschaftlicher Ergebnisse geprägt ist.

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