Brutvögel Beiträge

Wann kükt es denn endlich?

Liebe Blogleser*Innen,

die Brutsaison ist in vollem Gange. Sobald ich einen Schritt vor die Hüttentür wage, werde ich nicht mehr nur von den Rotschenkeln angeblökt, sondern habe auch einen wütenden Mob von Flussseeschwalben über mir. Manchmal macht mich das ein bisschen traurig, gibt es mir doch zu verstehen, dass ich höchst unwillkommen bin. Aber ich weiß auch, dass es nicht an mir persönlich liegt. Denn der gleiche Mechanismus kommt bei den Möwen und den Krähen zum tragen. Gestern habe ich sogar beobachtet wie der Ziegenmelker, über den ICH mich zumindest sehr gefreut habe, höchst erfolgreich von den Seeschwalben vertrieben wurde.

Für einige Arten ist die gemeinsame Feindabwehr übrigens ein Grund in Kolonien zu brüten. Zum einen ist das Risiko der Gelegeprädation für das einzelne Individuum in einer Kolonie deutlich geringer, zum anderen können Feinde in der Gruppe erfolgreicher vertrieben werden. Im Gegenzug muss der „nervige“ Nachbar in Kauf genommen werden. Dieser kann nämlich auch einfach mal das Nistmaterial oder die Eier klauen!

Bei dem ganzen Brutgeschehen auf Trischen bin ich natürlich auch auf das Ergebnis gespannt. Die ersten Küken müssten eigentlich schon zu entdecken sein. Denn Graugans, Stockente und Löffler sitzen beispielsweise schon länger auf ihren Gelegen. Nur wollen die Küken nicht so richtig schlüpfen. Die ein oder anderen konnte ich zwar schon entdecken, aber bisher ist dies weit hinter meinen Erwartungen zurückgeblieben – insgeheim hatte ich mir nämlich eine Insel voller Flauschkugeln erhofft. Teilweise mag dies an dem eher kalten Frühjahr liegen, sodass sich alles etwas nach „hinten“ verschoben hat. Bei den Graugänsen vermute ich aber eher ein Hochwasserereignis im Frühjahr und die Möwen als Schuldige. Es fällt mir schwer nicht Partei zu ergreifen, wenn ich eine Silbermöwe mit einem Ei oder Küken davonfliegen sehe, die verzweifelten Rotschenkelrufe in den Ohren. Doch auch die Möwe muss sehen wo sie bleibt. Und gerade hier auf Trischen soll ja alles so sein, wie die Natur es eingerichtet hat.

Dafür freue ich mich über jedes einzelne Küken doppelt – insbesondere über die Sandregenpfeifer. Der Brutplatz hinter den Dünen, über den ich vor einiger Zeit berichtet hatte, hat sich als gut gewählt erwiesen. Das Gelege war erfolgreich und ist vor etwa zwei Wochen geschlüpft. Ich hatte großes Glück, denn ich habe noch zwei Küken im Nest erwischt. Sandregenpfeifer sind nämlich Nestflüchter und verlassen sehr schnell nach dem Schlupf ihre Nistmulde. Sie sind schon voll entwickelt und können gleich mit ihren Eltern auf Nahrungssuche gehen, weshalb ich die Familie schon am nächsten Abend am Strand beobachten konnte.

 

Sind die Küken noch sehr klein, ducken sie sich beim Erklingen der Warnrufe ihrer Eltern auf den Boden, sodass sie kaum noch zu entdecken sind. Sind sie schon älter, rennen sie bei Gefahr meistens in eine nahe gelegene Deckung.  Leider hielt das Familienglück nicht lange, denn etwa vier Tage später waren die adulten Sandregenpfeifer schon wieder allein unterwegs. Und nun sind sie wieder am Balzen, sie versuchen also erneut ihr Glück. Hoffentlich dieses Mal mit mehr Erfolg!

Also halte ich weiter Ausschau nach den Anzeichen einer erfolgreichen Brut, hoffe dass die Möwen anderswo ausreichend Nahrung finden, die Sommerhochwasser bis nach der Brutsaison warten und die Löffler bald schlüpfen. Denn ich habe die Hoffnung auf eine Insel voller Küken noch nicht aufgegeben!

Ihre Melanie Theel

Einmal Horchen bitte!

Liebe Blog-Folger*Innen,

mit dem Frühling ist auf Trischen eine andere Geräuschkulisse angekommen. Die Rotschenkel, die sonst das Gros der Gesangskünstler vor der Hütte dargestellt haben, werden gerade zur Mittagszeit von den Seeschwalben und den Lachmöwen übertönt. Während die Lachmöwen sich in der Salzwiese vor der Hütte niedergelassen haben, düsen die Seeschwalben wie wild umher, transportieren Fischchen oder unternehmen Balzflüge.

Küstenseeschwalbe mit Fischchen

 

Nun gäbe es jede Menge toller Dinge über die Seeschwalben zu berichten, beispielsweise dass die Küstenseeschwalbe die Vogelart mit dem längsten Zugweg ist; aber vielleicht wissen sie das alles schon. Daher möchte ich heute noch ein bisschen bei der Geräuschkulisse bleiben.

Vogelstimmen sind ungemein faszinierend. Jede Art hat ihre eigenen Rufe und Gesänge. Dies kann bei der Bestimmung von schwer differenzierbaren Arten und bei Erfassungen helfen. Wenn der Wiesenpieper vor mir in der Salzwiese beispielsweise nicht „ist“en würde, würde ich ihn vermutlich übersehen. Und auch wenn Fitis und Zilpzalp sich sehr ähnlich sehen, können sie gut durch ihren Gesang unterschieden werden. Etwas verkompliziert wird das Ganze dadurch, dass die Bandbreite der Rufe und Gesänge durchaus beachtlich sein kann. Die Kohlmeise ist ein perfektes Beispiel. Haben sie mal darauf geachtet, wie groß das Rufrepertoire der Kohlmeisen in ihrem Garten ist? Bei vielen Arten gibt es Rufe für verschiedene Gelegenheiten. So kann man beispielsweise bei Amseln zwischen Warnrufen bei Luft- oder Bodengefahren differenzieren. Aber auch die Rufe der Jungvögel („Bettelrufe“) oder die Rufe von Männchen und Weibchen können je nach Vogelart unterschiedlich sein. Richtig spannend wird es bei den Imitatoren. Sumpfrohrsänger oder Stare bauen beispielsweise gezielt Gesänge anderer Arten ein, was das Bestimmen deutlich verkompliziert.

Auf Trischen bin ich quasi rund um die Uhr am Horchen, bei der Brutvogelkartierung, der Zugplanbeobachtung oder in der Mittagspause. Jeder „Pieps“ kann Aufschluss geben, wer da gerade über mich hinwegfliegt. Zumindest in der Theorie. Manchmal sagen sie auch einfach nichts!

Parabolspiegel mit Aufnahmerekorder

Ich beschäftige mich aber noch auf andere Weise mit der Akustik. In windstillen Nächten stelle ich häufig einen Rekorder hinaus, der die ganze Nacht über Aufnahmen macht. Einfach weil ich neugierig bin, wer hier nachts so über die Insel zieht. Verstärkt wird das Signal mittels Parabolspiegel, der quasi wie eine Satellitenschüssel aussieht. Am nächsten Tag werte ich die Aufnahmen aus. Damit ich dann aber nicht die ganze Nacht durchhören muss (was mehrere Stunden in Anspruch nehmen würde), arbeite ich mit einem speziellen Programm das Sonagramme erzeugt. Hier werden die Rufe sozusagen verbildlicht und in ihren Frequenzbereichen angezeigt. Das heißt jede Art erzeugt ein anders Rufmuster.

Sonagramm zu obiger Aufnahme

Nachtaufnahmen können quasi überall aufgenommen werden; so wurden auch schon über Großstädten ziehende Mornellregenpfeifer und Triele gemeldet. Ich wollte die städtischen Umgebungsgeräusche umgehen und habe mich zum Erstversuch für Trischen entschieden. Eigentlich hatte ich dies für besonders schlau gehalten, in meiner Rechnung aber die hohe Rufbereitschaft von Rotschenkel und Austernfischer nicht berücksichtigt. Nun klicke ich mich in den Sonagrammen nicht durch Aufnahmen von Autolärm, sondern durch Rotschenkel- und Austernfischerrufe. Aber: es gibt wirklich schlimmeres!

 

Ihre Vogelwartin 2023

Auf den Spuren der Sandregenpfeifer

Liebe Blogleser*innen,

ein Huschen am Strand, ein leises „prooeep“ und schon stehen sie wie aus dem Nichts vor mir: die Sandregenpfeifer.
Wenn ich an Sandregenpfeifer denke, drängt sich bei mir als erstes der Vergleich mit kleinen Ganoven auf. Kein Wunder, tragen sie doch eine schwarze Maske über Stirn und Augen. Aufgrund ihres bräunlichen Obergefieders tauchen sie oftmals in ihrem Lebensraum, dem Strand, unter. Verharren sie regungslos, sind sie daher fast nicht zu bemerken. In Bewegung wirken sie recht hektisch: Sie rennen ein Stück, bleiben stehen, tippen mit ihrem Fuß auf den Boden („trillern“) und picken. Dann geht es wieder von vorne los: Rennen, trillern, picken, rennen, trillern, picken.

Sandregenpfeifer-Paar auf Trischen (links mit Farbringen an den Beinen)

Und doch sind sie für mich die kleinsten freundlichsten Ganoven, die es gibt. Auf Nestersuche für meine Masterarbeit habe ich viel Zeit beim Beobachten der „Sandis“ verbracht. Stundenlang habe ich ihnen bei dem Versuch mich in die Irre zu führen zugesehen. Denn neben einer guten Tarnung müssen sie tief in die Trickkiste greifen um ihren Neststandort geheim zu halten und vor Prädatoren (Räubern) zu schützen. Oftmals läuft es folgendermaßen ab: Ein vermeintlicher Räuber nähert sich, der Wach-Sandi warnt und versucht den Räuber vom Nest wegzulocken, indem er vor diesem herläuft und/oder beispielsweise eine Verletzung vortäuscht („Verleiten“). Derweil schleicht der zweite Sandregenpfeifer leise und unauffällig vom Nest. Ohne Altvogel ist das Nest kaum zu finden, denn die Eier, die nur in eine Nistmulde abgelegt werden, sind bestens getarnt. Oftmals versuchen sie mich auch zu einem falschen Neststandort zu locken, indem sie sich an anderer Stelle hinsetzen und „brüten.“ Sie sind also ganz schön raffiniert und dabei auch noch sehr variabel in ihrem Verhalten.

Hier auf Trischen ist die Sandi-Nestersuche deutlich schwieriger, da die Sandregenpfeifer nicht an Menschen gewöhnt sind und bereits viel schneller das Nest verlassen. So habe ich kaum die Möglichkeit den davonschleichenden Sandi zu orten und das Nest zu lokalisieren. Der Sandstrand bietet jedoch auch ungeahnte Vorteile: Ich kann den Sandi-Fußspuren folgen, die sich irgendwann zu kleinen Autobahnen in Richtung Nest verdichten; zumindest solange Wind oder Regen nicht alle Spuren verwischen. Allerdings sind die Sandregenpfeifer Trischens sehr trickreich. Neulich bin ich bei der Springtidenzählung über einen flüchtenden Sandregenpfeifer „gestolpert“, der hinter (!) den Dünen brütet.

 

Doch auch wenn die Sandis so tief in die Trickkiste greifen werden ihre Nester oftmals ausgeraubt und, an öffentlichen Stränden, zertreten. Um den hohen Verlust durch Prädation auszugleichen, können sie bis zu vier Gelege (mit 4 Eiern) pro Jahr produzieren – erstaunlich für einen solch kleinen Vogel! Ihr Bestand geht dennoch zurück. Um zumindest den Vertritt zu vermeiden, sollten sie während der Brutzeit daher bei ihren Strandspaziergängen möglichst entlang der Wasserkante gehen. Und vielleicht werden sie sogar den ein oder anderen Sandregenpfeifer entdecken, wenn sie gezielt darauf achten.

Mit besten Sandi-Grüßen von Trischen

Ihre Melanie Theel

The Sound of Silence

Liebe Trischen Blogleser*innen,

wenn ich an eine unbewohnte Insel denke, denke ich neben einer unberührten Natur vor allem an eines: absolute Stille.

Wer kennt ihn nicht, den Alltagslärm der uns tagtäglich umgibt – sei es eine vielbefahrene Straße vor dem Fenster oder der lärmende Nachbar? Etwa 12km entfernt vom Festland bekomme ich akustisch recht wenig von der Welt dort draußen mit. Gelegentlich höre ich das Surren eines Flugzeugmotors oder das Brummen eines der großen Schiffe, die an Trischen vorbei schippern.  Aber Stille? Weit gefehlt! Auf Trischen herrscht eine ganz andere Geräuschkulisse. Zum Tosen des Windes, gesellt sich das „Stimmengewirr“ meiner Nachbarn – und die haben gerade zu dieser Zeit viel zu sagen. Es ist Balzzeit: Brutpartner müssen gefunden und Reviere verteidigt werden. Und gerade die Rotschenkel vor meiner Hüttentür meinen es sehr ernst damit. Sie sind meist das Letzte was ich beim Einschlafen höre und das Erste was ich morgens beim Aufwachen mitbekomme. Pausenlos schwirren sie laut rufend durch die Luft, sitzen auf den Pfählen rund um die Hütte und recken ihre Flügel in die Luft, damit auch jeder Rotschenkel in der Umgebung, ihre weißen Federzeichen bewundern kann.

 

 

Nicht dass sie nun auf falsche Gedanken kommen: Ich möchte mich keineswegs beschweren, bestaune ich das Spektakel und die Mühen, die dabei auf sich genommen werden, jeden Tag aufs Neue. Mit einem bewundernswerten Durchhaltevermögen zeigen die gefiederten Bewohner Trischens ihren (zukünftigen?) Partner*innen, was sie alles zu bieten haben. Und dies kann auf ganz vielfältige Weise geschehen. Seeschwalben sind vielleicht das beeindruckendste Beispiel der heimischen Vogelwelt: Hier überreicht das Männchen dem Weibchen ein Brautgeschenk in Form eines kleinen Fischchens. Sandregenpfeifer hingegen drücken mit ihren Bäuchen kleine Mulden in den Boden, ganz ähnlich wie es beim Anlegen einer Nestmulde am Strand geschieht. Und andere wiederum beweisen durch ausdauernde Singflüge, ein vielfältiges Gesangsrepertoire oder durch ein besonders prächtiges Gefieder, wie fit sie sind. Brandgänse treiben es sogar noch weiter: Sie stellen sich in Gruppenbalzen dem direkten Vergleich mit ihren Kontrahent*innen. Dabei finden sich mehrere Männchen und Weibchen zusammen, um auszuhandeln wer mit wem zur Brut schreitet. Unliebsame Teilnehmer*innen können beispielsweise mit einem kreisenden Auf- und Absenken des Kopfes in ihre Schranken gewiesen werden.

Und auch wenn die Vorbereitungen schon auf Hochtouren laufen, haben auf Trischen beim Brutgeschäft bisher vor allem die Graugänse ernst gemacht. Bei der Springtidenzählung bin ich schon über das ein oder andere Nest gestolpert. Dieses wird auf Trischen meist in den höheren Lagen der Salzwiese bzw. der Dünen gut versteckt in der Vegetation angelegt. Nach meinem Geschmack allzu oft in unmittelbarer Nähe zu den Großmöwen, die ebenfalls die hohen Dünen als Sitzplatz bevorzugen.

 

Also Daumen drücken, dass auch die Graugänse gutes Durchhaltevermögen bei der Verteidigung ihrer Nester (und später Küken) beweisen!

Ihre Melanie Theel

 

 

Tierspuren

Liebe LeserInnen,

die Insel Trischen ist für die Vogelwelt ein ganz besonderer Ort. Zum einen finden sie hier einen bunten Mix an Habitaten, das heißt Lebensräumen, vor. Der Strand mit den Dünen, die oberen dichter gewachsenen Salzwiesen und die unteren eher lockerwüchsigen Salzwiesen. Diese Bereiche bieten ihnen optimale Bedingungen zur Brut oder zur Rast. Die Salzwiesen sind voller Insekten und Raupen. Daneben ist Trischen von reichhaltigen Wattflächen umgeben. Zweimal am Tag fallen diese trocken und eröffnen damit das große Buffet für die Vögel mit Muscheln, Kebsen, Schnecken und Würmern. In den Prielen, den Wasserläufen, die auch bei Ebbe noch die Insel umspülen schwimmen Krabben und Fische.

Neben all dem Reichtum an Lebensräumen und Nahrung ist für die Vögel auch die Insellage entscheidend. Es gibt hier nämlich keine Säugetiere (abgesehen von Fledermäusen, die hier vorbeifliegen), welche den am Boden brütenden Vögeln gefährlich werden könnten. Die Prädation durch Säugetiere wie Fuchs, Marderhund, Iltis oder Ratten stellt am Festland mittlerweile die größte Gefahr für Bodenbrüter dar. Ein großes Problem, welches nur schwer zu beheben ist. Inseln sind damit besonders wichtig geworden. Denn hier sind die Bodennester sicher.

Warum erzähle ich das alles?

Ich habe vor wenigen Tagen Trittsiegel von einem hundeartigen Säugetier am Strand entdeckt. Zuerst dachte ich die Spuren wären von einer großen Möwe gewesen, die auch manchmal so ähnlich Abdrücke im Sand hinterlassen, wenn sie sich zum Flug abstoßen. Aber als ich noch mehr Spuren fand war ich mir sicher, hier ist ein Säugetier gelaufen. Ich gestehe, ich war im ersten Moment ganz erschrocken. Ein befreundeter Biologe und Jäger hat sich meine Fotos angesehen und tippt auf Marderhund oder eventuell auch Fuchs. Er war wie ich erstaunt, dass das Tier so weit übers Watt rausgelaufen und dann ja noch ein gutes Stück geschwommen ist.

Im Jahr 2019 hat meine Vorgängerin zwei frisch tote Marderhunde am Strand gefunden. Und nun einer der aber noch lebt – oder lebte? Das weiß ich nicht genau. Einige Tage nach dem Spurenfund gab es weiter nördlich noch einmal Spuren – seitdem habe ich aber nichts mehr gesehen.

Ich bin jedenfalls sehr froh, dass die Brutzeit vorbei ist und alle Küken schon gut fliegen können. Mal sehen, ob ich noch einmal Spuren oder sogar das Tier selbst finden werde?