Einmal Horchen bitte!
Liebe Blog-Folger*Innen,
mit dem Frühling ist auf Trischen eine andere Geräuschkulisse angekommen. Die Rotschenkel, die sonst das Gros der Gesangskünstler vor der Hütte dargestellt haben, werden gerade zur Mittagszeit von den Seeschwalben und den Lachmöwen übertönt. Während die Lachmöwen sich in der Salzwiese vor der Hütte niedergelassen haben, düsen die Seeschwalben wie wild umher, transportieren Fischchen oder unternehmen Balzflüge.
Nun gäbe es jede Menge toller Dinge über die Seeschwalben zu berichten, beispielsweise dass die Küstenseeschwalbe die Vogelart mit dem längsten Zugweg ist; aber vielleicht wissen sie das alles schon. Daher möchte ich heute noch ein bisschen bei der Geräuschkulisse bleiben.
Vogelstimmen sind ungemein faszinierend. Jede Art hat ihre eigenen Rufe und Gesänge. Dies kann bei der Bestimmung von schwer differenzierbaren Arten und bei Erfassungen helfen. Wenn der Wiesenpieper vor mir in der Salzwiese beispielsweise nicht „ist“en würde, würde ich ihn vermutlich übersehen. Und auch wenn Fitis und Zilpzalp sich sehr ähnlich sehen, können sie gut durch ihren Gesang unterschieden werden. Etwas verkompliziert wird das Ganze dadurch, dass die Bandbreite der Rufe und Gesänge durchaus beachtlich sein kann. Die Kohlmeise ist ein perfektes Beispiel. Haben sie mal darauf geachtet, wie groß das Rufrepertoire der Kohlmeisen in ihrem Garten ist? Bei vielen Arten gibt es Rufe für verschiedene Gelegenheiten. So kann man beispielsweise bei Amseln zwischen Warnrufen bei Luft- oder Bodengefahren differenzieren. Aber auch die Rufe der Jungvögel („Bettelrufe“) oder die Rufe von Männchen und Weibchen können je nach Vogelart unterschiedlich sein. Richtig spannend wird es bei den Imitatoren. Sumpfrohrsänger oder Stare bauen beispielsweise gezielt Gesänge anderer Arten ein, was das Bestimmen deutlich verkompliziert.
Auf Trischen bin ich quasi rund um die Uhr am Horchen, bei der Brutvogelkartierung, der Zugplanbeobachtung oder in der Mittagspause. Jeder „Pieps“ kann Aufschluss geben, wer da gerade über mich hinwegfliegt. Zumindest in der Theorie. Manchmal sagen sie auch einfach nichts!
Ich beschäftige mich aber noch auf andere Weise mit der Akustik. In windstillen Nächten stelle ich häufig einen Rekorder hinaus, der die ganze Nacht über Aufnahmen macht. Einfach weil ich neugierig bin, wer hier nachts so über die Insel zieht. Verstärkt wird das Signal mittels Parabolspiegel, der quasi wie eine Satellitenschüssel aussieht. Am nächsten Tag werte ich die Aufnahmen aus. Damit ich dann aber nicht die ganze Nacht durchhören muss (was mehrere Stunden in Anspruch nehmen würde), arbeite ich mit einem speziellen Programm das Sonagramme erzeugt. Hier werden die Rufe sozusagen verbildlicht und in ihren Frequenzbereichen angezeigt. Das heißt jede Art erzeugt ein anders Rufmuster.
Nachtaufnahmen können quasi überall aufgenommen werden; so wurden auch schon über Großstädten ziehende Mornellregenpfeifer und Triele gemeldet. Ich wollte die städtischen Umgebungsgeräusche umgehen und habe mich zum Erstversuch für Trischen entschieden. Eigentlich hatte ich dies für besonders schlau gehalten, in meiner Rechnung aber die hohe Rufbereitschaft von Rotschenkel und Austernfischer nicht berücksichtigt. Nun klicke ich mich in den Sonagrammen nicht durch Aufnahmen von Autolärm, sondern durch Rotschenkel- und Austernfischerrufe. Aber: es gibt wirklich schlimmeres!
Ihre Vogelwartin 2023