2024 Beiträge

Vogelwärterfreunde

Moin liebe Blogleser:innen,

Trischen ist nicht der einzige Außenposten in der Nordsee mit Vogelwart oder Vogelwartin. Auf einigen Inseln und Halligen in den drei deutschen Wattenmeer Nationalparks haben eine Handvoll Personen das Glück, zwischen unseren gefiederten Freunden leben und arbeiten zu dürfen. Manchmal sind sie etwas näher an der Zivilisation und weniger einsam, manchmal sind sie für kürzere Zeitfenster im Einsatz und manchmal auch gleich mit mehreren Personen gleichzeitig. Ihre Situation ist insgesamt aber doch sehr ähnlich wir hier bei mir. Einen dieser Kolleg:innen durfte ich während meiner Inselzeit kennenlernen.

Wenn ich über das Wattenmeer nach Südwesten schaue, kann ich meist problemlos die Insel Neuwerk sehen. Sie liegt auf der anderen Seite der Elbe und im Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer. Und wenn ich mit dem Spektiv etwas weiter nach Norden schwenke und genau hinsehe, erkenne ich einen dünnen Streifen von Sand und Vegetation, eine weitere Insel: Das ist Scharhörn. Auch dort sind Vögel streng geschützt. Auch dort steht eine Hütte. Und auch dort darf ein Vogelwart für sieben Monate ein Inselleben führen. Ende April schrieb mir eine Freundin folgende Nachricht: „Ist es okay wenn ich deine Nummer an einen Vogelwart da bei dir in der Ecke weiter geb? Der hat grad nen ganz seltenen Vogel gefunden und will dich irgendwas fragen“. Seltene Vögel finde ich natürlich spannend und andere Vogelwarte auch, also habe ich selbstverständlich zugesagt und wenig später hatte ich Kontakt zu Kilian. Kilian war nach der Schule als Freiwilliger bei der Schutzstation Wattenmeer im Einsatz und hat hier seine Liebe zur Nordsee und zu den Vögeln entdeckt, genau wie ich. Und nun ist er auf Scharhörn, arbeitet als Vogelwart und dreht nebenbei einen Film über die Insel. Seit der ersten Nachricht ist der Kontakt immer mehr geworden, wir tauschen uns mittlerweile täglich dazu aus, was hier auf unseren Inseln passiert, welche Vögel da sind und wie das Eremitenleben läuft. Aktuell zählen wir beide in den ersten Stunden des Tages die Zugvögel und ich kann mich eigentlich immer darauf verlassen, dass, wenn ich zu Sonnenaufgang mit Kaffee und Fernglas in der Hand an der Hütte sitze, Kilian das gleiche tut und von seinen Beobachtungen berichtet. Häufig zeigt sich uns ein sehr ähnliches Bild, die gleichen Arten ziehen über unsere Inseln und teilweise haben wir auch schon die gleichen Vögel gesehen, erst waren sie auf Scharhörn, wenig später dann auf Trischen.

Für mich ist der Kontakt zu meiner Nachbarinsel sehr wertvoll. Wenige Menschen führen ein Leben wie ich es gerade tue, wenige Menschen dürfen mitten im Nationalpark Wattenmeer leben und sehen jeden Tag diese beeindruckende Landschaft mit ihren Wetterspektakeln und den tausenden Zugvögeln. Mir fällt es oft schwer zu beschreiben, wie es ist hier zu sein, umgeben von dieser außergewöhnlichen Situation. Die schönsten Bilder, die ich hier gesehen habe und die Gefühle, die sie ausgelöst haben, sind nur schwer zu vermitteln, die Stimmung der Momente mit der Kamera einzufangen, war immer unmöglich. Und direkt teilen kann ich diese Momente meist mit niemandem. Von Kilian denke ich, dass er versteht was ich hier erlebe, weil er da drüben ganz Ähnliches erlebt. Das ist ein schönes Gefühl, so verbunden zu sein, obwohl uns 18 Kilometer Watt und Wasser trennen. So ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis hatte ich noch nie, das ist schon absurd. Und auch wenn wir nicht wirklich zusammenarbeiten, für zwei unterschiedliche Vereine tätig sind und uns nicht einmal im selben Nationalpark befinden, ist er ein geschätzter Kollege für mich. Und das alles, obwohl wir uns noch nie persönlich gesehen haben.

Kilians Blick auf Trischen

Wobei das nicht ganz richtig ist: Vor wenigen Wochen hatten wir morgens sehr klare Sicht. Ich habe meine Taschenlampe gezückt, Kilian sein Handylicht und wir haben uns ein paar Lichtzeichen über die Elbe geschickt, auf dem Foto gut zu sehen. Die Umrisse des Nachbarn an seiner jeweiligen Hütte konnten wir ganz leicht erahnen. Ich hoffe, dass es nicht bei dieser Sichtung bleibt, und dass ich meinen Vogelwartfreund nach meiner Abreise von Trischen dann doch auch mal von nahem sehen und sprechen kann.

Viele Grüße,

Jakob

Trischen international Teil 3

Moin liebe Blogleser:innen,

heute berichte ich mal wieder von den Vogelringen hier auf der Insel. Mit dem Herbstzug kommen viele Gäste unterschiedlichster Arten zu mir auf die Insel, ihre Ringe erzählen weiterhin spannende Geschichten. Seit Ende Juli verbringe ich fast jeden Tag ein paar Stunden damit, rund um das Hochwasser den Strand entlangzupirschen und je nach Bedingungen verschiedene Arten abzulesen. Zu Beginn waren das die Zwergseeschwalben, von denen ich ja schon berichtet hatte. Dann folgte eine Zeit, in der ich mich vor allem auf Limikolen konzentriert habe und aktuell habe ich es auf Lachmöwen und Austernfischer abgesehen. Bei mittlerweile 19 Arten konnte ich Codes entziffern und Punkte im Lebenslauf der Vögel hinzufügen. Darunter Pfuhlschnepfen aus Mauretanien und Polen, Lachmöwen aus Deutschland, Polen, Dänemark, England, Lettland, den Niederlanden und Kroatien, Alpenstrandläufer aus Ungarn, Polen, Spanien, Wales, der Ukraine und den Niederlanden, sowie vieles Spannendes mehr. Besonders der Herbstzug zeigt mir wieder, wie international es hier zugeht und welche Bedeutung das Wattenmeer und auch Trischen im Speziellen für den Vogelzug hat.

Die Zwergseeschwalben sind mittlerweile größtenteils abgezogen, von den zeitweise an die 700 Vögeln sind noch zwei anwesend. Drei Wochen habe ich damit verbracht mich heranzuschleichen, nach beringten Individuuen zu suchen, zu versuchen, ihre Codes zu erkennen und Fotos der Ringe zu machen. Am Ende sind Beobachtungen von 78 Individuen zusammengekommen, ein kleiner Schatz an Daten für die Zwergseeschwalbenforschung. Acht meiner Vögel kamen aus verschiedenen Teilen Dänemarks, zwölf waren hier aus Deutschland, zwei aus den Niederlanden und zwei aus Litauen, ein Vogel kam aus England und 48 aus Polen, zum größten Teil von der Weichsel. Einer der Vögel wurde auf dem Zug in Portugal beringt und zwei Individuen bei der Überwinterung im Senegal. Meine älteste Zwergseeschwalbe wurde 2006 bei Lensterstrand an der Ostsee beringt. Einige meiner Vögel wurden nach ihrem Abzug hier auf Trischen wiederentdeckt, vor allem in den Niederlanden. Ein Vogel ist aber auch zurück an die Ostsee, nach Usedom, geflogen. Gleich bei meiner ersten Beobachtung der Zwergseeschwalbe im April hier auf der Insel ist sie zu meiner liebsten Trischen-Art geworden. Das kleine Ring-Projekt war bisher die schönste Arbeit hier für mich. Die hübschen, kleinen Seeschwalben werden mir fehlen.

Zwergseeschwalbe ZPK

Vor etwa zwei Wochen hatten wir eine sehr beeindruckende Sturmflut hier an der Küste, der Wasserstand auf Trischen lag bei 1,60 m über Normal und es haben nur noch die höchsten Punkte der Dünen und die Hütte aus dem Wasser geguckt. Nordwestlich von Trischen liegt der D-Steert, ein großer Außensand, der tausenden Zugvögeln einen sicheren Hochwasserrastplatz bietet – normalerweise. Während ich mich an der Hütte postiert hatte, und auf den Höhepunkt der Flut gewartet habe, konnte ich irgendwann ein riesiges Band von wabernden Limikolen ausmachen, das sich aus Richtung Norden den Strand entlang an Trischens Südspitze bewegte. Dieses Band war mehrere Kilometer lang und ein nicht enden wollender Strom von Watvögeln kämpfte sich gegen den Sturm vom abgesoffenen D-Steert zur nun sichereren Insel Trischen. Während des Hochwassers hätte ich gerne aufs Meer hinausgeblickt, um möglicherweise Hochseevögel zu sichten. Das war aber nicht möglich, da stundenlang ein Vorhang aus Limikolen über der Insel stand. Ein unbeschreibliches Erlebnis, das ich niemals vergessen werde. Als das Wasser wieder abgelaufen war, war die Zeit für Ringablesungen gekommen. Und auch hier sind wieder schöne Geschichten ans Licht gekommen. Ich konnte mehrere Knutts ablesen, zwei von ihnen wurden in Mauretanien beringt, zwei in den Niederlanden. Beim Blick auf die Lebensläufe zeigte sich, dass auch diese Vögel Menschen verbinden: Die beiden Knutts aus Mauretanien wurden dort unter anderem von Benjamin Gnep – Trischenwart 2014 – und Jonas Kotlarz – Trischenwart 2018 – abgelesen. Und einen der niederländischen Knutts haben bisher nur Ben und ich beobachtet, er allerdings auch in den Niederlanden. Das ist schon ein besonderes Gefühl, den gleichen Vogel wie meine Vorgänger gesehen zu haben, allerdings an einem ganz anderen Ort.

Ein farbberingter Knutt mit seinen Kollegen

Es bleiben mir noch wenige Wochen, um weiter nach den bunten Ringen zu suchen. Vergleichbare tolle Bedingungen für diese Art der Forschung werde ich so schnell nicht wieder haben. Ich bin gespannt, welche Vögel hier während meiner letzten Etappe noch vorbeischauen.

Viele Grüße

Jakob

Vom Warten

Moin liebe Blogleser:innen,

irgendwie steckt es ja schon im Namen: Als Vogelwart wartet man recht viel. Viel Zeit verbringe ich mit dieser Tätigkeit, oder vielmehr diesem Zustand. Das können kleine Dinge sein wie das Warten darauf, dass die tägliche Flut kommt, oder dass ein Regenschauer endet. Das kann aber auch Größeres sein wie die Lieferung von wichtigen Dingen, oder dass ein Sturm vorbei zieht, dass die Schleuse wieder aufmacht und Axel übersetzen kann. Manchmal warte ich auf besseres Wetter, um bestimmte Arbeiten zu verrichten oder auch, um einfach mal wieder duschen zu können. Es gibt das Warten auf den Vogelzug. Und das Warten darauf, an Tausenden Vogelbeinen mal einen bunten Ring zu entdecken. Das Warten, irgendwann Familie und Freund:innen wiederzusehen. Eigentlich habe ich bereits gewartet, als ich noch gar nicht auf der Insel war. Das war das Warten darauf, endlich nach Trischen zu fahren und loszulegen. Und seit ein paar Tagen verbringe ich die ersten Stunden des Tages mit Warten. Zu Sonnenaufgang sitze ich an der Hütte, den Blick nach Norden gerichtet und warte auf nach Süden ziehende Vögel, um sie systematisch zu erfassen.

Die morgendliche Zugplanbeobachtung

Letztes Wochenende wurde meine Geduld mehrfach auf die Probe gestellt. Zunächst musste ich feststellen, dass das Datenvolumen meines Internetsticks aufgebraucht war. Ich hatte zu große Mengen an Fotos zu den abgelesenen Vögeln versendet und saß erstmal auf dem Trockenen. Nach Gesprächen mit den Kolleg:innen vom NABU in Neumünster konnte ich neues Guthaben buchen. Manche Arbeiten blieben dadurch liegen und auch ihr musstet warten, denn den Blog konnte ich nicht bespielen. Jetzt läuft es wieder. Dann habe ich irgendwann gemerkt, dass der Kühlschrank nicht funktioniert. Also hieß es warten, dass Axel mir einen neuen liefert, bzw. dass ich mit jemandem mit etwas Expertise sprechen kann. In dem Fall war es Axels Sohn, der Elektriker ist. Nach drei Tagen ohne Kühlschrank konnte ich den alten wieder zum Laufen bringen. Und am gleichen Tag habe ich noch bemerkt, dass die Hüttentür nicht mehr schließt. In der letzten Woche waren Handwerker hier, um einige Reparaturen an der Hütte durchzuführen. Wie es scheint, hat sich dabei etwas am Boden verzogen und die Tür setzt nun auf. Jetzt muss ich auf Werkzeug warten um die Tür zu reparieren. Zum Glück regnet es gerade nicht aus dem Osten.

Teil des Kücheninventars

Ich würde mich an sich als eher ungeduldigen Menschen einschätzen. Hier draußen habe ich in den letzten Monaten gelernt, geduldiger zu sein. Auf die meisten Dinge, auf die ich hier warte, habe ich keinen Einfluss. So bin ich zwar in manchen Dingen eingeschränkt, doch mit diesen Einschränkungen kommt auch viel Freiheit. Entscheidungen, bzw. Einflussnahme wird mir abgenommen und ich kann nichts tun, außer abzuwarten. Dass sich das Wetter bessert, dass die Vögel sich zeigen, dass Axel zu Besuch kommt. Und irgendwie geht das Warten dann auch immer wieder vorbei. Ich werde belohnt mit einer tollen Beobachtung, mit frischem Essen, mit Sonnenschein, gefundenen Vogelringen und im Herbst dann damit, meine Liebsten wiederzusehen. Und so lege ich mich in die Düne, setze mich auf meine Bank an der Hütte, drehe mir eine Zigarette, lausche dem Meer und den Vögeln und genieße das Warten.

Viele Grüße

Jakob

Robinson Crusoe, die Schatzinsel und weiteres Freizeitprogramm

Liebe Blogleser:innen,

heute geht es ausnahmsweise mal nicht um die Natur, sondern um Kultur. So schön und spannend es hier auch ist, ab und zu bin ich mit den Gedanken auch gerne mal woanders und irgendwie wollen die Abende gefüllt werden. Ich bin ja die meiste Zeit alleine hier, das Feierabendprogramm ist also etwas eingeschränkt. Mein Datenvolumen für das Internet ist gedeckelt, Kochen füllt keine kompletten Abende, und jeden Tag stundenlang telefonieren ist ein bisschen viel. Zum Glück gibt es Bücher und davon einige über Inseln und das Meer. Und so habe ich mir eine kleine Bibliothek angelegt und verbringe die Freizeit oft damit, in meiner Koje zu liegen und in Gedanken zu anderen Inseln und auf das Meer zu reisen.

Als Einstimmung auf die Zeit hier habe ich „Und an den Rändern nagt das Meer“ von meiner Vorgängerin Anne de Walmont gelesen. Anne war 2019 hier und hat über ihre Zeit ein Buch geschrieben. Man bekommt einen guten Eindruck über das Leben als Vogelwärter:in und die Insel Trischen. Das Buch hat mir sehr geholfen, eine Vorstellung zu bekommen, was mich hier erwartet.

Ein Buch über Trischen auf Trischen

„Zur See“ von Dörte Hansen spielt auf einer Nordseeinsel und handelt von einer alteingesessenen Familie. Der Vater lebt und arbeitet für 20 Jahre zurückgezogen als Vogelwart, das klang für mich sehr nach Peter Todt, Vogelwärterlegende von Trischen. Ein wirklich schönes und spannendes Bucht! Natürlich musste ich auch „Robinson Crusoe“ von Daniel Defoe lesen. Ein absoluter Eremiten-Klassiker! Robinson strandet auf einer Insel im Mündungsgebiet vom Orinoco und kämpft sich dort einige Jahre durch. Oft werde ich von Außen mit Robinson verglichen, der Vergleich hinkt aber ziemlich, ganz so hart wie damals ist es hier dann doch nicht. Das Buch hat mir aber großen Spaß gemacht.

„Vogelweide“ von Uwe Timm habe ich auch gelesen. Der Protagonist Eschenbach entflieht seinem in den Sand gesetzten Leben auf die Insel Scharhörn (meine Nachbarinsel), um dort als Vogelwart zu arbeiten – hier holt ihn seine Vergangenheit ein. Ich fand die Charaktere recht unsympatisch und das Buch ehrlich gesagt nicht besonders spannend, es ging auch wenig um die Insel Scharhörn und die Arbeit als Vogelwart. Was mich dann aber wieder sehr begeistert hat war „Das Rätsel der Sandband“ von Erskine Childers, der wohl erste Spionageroman der Welt. Zwei junge Engländer erkunden das Wattenmeer auf einem kleinen Segelboot und sammeln Informationen zu einem sich anbahnenden Krieg mit Deutschland. Wirklich spannend und toll geschrieben!

Lesen mit bester Aussicht

Aktuell lese ich „Die Schatzinsel“ von Robert Louis Stevenson, ein weiterer Klassiker. In meinem Regal stehen noch „Moby-Dick“ von Herman Melville, „Die roten Matrosen“ von Klaus Kordon, „Lucas“ von Kevin Brooks und „Kruso“ von Lutz Seiler. Wenn euch noch weitere Insel- oder Meeresklassiker einfallen, schreibt es mir doch gerne in mein Gästebuch. Und vielleicht findet ihr ja auch etwas in meiner Auswahl für eure nächste Reise auf eine Insel oder an die Küste.

Die besten Grüße

Jakob

Zwergenauflauf

Liebe Blogleser:innen,

wie ich hier bereits berichtet habe, hat die Anzahl der Zwergseeschwalben auf Trischen nach der Kükenflut Anfang Juni deutlich zugenommen. Auf der Insel brüten etwa 80 Vögel, nach dem Hochwasser waren es dann doppelt so viele. Anfang Juli waren dann für einige Tage mehr als 100 Trauerseeschwalben auf der Insel, darunter auch bis zu drei Weißflügelseeschwalben. Und wenige Tage später haben dann auch die hier rastenden Brandseeschwalben die Hunderter-Marke geknackt. Von den Zwergseeschwalben halten sich mittlerweile mehr als 650 Vögel hier am Strand auf, eine ungewöhnlich hohe Zahl. Mein Kollege Kilian, der Vogelwart von Schahörn, berichtet gerade von 500 bei ihm anwesenden Trauerseeschwalben. Irgendetwas geht hier gerade vor sich, vermutlich hat es mit einer guten Nahrungsverfügbarkeit zu tun: Es könnten Massen von Stint und Hering sein, die aus der Elbe strömen.

Wie ja hier im Blog schon deutlich geworden ist, begeistert mich das Ablesen von Vogelringen sehr und der Schwarm der Zwergseeschwalben ist eine wahre Goldgrube. Leider sind die Vögel extrem scheu und unruhig, in den letzten Tagen habe ich aber Wege gefunden, mich nah an sie heranzuschleichen und ich konnte mit dem Ablesen beginnen. Der Anteil an beringten Vögeln ist wirklich beeindruckend, rote, grüne und weiße Ringe an gefühlt jedem zwanzigsten Bein. Aktuell bin ich bei fast 20 abgelesenen Individuen. Einer der Vögel kommt aus den Niederlanden, genauer gesagt von der Insel Vlieland am anderen Ende vom Wattenmeer, der Großteil kommt aus Polen und vier der Vögel stammen aus dem Naturschutzgebiet Bottsand an der Kieler Außenföhrde. Ich bin nun in engem Kontakt mit den Kollegen aus Dänemark und Schleswig-Holstein, die die Zwergseeschwalben beringen. Die Summe der hier anwesenden Vögel ist eine gute Gelegenheit, um mehr über die Art herauszufinden. Meine Vögel stammen scheinbar größtenteils von der Ostsee, sie scheinen Schleswig-Holstein über die Schlei und dann die Trene-Sorge Niederung zu überqueren und dann hier zu landen. Die Zwergseeschwalben aus allen Teilen Dänemarks hingegen halten sich gerade eher weiter nördlich auf, beispielsweise auf Rømø. Ablesungen von Zwergseeschalben hier in Dithmarschen sind bisher recht rar, es motiviert mich sehr, hier einen Beitrag zur Forschung leisten zu können. Die Stunden um Hochwasser verbringe ich gerade immer damit, über den Strand zu schleichen oder in der Düne zu hocken, um so nah wie möglich an die kleinen Seeschwalben heranzukommen und immer mehr Ringe abzulesen.

Zwergseeschwalbe YE5 vom NSG Bottsand

Dabei gab es auch schon guten Beifang. Sechs abgelesene Alpenstrandläufer und ein Steinwälzer, farbberingte Sichelstrandläufer und Knutts und einfach herrliche Szenen von großen Massen an Limikolen auf dem Strand. Der Herbstzug bahnt sich an und mit ihm meine Vorfreude auf tolle Beobachtungen. Unter den am Strand rastenden Vögeln konnte ich auch zwei Seltenheiten ausmachen. Gestern saß direkt vor der Hütte am Strand zwischen den Alpenstrandläufern ein Sumpfläufer, eine seltene Limikole aus Skandinavien. Und vorgestern sah ich das absolute Highlight und meine bisher wohl seltenste Art hier auf Trischen: einen Terekwasserläufer! Er zeigte sich für ca. fünf Minuten unter tausenden rastenden Vögeln und flog dann ab.

Terekwasserläufer

Auch wenn gerade vom Wetter her erst der Sommer kommt, ich bin bereit für den Herbst mit seinen tausenden Gästen!

Viele Grüße

Jakob