NABU-GAP-Ticker: Zurück in die Vergangenheit – erster Berichtsentwurf zu GAP Strategieplänen im Europäischen Parlament

31. Oktober 2018. Nachdem die Landwirtschaftsminister der Mitgliedstaaten im Agrarrat bereits seit mehreren Monaten an den Vorschlägen der Kommission für die neue GAP arbeiten, ist nun auch im Europäischen Parlament endgültig der Startschuss gefallen, für die inhaltliche Arbeit. In einem bisher noch unveröffentlichten Dokument, welches letzte Woche in der Brüsseler Blase durchgesickert ist, stellt die zuständige Berichterstatterin Esther Herranz Garcia (ES, EVP) ihre Änderungsvorschläge für das wichtigste Regelwerk der neuen GAP dar (zu den Rollen und wichtigsten Playern im EP, siehe hier). Die Agarminister hatten bereits mehrfach die Axt an die ohnehin unzureichenden grünen Elemente im Kommissionsvorschlag angelegt. Der Bericht von Frau Herranz Garcia schlägt nun in die gleiche Kerbe. In mehr als 400 Einzelpunkten macht die spanische Abgeordnete aus Logroño ihren Kollegen im Agrarausschuss erste Vorschläge, was aus Ihrer Sicht am Vorschlag von Phil Hogan geändert werden muss. Die restlichen Abgeordneten im Ausschuss haben nun bis zum 3. Dezember Zeit eigene Vorschläge hinzufügen, über welche dann voraussichtlich im Februar zum ersten Mal abgestimmt wird.

Zwei Schritte zurück, keiner nach vorne für die Umwelt

Viele Ideen, die sich in dem Bericht wiederfinden, sind aus Umweltsicht höchst problematisch. Bei der sog. erweiterten Konditionalität (siehe auch hier) werden nun zusätzliche Ausnahmen bei der Anwendung und eine Einschränkung des Umfangs der enthaltenen Umweltelemente vorgeschlagen. Etwa bei den Ökologischen Vorrangflächen (ÖVF) möchte die Berichterstatterin immerhin einen Flächenanteil von 5% vorschreiben, allerdings auch wieder Proteinpflanzen als zulässige Maßnahmen einführen, was im Hogan Vorschlag nicht vorgesehen ist. Bereits bei der letzten Reform war gerade diese Option jedoch maßgeblich ein Grund, warum das Greening in Bezug auf den Schutz der Biodiversität gescheitert ist.

Das Verbot des Grünlandumbruches in Natura 2000 Gebieten soll zudem nur noch auf ökologisch sensiblen Bereichen gelten, allerdings bietet Garcia‘s Bericht keine Definition dieser „sensiblen Gebiete“. Zunächst sollte jede Grünlandfläche, welche einem Natura 2000 Gebiet zugewiesen wurde, als schützenswert angesehen werden und diese vage Formulierung würde einem Missbrauch die Tür weit öffnen. Die europäische Umweltgesetzgebung wird so durch die Hintertür ausgehebelt und der Naturschutz hat das Nachsehen. Auch die Möglichkeit die Regeln der Konditionalität durch äquivalente, von den Mitgliedstaaten zertifizierte Maßnahmen zu ersetzen, wurde wieder vorgebracht. Beim Greening hatte dieses Schlupfloch ebenfalls stark zur Aushöhung der Umweltregeln beigetragen, indem ökologisch unsinnige Maßnahmen durch die Mitgliedstaaten zertifiziert und als „grün“ definiert wurden.

Für die Eco-Schemes in der 1. Säule ist weiterhin keine Zweckbindung von Geldern vorgesehen, obwohl diese nötig wäre, damit diese von den Mitgliedstaaten wirklich angenommen werden. Die Mitgliedstaaten sollen nach Garcias Auffassung stattdessen gezwungen mindestens 70% ihres Budgets in der 1. Säule für die bisherigen Direktzahlungen aufzuwenden. Das widerspricht zum einen der Grundidee von Phil Hogan, Gelder nach einer eingehenden Bedarfsanalyse nur noch dort auszugeben, wo sie am dringendsten gebraucht werden. Zum anderen wird so der finanzielle Spielraum für den Umweltschutz massiv einschränken. Die restlichen 30% müssten darüber hinaus auch nicht verpflichtend für die Eco-Schemes eingesetzt werden und können in andere Maßnahmen fließen, welche z.T. wiederum ein eigenes Mindestbudget haben (wie etwa die Förderung von Junglandwirten).

Ein positives Element des Kommissionsvorschlages ist, dass Zahlungen für Landwirte in sog. benachteiligten Gebieten nicht mehr automatisch aus dem fixen Budget für Umweltmaßnahmen in der 2. Säule bezahlt werden können. Momentan ist dies noch der Fall, wobei diese Zahlungen bislang an keine Verpflichtungen der Landwirte zu mehr Umweltschutz gebunden sind. Für die Umwelt hatten sie deshalb sie deshalb allenfalls nur eine indirekte positive Wirkung, da sie in manchen Gebieten die Aufgabe von extensiv genutzten Flächen verhinderten. Vom ihren Charakter her handelt es sich aber vor allem um eine weitere Form der Einkommensunterstützung und als Umweltmaßnahme sind sie zu wenig zielgerichtet und wenig effizient. Die Entscheidung der Kommission ist deshalb fachlich stimmig. Im Bericht von Frau Herranz Garcia soll diese nun wieder rückgängig gemacht werden, was die ohnehin schon unzureichenden Mittel in der kleiner werdenden 2. Säule für einen echten Umwelt- und Naturschutz noch weiter einschränkt. Auch die Möglichkeit  für Mitgliedstaaten, zusätzliche 15% der 1. in die 2. Säule der GAP für Umweltmaßnahmen zu transferieren, soll gestrichen werden, da dies aus Sicht der Berichterstatterin als zu „exzessiv“ anzusehen ist.

Zurück in die Vergangenheit

Es scheint fast so als würden die ewig Gestrigen, die Ihre Augen vor der voranschreitenden ökologischen Katastrophe in der Landwirtschaft fest verschließen wollen, auch im Parlament das Zepter weiter in der Hand halten. Die wissenschaftliche Faktenlage ist erdrückend und zeigt zum einen den enormen Handlungsdruck und zum anderen dass die bisherigen Direktzahlungen weder als Umweltpolitik funktionieren noch die Landwirtschaft nachhaltig unterstützen. Noch bleibt Zeit für die progressiven Kräfte sowohl im Agrar- als auch im parallel arbeitenden Umweltausschuss, um das Rad in Richtung einer zukunftsweisenden Politik zu drehen. Offiziell wird der Bericht von Frau Garcia am 21. November im Ausschuss vorgestellt. Danach haben die Abgeordneten die Möglichkeit daran weiter zu arbeiten und für die Biodiversität und für den Klimaschutz in Europa bleibt zu hoffen, dass sie diese Chance nutzen. Andernfalls sind die knapp 60 Mrd. Euro im Jahr für die GAP nicht mehr zu rechtfertigen.

(Aktualisierung 16.11.2018) – Die deutsche Version des Berichts kann hier heruntergeladen werden.

 

Der NABU-GAP-Ticker

Was steht auf dem Spiel für Insekten, Bauernhöfe und unsere ländlichen Räume? Was sagt Julia Klöckner in Brüssel? Wie stimmen unsere Abgeordneten ab? Was passiert hinter den Kullissen? Im NABU-GAP-Ticker informieren wir über die Verhandlungen zur künftigen EU-Agrarpolitik – denn wir meinen, die Zeit der Hinterzimmerdeals ist vorbei. Es geht um viel – und die Öffentlichkeit hat ein Recht zu wissen, wie der Milliardenpoker um die Gemeinsame Agrarpolitik der EU abläuft. Abonnieren Sie diesen Blog um auf dem Laufenden zu bleiben, stellen Sie Fragen und diskutieren Sie mit uns über die Kommentarfunktion. Hintergrundinfos auf www.NABU.de/agrarreform2021. Folgen Sie uns auch auf Twitter: @NABU_biodiv#FutureOfCAP

Titefoto: Europäische Union 2013

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