NABU-GAP-Ticker: Blockiert die Bundesregierung die Ziele des Green Deal?

24.03.2021: Der Green Deal der EU wurde vor über einem Jahr als großes Versprechen und Europas „Man on the moon moment“ angekündigt. Nun scheint die Bundesregierung den Start der Rakete in Deutschland zu verhindern. Eine Studie des Instituts für Agrarökologie und Biodiversität (IFAB) belegt, dass die geplante Umsetzung der EU-Agrarpolitik in Deutschland mit den Zielen des Green Deal nicht vereinbar ist. Die Pläne von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner und den Agrarminister*innen der Bundesländer sind ambitionslos und dienen lediglich dem Erhalt des Status Quo in der Landwirtschaft. Die Studie des IFAB zeigt auf, wie eine umweltgerechte und nachhaltige Verteilung der GAP-Milliarden im Einklang mit dem Green Deal in der Landwirtschaftspolitik aussehen könnte.

Ursprünglich war der Green Deal mit der Farm-to-Fork-Strategie und der EU-Biodiversitätsstrategie, Teil einer breit angelegten Wachstumsstrategie um die europäische Gesellschaften nachhaltiger zu gestalten, die Biodiversität wiederherzustellen und ein umweltfreundliches Lebensmittelsystem zu schaffen. Die IFAB-Studie bezieht sich dabei auf folgende Green Deal- Ziele, die dem Erhalt der Biodiversität dienen:

Ziel 1. Mindestens 10 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen sollen Landschaftselemente mit großer biologischer Vielfalt aufweisen.

Ziel 2. Das Risiko und der Einsatz chemischer Pestizide soll um 50 Prozent und der Einsatz gefährlicherer Pestizide ebenfalls um 50 Prozent verringert werden.

Ziel 3. Mindestens 25 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen sollen ökologisch/biologisch (Ökolandbau) bewirtschaftet und die Anwendung agrarökologischer Verfahren deutlich gesteigert werden.

Ziel 4. Die Nährstoffverluste aus Düngemitteln sollen um 50 Prozent verringert werden, was zu einer Verringerung des Düngemitteleinsatzes um mindestens 20 Prozent führen wird.

Ziel 5. Gesetzlicher Schutz von mindestens 30 Prozent der Landfläche und 30 Prozent der Meeresgebiete der EU und Integration ökologischer Korridore als Teil eines echten transeuropäischen Naturschutznetzes.

Schon im Dezember ergab eine Untersuchung im Auftrag des EU-Agrarausschusses, dass die neue GAP den Zielen des Green Deal widerspricht. Die Studie des IFAB belegt nun anhand der Bewertung der aktuellen Gesetzesentwürfe der Bundesregierung, dass die Erreichung dieser Ziele weit verfehlt werden würde.

Die Studie des IFAB liefert konkrete Vorschläge für eine nachhaltige Umsetzung der GAP

Die „grüne Architektur“ der neuen GAP enthält drei Umweltförderinstrumente, um diese Ziele zu erreichen:

  1. Konditionalität (Grundanforderungen, um die Direktzahlungen zu erhalten)
  2. Ecoschemes (freiwillige Zusatzmaßnahmen, die über die Konditionalität hinaus gehen)
  3. Agrarumwelt-und Klimamaßnahmen (länderspezifische Naturschutzprogramme, Ökolandbau, Natura2000)

Diese drei Bausteine müssen qualitativ und quantitativ so aufeinander abgestimmt sein, dass die europaweiten Ziele zum Schutz der Biodiversität bis 2030 erreicht werden können.

Nach einer umfassenden Bewertung der Gesetzesentwürfe hinsichtlich der einzelnen Biodiversitätsziele  werden in der IFAB-Studie folgende Anforderungen an die Grüne Architektur gestellt.

  1. Konditionalität -> zur Erreichung von Ziel 1 (10 Prozent unproduktive Fläche)
  • 10 Prozent der Ackerfläche sollen als nichtproduktive Flächen bereitgestellt werden
  • 10 Prozent der Grünlandfläche sollen als nichtproduktive Flächen bereitgestellt werden

Bild 1: Als nichtproduktiv gelten Strukturen wie Brachen, Blühflächen, Hecken, Pufferstreifen, Grabenränder und auch Einzelbäume. Foto: Jens G Kube

Aktueller politischer Verhandlungsstand sind lediglich 3 Prozent des Ackerlandes. Grünland bleibt im Gesetzesentwurf außen vor.

  1. Ecoschemes -> zur Erreichung Ziel 2 und 4 (Reduktion von Pestiziden und Dünger)

Die Ecoschemes sollen zur Erreichung von Ziel 2 und 4 beitragen, d.h. dass sie vor allem die extensive Bewirtschaftung mit einer Reduzierung von Pflanzenschutz- und Düngemitteln fördern sollten.

Die IFAB-Studie stellt dazu folgende geeignete Ecoschemes dar:

  • Extensivanbau von Getreide in weiter Reihe ohne Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, ggf. auch mit artenreicher Untersaat
  • Extensivbewirtschaftung von Dauergrünland, dabei keine Mahd oder Beweidung im Zeitraum 01.05.-30.06. (Vornutzung und Nachnutzung beliebig), keine Düngung im Zeitraum 01.01.-30.06., kein Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, Grünlanderneuerung ggf. nur mit autochthonem artenreichen Saatgut
  • Extensivbeweidung von Dauergrünland mit Schafen, Ziegen oder Mutterkühen ohne Düngung im Zeitraum 01.01.-30.06., kein Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, Grünlanderneuerung ggf. nur mit autochthonem artenreichen Saatgut
  • Spezifische artenreiche Blühflächen ohne Herbizideinsatz in Dauerkulturen (z.B. in Streifenform im Weinbau, Obstbau und Gemüsebau)

Weiterhin werden  Ecoschemes zur Erreichung von Ziel 1 aufgelistet:

  • Erhöhung des Umfangs an nichtproduktiven Flächen (sofern dort weniger als 10 Prozent Flächenumfang festgeschrieben werden)
  • Qualitative Aufwertung der nichtproduktiven Flächen in Form von implizit mehrjährigen Blühflächen, d.h. hier ist eine Förderung nur zu gewähren, wenn schlagbezogen mindestens 50 Prozent der Fläche bis zum 31.07. des Folgejahres auf der Fläche verbleibt und nicht umgebrochen wird

Alle, bis auf Extensivanbau von Getreide, beschrieben Ecoschemes sind Teil der Gesetzesentwürfe des BMEL. Dort sind diese bisher nur als bloße Überschriften zu finden, sodass eine Bewertung hinsichtlich ihrer Qualität schwer fällt.

Bild2: Auffällig ist allerdings, dass kein Ecoscheme zum extensivem Ackerbau vorgeschlagen wurde- für die Zielerreichung zur Reduktion von Pflanzenschutzmittel ist solch ein Ecoschemes jedoch unumgänglich, da besonders im Ackerbau auf großer Fläche Pestizide ausgebracht werden. Foto: Christoph Buchen

Um großflächig wirksam zu sein, sollten die Ecoschemes laut der Studie ab 2023 einen Anteil von 30 Prozent der Direktzahlungen ausmachen und im Laufe der Förderperiode anwachsen. Die aktuellen Gesetzesentwürfe sehen lediglich 20 Prozent der Gelder für Natur-und Biodiversitätsmaßnahmen vor.

  1. Agrarumwelt-, und klimamaßnahmen (AUKM) -> zur Erreichung von Ziel 3 und 5 (Ökolandbau und Schutz der Ökosysteme)

Die Finanzierung des wachsenden Sektors des Ökolandbau, die Schutzgebiete des NATURA 2000 Netzwerkes und weitere wichtige Naturschutzprogramme werden über die AUKM gefördert. Ziel ist es, ein ausreichend großes Budget für die Finanzierung sicherzustellen.

Die geplante Umschichtung der Gelder von 8 Prozent der 1. in die 2. Säule wird von der IFAB-Studie als „unzureichend“ betitelt. Um tatsächliche Effekte in der Artenvielfalt festzustellen, werden mehr Mittel in der 2. Säule für konkrete Naturschutzmaßnahmen erforderlich sein. Statt acht Prozent sollte die Umschichtung stufenweise bis 20 Prozent im Jahr 2025 zunehmen.

Die Weichen zum Erhalt der Biodiversität müssen jetzt gestellt werden

Die Analyse der Wissenschaftler zeigt, dass der Entwurf des BMEL die Biodiversität in der Agrarlandschaft kaum berücksichtigt. Gleichzeitig unterstreichen sie, wie wichtig die Programme sind, die in diesen Tagen in Berlin beschlossen werden. Die Entscheidungen, die jetzt getroffen werden, können die Entwicklung der Biodiversität über viele Jahre prägen.

Kritisch ist jedoch auch das Vorpreschen der Bundesregierung. Denn noch sind die letzten Entscheidungen in Brüssel nicht gefallen. Der Trilog zur Ausformulierung der GAP in Brüssel ist noch nicht abgeschlossen. Die Entscheider*innen wissen also nicht, ob ihr Nationaler Strategieplan die Forderungen der EU erfüllt oder nicht. Die Gefahr besteht, dass das ausgearbeitete Programm der Bundesregierung wegen zu geringer Umweltambitionen gestoppt wird.

Wenn der Green Deal Europas ein „Man on the moon moment“ sein soll, müsste die EU deutlich mehr von der Bundesregierung und den anderen EU-Mitgliedstaaten fordern. Statt einer Mondlandung wird der Green Deal sonst eine Bruchlandung erleben.

Der NABU-GAP-Ticker

Was steht auf dem Spiel für Insekten, Bauernhöfe und unsere ländlichen Räume? Was sagt Julia Klöckner in Brüssel? Wie stimmen unsere Abgeordneten ab? Was passiert hinter den Kulissen? Im NABU-GAP-Ticker informieren wir über die Verhandlungen zur künftigen EU-Agrarpolitik – denn wir meinen, die Zeit der Hinterzimmerdeals ist vorbei. Es geht um viel – und die Öffentlichkeit hat ein Recht zu wissen, wie der Milliardenpoker um die Gemeinsame Agrarpolitik der EU abläuft. Abonnieren Sie diesen Blog um auf dem Laufenden zu bleiben, stellen Sie Fragen und diskutieren Sie mit uns über die Kommentarfunktion. Hintergrundinfos auf www.NABU.de/agrarreform2021. Folgen Sie uns auch auf Twitter: @NABU_biodiv#FutureOfCAP

Titelfoto: Europäische Union 2013

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