Gewässerschutz: Warum Kooperation auf allen Ebenen gefragt ist

Gewässerschutz: Warum Kooperation auf allen Ebenen gefragt ist

Deutschland hängt bei der Umsetzung der Ziele der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) stark hinterher. Beim Blick auf den Zustand unserer Fließgewässer wird das besonders deutlich. Jahrhunderte lang sind unsere Flüsse reguliert, also begradigt, befestigt und gestaut worden. Hinzu kommen immer wieder Schadstoffeinträge aus Industrie, Landwirtschaft, Bergbau und kommunalen Abwässern. Viele Flüsse haben deshalb ihre Resilienz verloren. Nun kommt auch noch der Klimawandel hinzu. Längere Warm- und Trockenphasen setzten Flüsse weiter unter Druck.

Es ist fraglich, ob die Entwicklung unserer Gewässer hin zu dem in der WRRL gesetzten Ziel eines guten ökologischen und chemischen Zustandes wie angestrebt bis 2027 überhaupt noch möglich ist. Die Problemlagen werden komplexer. Politik und Verwaltung allein werden nicht im Stande sein sie zu lösen. Es sind deshalb viele Akteur*innen gefragt sich auf allen Ebenen einzubringen.  

In internationalen Flusseinzugsgebieten wie dem der Oder stellen sich zusätzliche Herausforderungen: Verschiedene politische- und Verwaltungssysteme sowie unterschiedliche Sprachräume machen Abstimmungen aufwändiger. Dies betrifft auch die deutsch-polnische Zusammenarbeit der verschiedenen Ebenen.

Die Reaktion auf die für das Gewässerökosystem der Oder tödliche Massenvermehrung der Alge Prymnesium Parvum im Sommer 2022 zeigte, dass die Kommunikation auf beiden Seiten der Grenze zuständigen Behörden verbesserungswürdig ist. Grundlage der Zusammenarbeit sind der Deutsch-Polnische Nachbarschaftsvertrag, der Deutsch-Polnische Umweltrat sowie die Internationale Kommission zum Schutz der Oder gegen Verunreinigung (IKSO). Auch die deutsch-polnische Kooperation in der Raumordnung sollte eigentlich eine entscheidende Rolle beim Gewässerschutz entlang der Oder und ihrer Nebenflüsse spielen. 

Positive Zeichen nach der Katastrophe

Das durch die Alge ausgelöste Tiersterben rief betroffene Anwohner*innen und Touristiker*innen, insbesondere aber Umweltorganisationen auf den Plan. Im Sinne der Entwicklung der zivilgesellschaftlichen Zusammenarbeit für den Gewässerschutz kann die Katastrophe durchaus positiv gewertet werden: Das deutsch-polnisch-tschechische NGO-Bündnis „Zeit für die Oder“ setzt sich nicht nur gegen die laufenden und geplanten wasserbaulichen Maßnahmen entlang der Grenzoder ein. Die Organisationen fordern auch nachdrücklich eine Reduktion der Stressoren, die zur Algenblüte geführt hatten, insbesondere der hohen Salzgehalte, die teils dem Brackwasser in ostseenahen Boddengewässern entsprechen.

Kürzlich stellte das Bündnis seine Kommunikationsstrategie auf neue Beine und veröffentlichten eine Vision zur Zukunft der Oder, in der sie das Bild einer nachhaltigen Regionalentwicklung zeichneten. 

Um auch kleine zivilgesellschaftliche Organisationen und Bürgerinitiativen für eine Gewässerschutzarbeit an der Oder zu grenzüberschreitender Abstimmung und für Kooperationen zusammenzubringen, organisierten der NABU-Bundesverband in Zusammenarbeit mit dem polnischem Bird-Life Partner OTOP und weiteren polnischen Partnerorganisationen einen deutsch-polnischen Kommunikations- und Vernetzungsworkshop im Dezember in Frankfurt (Oder). Ziel des Workshops war es, dem Engagement auf Basis der vom deutsch-polnisch-tschechischen Bündnis „Zeit für die Oder“ herausgebenden Vision „Zukunft der Oder“ eine gemeinsame Orientierung zu geben.

Zusammengetragen wurden auch konkrete Ideen für Möglichkeiten der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Durch internationale Netzwerke sollen die Organisationen und Initiativen in den Regionen gestärkt werden. Die politische Arbeit der größeren Verbände wird dadurch zukünftig auf den verschiedenen Ebenen eine bessere Untermauerung ihrer Forderungen erhalten. Auch der NABU-Bundesverband ist Mitglied im Bündnis „Zeit für die Oder“. 

Ideenbasis für deutsch-polnische Aktionen und Projekte 

Die Teilnehmenden beider Länder konnten sich mit der Vorstellung ihrer laufenden Projekte und Ideen gegenseitig inspirieren. Das während des Workshops in analoger Form entstandene Akteurs-Mapping soll digitalisiert und als interaktive Karte auf saveoder.org integriert werden.

Damit wäre ein grundlegender Orientierungsrahmen geschaffen, auf dem an Kooperationen interessierte Organisationen aufbauen können. An der mittleren Oder besteht auf polnischer Seite mit dem „Oderweg“ übrigens bereits ein interessantes naturtouristisches Angebot. Dort wurden und werden Klangbänke aufgestellt, mit denen Geräusche verstärkt wahrgenommen werden können. Die Konstruktionen sind eine Weltneuheit. Die deutschen Teilnehmer*innen waren begeistert und denken über ein Aufgreifen dieses Angebotes nach.

Einigkeit bestand darin, dass es für die Begegnung mit dem Fluss und den Werten der Landschaft feste Orte braucht, die Menschen entdecken und an die sie zurückkehren können. Diese Orte könnten mit traditionellen Holzbooten angefahren werden, die eine polnische Organisation bauen lassen und einsetzen will. Die Menschen sollen durch die Angebote ein Bewusstsein für den Wert eines gesunden Wasserkreislaufes als unsere Lebensgrundlage erhalten. Zu den niedrigschwelligen, in Polen bereits bestehenden Angeboten gehören Reinigungsaktionen am Ufer der Oder und ein Citizen Science Gewässermonitoring. 

Ausblick: Wie geht’s an der Oder weiter? 

Offen blieben Fragen der Finanzierungsmöglichkeiten von Projekten, zum Beispiel durch das europäische Interreg-Programm in den deutsch-polnischen Euroregionen. Diese könnten Thema eines Anschlusstreffens im Frühjahr sein. Die Entwicklungen an der Oder erfordern insgesamt eine verstärkte Harmonisierung von Umweltgesetzen und -vorschriften zwischen Deutschland und Polen. Die Umsetzung einer gemeinsamen Vision für den Gewässerschutz im Oder-Einzugsgebiet ist entscheidend.

Empfehlungen von staatlicher Seite umfassen verstärkte Bürgerbeteiligung, Integration von Klimaschutzmaßnahmen in Gewässerschutzstrategien und die Fortsetzung transnationaler Projekte zur Förderung nachhaltiger Gewässerpraktiken. Ein stetiger Dialog zwischen Behörden, Umweltorganisationen und Bürgern wird entscheidend sein, um diese Ziele zu erreichen. 

 

Norman Ebert, Referent für Gewässerpolitik beim NABU-Bundesverband

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