Was sagen die Parteien zur EU-Agrarpolitik?

Was sagen die Parteien zur EU-Agrarpolitik?

Heute abend haben NABU und BUND Vertreterinnen und Vertreter der Bundestagsparteien nach Hannover geladen – zu einer öffentlichen Diskussionsveranstaltung über die Zukunft der Landwirtschaft. Wir wollen wissen, was wir nach der Bundestagswahl von der Politik erwarten können und in wieweit sich das mit unseren Forderungen nach einer neuen Agrar- und Ernährungspolitik deckt. Wichtige Ausschnitte aus der Veranstaltung lassen sich über Twitter nachlesen (@NABU_biodiv #agrarreform2021). Mehr zu den NABU-Forderungen zur Landwirtschaft findet sich hier.

Im Vorfeld haben wir die Wahlprogramme der Parteien und Aussagen der Spitzenkandidaten zum Fördersystem der EU-Agrarpolitik nach 2020 analysiert. Dieses wird die neue Bundesregierung auf EU-Ebene entscheidend mitbeeinflussen.

Die gegenwärtige Agrarpolitik fördert die intensive Landwirtschaft. Foto: A.Müller

Das Fördermodell der EU-Agrarpolitik

Hier geht es um die milliardenschweren Subventionen, die jedes Jahr über Brüssel in die Agrarwirtschaft fließen. Der allergrößte Teil der insgesamt rund 60 Milliarden Euro (fast 40 Prozent des EU-Haushalts, in Deutschland über 6 Milliarden EUR jährlich) fließt über die sogenannte Erste Säule an alle Landwirte. Allerdings pro Hektar, de-facto völlig unabhängig davon, was sie auf ihren Flächen machen, ob sie umweltschädlich oder naturverträglich produzieren oder welche Tierschutzstandards sie einhalten. Ein bedeutender Teil der Gelder wird noch dazu über Pachtpreise an Flächeneigentümer weitergegeben und landet gar nicht bei den aktiven Bäuerinnen und Bauern. Die Empfänger der Gelder werden übrigens jährlich veröffentlicht.

Über die sogenannte Zweite Säule (ELER-Fonds) werden in Deutschland derzeit knapp 1,4 Milliarden EUR jährlich verteilt – über Förderprogramme der Bundesländer für die „ländliche Entwicklung“. Hiermit werden, zum Beispiel über Vertragsnaturschutz, zumindest teilweise Umwelt- und Naturschutzmaßnahmen finanziert, die Landwirte umsetzen können. Allerdings ist die zweite Säule viel zu klein, die Zahlungen oft wirtschaftlich nicht attraktiv für die meisten Betriebe und die meisten Fördermaßnahmen sind zu unspezifisch, um konkreten Arten und Lebensräumen wirklich zu helfen.

NABU-Forderungen (download hier)

Der NABU fordert, ab 2021 beide Säulen durch ein neues, nachhaltiges und effizientes Fördersystem zu ersetzen: Statt dem derzeitigen Gießkannenprinzip sollte Steuergeld künftig nur gegen konkrete Ergebnisse für die Gesellschaft ausgezahlt werden. Dazu fordern wir Investitionshilfen für Betriebe, die auf naturverträgliches und tierschutzgerechtes Wirtschaften umstellen wollen. Außerdem muss die EU in andere Vermarktungsmodelle, sowie in Nachfrage und Zahlungsbereitschaft für gute Lebensmittel investieren. „Gut und gesund“ verstehen wir hier nicht nur im kulinarischen und medizinischen Sinne: Gute Lebensmittel sind auch umweltverträglich produziert und fair gehandelt. Letztlich muss das Ziel sein, dass sich die Agrar- und Ernährungswirtschaft dank fairer Preise ohne staatliche Subventionen auf nachhaltigem Niveau trägt und in der Lage ist, anspruchsvolle Qualitätsstandards, auch im Umwelt- und Tierschutz, einzuhalten.

78% der Deutschen wollen, dass Landwirte Geld gegen Leistung erhalten – und nicht wie bisher nach Größe des Betriebs. Repräsentative Umfrage von Forsa im Auftrag des NABU, Januar 2017).

Gleichzeitig muss der Staat den Landwirten, Schäfern, aber auch Waldbesitzern und anderen Akteuren ein Angebot machen. In einem Naturschutzvertrag müssen deren unverzichtbare Leistungen für den Erhalt der Natur attraktiv entlohnt werden. Naturschutz muss sich lohnen als zusätzliche, verlässliche Einkommensquelle – dafür fordern wir einen neuen EU-Naturschutzfonds in Höhe von mindestens 15 Milliarden Euro jährlich, flankiert von einer „Space for Nature“-Prämie für die Erhaltung produktionsfreier naturnaher Betriebsflächen.

Was versprechen nun die Parteien zu tun?

CDU: Faire Marktpreise und Gemeinwohlorientierung

Die CDU scheint bereit, das Fördersystem zu gunsten kleinerer (Familien-)Betriebe zu reformieren. Umwelt- und Naturschutz wird jedoch (wie im gesamte Wahlprogramm) nahezu nicht erwähnt. Ob ein Betrieb klein oder groß, bäuerlich-familär oder als großes Unternehmen geführt wird, hat jedoch nicht direkt mit seiner Naturverträglichkeit zu tun. Auch wenn unter den kleinen Betrieben deutlich mehr für die Umwelt getan werden mag – die Größe des Betriebs ist aus NABU-Sicht kein geeignetes Kriterium für den gezielten und effizienten Einsatz von Steuermitteln für Umweltziele.

Etwas anders klingen die Äußerungen der Kanzlerin selbst. Angela Merkel betonte am 1.8.2017 in einem Interview mit top agrar:Unser Ziel ist eine Landwirtschaft, die wirtschaftlich tragfähig ist, der Umwelt gerecht wird und sich am Tierwohl orientiert.“ Außerdem sieht sie voraus, dass die Agrarzahlungen „stärker als bisher an Gemeinwohlinteressen“ ausgerichtet werden. Sie betont dies gleich zweimal hintereinander – allerdings eher als Prognose denn als eigenen Willen. Daraus könnte man herauslesen, dass sie eher keine Vorreiterrolle Deutschlands sondern eher ein Reagieren auf Wünsche der Kommission, anderer EU-Staaten, des EU-Parlaments und der Zivilgesellschaft plant. Ob dies der Verantwortung der Bundesregierung in der EU gerecht wird, ist eine andere Frage.

Die CDU fordert zudem einen Investitionsfonds für Landwirte – was der NABU-Forderung nach einem Ende der Gießkanne nahe kommen könnte. Allerdings wird das Ziel des Fonds hier zunächst nur in der „Förderung der Präzisionslandwirtschaft“ gesehen. Ob so ein Fonds auch einen Systemwechsel fördern soll, hin zu Preisen, die fair für Landwirte und Umwelt sind, bleibt offen. Innovationen brauchen wir aus NABU-Sicht nicht um noch mehr und noch billiger zu produzieren, sondern um echte Nachhaltigkeit zu erreichen.

An anderer Stelle heißt es im Wahlprogramm „Marktpreise müssen fair sein und den Erzeugern ein auskömmliches Einkommen sichern.“ Daraus lässt sich vielleicht ableiten, dass auch die CDU langfristig eben keine Einkommensstützung mehr durch den Steuerzahler möchte. Wie sie dahin kommen will, bleibt offen.

Wie die Rettung der biologischen Vielfalt, zum Beispiel im Form des Schutzgebietsnetzes Natura 2000, künftig finanziert werden soll, geht aus dem CDU-Wahlprogramm nicht hervor – obwohl sich die Bundesregierung dazu global verpflichtet hat.

SPD: Ende der pauschalen Direktzahlungen bis 2026

Sehr eindeutig ist das SPD-Wahlprogramm aber auch Kanzlerkandidat Martin Schulz in seinem top agrar-Interview vom 14.8.2017 : „Wir werden uns für einen schrittweisen Ausstieg aus den pauschalen Subventionen bis 2026 einsetzen.“ Das entspricht einer Kernforderung des NABU.

Allerdings bleibt offen, was an die Stelle dieser Gießkanne treten soll: Das SPD-Programm macht sehr wenige Aussagen zur künftigen Agrarpolitik auf EU-Ebene. Über ein Bundesprogramm soll die Regionalvermarktung gefördert werden – dies fordert der NABU für einen EU-Fonds, beides könnte sich ergänzen.

Dass auch deutlich mehr öffentliche Investitionen in die Umstellung auf Ökolandbau fließen sollen, scheint eher keine SPD-Priorität zu sein: „Die ökologische Landwirtschaft ist derzeit die nachhaltigste Form der Landwirtschaft. Um die Nachfrage nach Lebensmitteln zu bedienen, sind die konventionelle und ökologische Landwirtschaft gleichermaßen notwendig. Die SPD bekennt sich deshalb zu beiden Produktionsformen.“Auch der NABU fordert nicht Ökolandbau auf ganzer Fläche – allerdings ist aus unserer Sicht eine erhebliche Steigerung notwendig umd das bereits bestehende Ziel der Bundesregierung von 20 Prozent der Fläche zu erreichen (dezeit etwa 6,5 Prozent). Die Vorstellung, durch verringerte Produktion in Deutschland sei die Lebensmittelversorgung bei uns oder weltweit gefährdet, halten wir für falsch. Und die Nachfrage zum Beispiel nach billigem Fleisch sollte nicht als unveränderliche Grundannahme für zukunftsfähige Politik dienen.

Insekten sind durch die immer intensivere Landwirtschaft bedroht. Foto: Kathy Büscher

Bündnis 90/Die Grünen: Klasse statt Masse

Die Grünen scheinen ebenfalls die pauschalen Direktzahlungen abschaffen zu wollen, es wird jedoch nicht explizit formuliert: „Unser Ziel ist eine europäische Agrarpolitik, die bei Lebensmitteln den Umbau hin zu einer Landwirtschaft und einem Agrarmarkt fördert, die auf Klasse statt Masse setzen. (…) Die notwendigen Gelder mobilisieren wir durch eine Umschichtung der europäischen Agrarmittel.

Bündnis 90/Die Grünen sehen den wichtigsten Schritt zum Umbau der Landwirtschaft in einer Ausrichtung auf die Bio-Landwirtschaft und planen hier massive Förderprogramme. Ebenso wird deutlich darauf verwiesen, dass die konventionelle Landwirtschaft umweltverträglicher werden muss und Bäuerinnen und Bauern auf dem Weg dorthin unterstützt werden müssen – ob auf Dauer oder nur über Investitionshilfen bleibt offen: „Wir wollen mit den Bäuerinnen und Bauern zusammenarbeiten, die sich mit uns auf den Weg machen. Wir wollen, dass sie wieder von ihrer Arbeit leben können, auch durch die Förderung bereits etablierter, rein pflanzlicher Landwirtschaft.

Wie der NABU fordern die Grünen einen eigenene EU-Naturschutzfonds und eine bessere finanzielle und personelle Ausstattung des Naturschutzes.

DIE LINKE: Abbau umweltschädlicher Subventionen

Die Forderung der Linken „Ab der kommenden Förderperiode nach 2020 darf es nur noch Geld für konkret nachweisbare öffentliche Leistungen geben“ klingt ebenfalls nach einem Ende der bedingungslosen Zahlungen. Offenbar stellt man sich aber eine Flächenprämie vor, die vor allem nach sozialen Kriterien berechnet wird, wie der Zahl sozialpflichtiger Arbeitsplätze und der Größe der Betriebe. Hier scheint das Angebot von Arbeitsplätzen und die geringe Betriebsgröße schon als konkrete öffentliche Leistung zu gelten, die förderungswürdig ist. Die Themen Artenvielfalt und Klimaschutz geraten sehr in den Hintergrund bzw. werden gar nicht erwähnt.

Die Forderung nach „bezahlbaren Lebensmitteln“ leuchtet auf den ersten Blick ein. Betrachtet man jedoch den geringen Anteil, den die Durchschnittsdeutschen von ihrem Einkommen für Essen ausgeben und die Frage, ob „niedrige Lebensmittelpreise für alle“ eine gesellschaftliches Ziel sein sollen, kommen doch Zweifel: Ist es nicht eher eine Aufgabe der Sozialpolitik, dass sich alle Bürgerinnen und Bürger nachhaltig produzierte Lebensmittel zu einem ehrlichen Preis leisten können?

An anderer Stelle findet man im Parteiprogramm der Linken einen Satz, der den NABU-Forderungen entspricht. Es bleibt aber unklar, welche Subventionen für umweltschädlich gehalten werden. „Wir wollen natur- und umweltzerstörende Subventionen sukzessive abbauen und die freiwerdenden Gelder in Natur- und Umweltprogramme investieren.“ Auch weitere positive Forderungen für die bessere Naturschutzfinanzierung finden sich im Parteiprogramm, so zur finanziellen Stützung der EU-Naturschutzrichtlinien, die Auftstockung des Bundesprogramms Biologische Vielfalt um mindestens 50 Millionen Euro jährlich und die Einrichtung eines Naturerbe-Fonds.

Blühende Wiesen zu erhalten muss sich für Landwirte lohnen. Foto: Natalie Meyer

FDP: Freiwilligkeit und eigentumsfreundlicher Vertragsnaturschutz

Die FDP äußert sich kaum zur EU-Agrarpolitik, mit Ausnahme der Forderung das sogenannte Greening zu vereinfachen oder gar abzuschaffen: „Das Greening als Koppelung der Direktzahlung werden wir mit Blick auf die Praktikabilität und Bürokratie kritisch begleiten.“ Der NABU kritisiert das Greening ebenfalls, aber wegen seiner weitgehend Unwirksamkeit für die Umwelt. Aus dem FDP-Programm lässt sich jedoch nicht ablesen, dass es durch wirkungsvollere Regeln ersetzt werden sollte. Das Leitbild der FDP zur Landwirtschaft scheint eines zu sein, dass den Betrieben weitestgehende unternehmerische Freiheiten aber dennoch staatliche Subventionierung gewähren will. Dies erscheint nicht nur aus umwelt- sondern auch aus finanzpolitischer Sicht fragwürdig.

Ähnlich klingt das im Umweltkapitel des Programms:  „Wir Freie Demokraten wollen die Zukunft der Artenvielfalt sichern. Dabei setzen wir bevorzugt auf freiwillige Maßnahmen und den eigentumsfreundlichen Vertragsnaturschutz.“ Dass Freiwilligkeit in der Landwirtschaft aber eng mit attraktiver Förderung einhergehen muss, wird nicht gesagt. Letztlich muss es aus NABU-Sicht heißen: Je mehr Förderung für den Naturschutz im öffentlichen Haushalt ist, desto eher kann man freiwillige  Maßnahmen wie Vertragsnaturschutz nutzen – und umgekehrt. Andernfalls ist die Zukunft der Artenvielfalt nicht zu sichern.

Foto oben: Birdlife Europe

1 Kommentar

Rita

31.08.2017, 21:12

Es ist tragisch genug dass Landwirte mit den grössten Höfen und den höchsten Gewinnen auch noch die höchsten Förderungen erhalten. Ich habe mir die Fördergeldzahlungen der Landwirte sn meinem Heimatort angeschaut es ist einf Katastrophe. Millionäre werden gefördert kleine Höfe bekommen so gut wie nichts. Wir müssen weiter kämpfen ohne die Grünen sind Umwelt und Naturschutz in diesem Land verloren.

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