Das EU-Bodengesetz: Entwicklungen am Knotenpunkt von Umwelt-, Klima-, Agrar- und Ernährungspolitik

03.08.2023: Der EU-Green Deal und die EU-Bodenstrategie für 2030 bilden den politischen Rahmen der EU für den Schutz und die Wiederherstellung der Gesundheit lebendiger Bodenökosysteme sowie die Gewährleistung ihrer nachhaltigen Nutzung. In der Strategie hat sich die EU verpflichtet, ein neues Bodengesetz zu verabschieden, um die Gesundheit der Böden zu schützen und wiederherzustellen, ihre nachhaltige Nutzung zu gewährleisten sowie das integrierende Ökosystem des EU Green Deals, das Bodenökosystem, auch als politisch verknüpfendes Vehikel zu nutzen.

Vorschlag für EU-Bodengesetz bleibt weit hinter den Erwartungen zurück

Am 5. Juli 2023 hat die EU-Kommission im Rahmen ihres Maßnahmenpakets für die nachhaltige Nutzung der zentralen natürlichen Ressourcen, mit dem auch die Resilienz der Lebensmittelsysteme und der Landwirtschaft in der EU gestärkt werden soll, ein lang erwartetes EU-Bodengesetz vorgestellt.

Der nun erschiene Gesetzesvorschlag muss, um maßgeblich zu der Gesundung der europäischen Böden beitragen zu können, deutlich verbessert werden. Mit dem derzeitigen Mangel an Ehrgeiz, dem Fehlen rechtsverbindlicher Ziele und dem fehlenden Schwerpunkt auf der Biodiversität der Böden bleibt er weit hinter den Erwartungen zurück.

Eine Darstellung der EU-Kommission wie die Bodenpolitik die verschiedensten Politikfelder des EU Green Deals verknüpfen soll.

Bewertung des Gesetzesvorschlags

Die last-minute Änderung des Namens der Richtlinie, die ursprünglich „Bodengesundheitsgesetz“ heißen sollte, nun jedoch „Bodenüberwachungsgesetz“ heißt, bezeugt eindrücklich die verminderte Ambition der EU-Kommission. Das Hauptziel der Richtlinie wird, stand jetzt, die Überwachung des Zustands der Böden sein und davon absehen die Mitgliedsstaaten zur Wiederherstellung der gesunden Zustände der europäischen Böden zu verpflichten.

Der jetzige Gesetzesvorschlag enthält eine Definition und Kriterien für die Bodengesundheit, einen Überwachungsrahmen, Maßnahmenvorschläge für eine nachhaltige Bodenbewirtschaftung und die Sanierung kontaminierter Standorte in den Mitgliedsländern.

Folgende Aspekte in der Gesetzesvorlage sind kritisch zu betrachten und sollten nachgebessert werden:

  • Es fehlen rechtsverbindliche Ziele für die Wiederherstellung und Erhaltung der Bodengesundheit in den Mitgliedsländern.
  • Es fehlen Ziele für die Flächenversiegelung.
  • Die zentrale Rolle der Bodenbiodiversität in den Funktionen von Bodenökosystemen wird unterschlagen.

Der Bodenbiodiversität keine entscheidende funktionelle Rolle zuzuschreiben, während Boden- und Agrarwissenschaften diese Rolle betonen, hat eine Reihe schwerwiegender negativer Folgen. Erstens wird die Rolle des Landnutzungsmanagements bei der Entwicklung der Bodengesundheit stark unterschätzt. Zum anderen werden bei der Berechnung von Folgenabschätzungen der Degradation von Bodengesundheit die Kosten falsch eingeschätzt oder nicht berücksichtigt und dadurch der politische Wille zur Regeneration gemindert. Zum Beispiel können so die Folgen der Störung des Mikrobioms des Bodens durch mechanische Bearbeitung und/oder Pestizide für das Mikrobiom und die Gesundheit von uns Menschen, nicht mit einbezogen werden. In den Kriterien, die die Gesundheit der Böden bewerten sollen, fehlt die Bewertung der Bodenbiodiversität darüber hinaus als verpflichtendes Kriterium.

 

Ein aktuelles und Bodenbiodiversitäts-zentriertes wissenschaftliches Verständnis der Entwicklung der Bodengesundheit

  • Der vorgesehene Überwachungsrahmen unterscheidet ausschließlich zwischen ‘gesunden’ oder ‘nicht gesunden’ Böden, zeigt aber keine Veränderung des Zustands der Böden auf, wenn die Schwellenwerte nicht überschritten werden.

Dieser Ansatz ist unzureichend, um zu prüfen, ob sich der Zustand der Gesundheit von Bodenökosystemen auf dem Weg der Besserung befindet oder sogar noch schlechter wird. Denn es wird nicht die Entwicklung der Bodengesundheit in einer zeitlichen und räumlichen Detailschärfe erhoben, die das Delta der Veränderung des Zustands aufzeigt, um damit einen signifikanten Informationsgewinn für das Bodenmanagement zu ermöglichen. Monitoring und Reporting müssen aber Landwirtinnen und Landwirte standortspezifisch mit Informationen dazu befähigen, die von Ihnen bewirtschafteten Böden zu regenerieren, um u.a. Erträge auch in Zukunft zu sichern.

  • Den Maßnahmenvorschlägen für eine nachhaltige Bodenbewirtschaftung fehlt ein Verständnis der agronomischen Praxis, die die Gesundheit von Böden produktionsintegriert regeneriert, sowie ein ausgearbeiteter Finanzierungs- und Umsetzungsplan.

Den vorgeschlagenen Maßnahmen zur produktionsintegrierten Wiederherstellung der Gesundheit der Böden in der Landwirtschaft lassen kein systematisches Verständnis davon erkennen, wie landwirtschaftliche und wissenschaftliche Pionier*innen die Gesundheit von Böden durch eine agronomische Praxis, die sich auf die Bodenbiodiversität fokussiert, wiederherstellen. Die vorgeschlagenen Maßnahmen gehen von einer „Do no harm“-Perspektive aus. Das ist äußerst kurzsichtig, da die Bodenökosysteme in der gesamten EU, wie es in dem Vorschlag selbst heißt, dringend der Wiederherstellung und Regeneration bedürfen – und nicht nur einer Abmilderung der Verschlechterung. Doch nicht nur am Wie hapert es im Gesetzesaufschlag, auch das Womit erscheint unzureichend. Es fehlt an klaren Finanzierungs- und Umsetzungsplänen. Es wird keine tragfähige Brücke zur notwendigen Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik geschlagen, um die finanziellen Mittel der GAP langfristig in die Regeneration der grundlegenden Agrarökosysteme und die grundlegenden landwirtschaftlichen Produktionsmittel, unsere lebendigen Bodenökosysteme, zu investieren.

 

Wie geht es weiter mit dem Soil Monitoring Law?

Der Gesetzesvorschlag wird in den folgenden Monaten den Trilog durchlaufen und kann hier vom Rat und vom Parlament nachgebessert werden, um das Gesetz noch effektiv für den Schutz und die Regeneration unserer lebendigen Bodenökosysteme zu machen.

Mit einer transdisziplinären Gruppe an Wissenschaftler*innen, NGOs und einigen mehr, hatte der NABU bereits vor der Veröffentlichung des Vorschlags in einem gemeinsamen Positionspapier auf das Problem des fehlenden Verständnisses der Bedeutung der Bodenbiodiversität hingewiesen.

Mit den oben genannten Problemen im Vorschlag wurde bisher eine Chance verpasst, die europäische Landwirtschaft entlang einer Bodenbiodiversitäts-zentrierten agronomischen Praxis zukunftsfähig und transformationsfördernd neu auszurichten.

Eine solche Neuausrichtung entlang der agronomischen Praxis der lebendigen Boden- und Agrarwissenschaften sowie Pionier*innen der Landwirtschaft ist dringendst notwendig, um in der Breite der landwirtschaftlichen Praxis den Krisen der gegenwärtigen Umwelt-, Klima-, Agrar- und Ernährungspolitik synergetisch zu begegnen:

  • Die übersehene Bedeutung der Bodenbiodiversität für die überirdische Biodiversität, die Naturkreisläufe sowie für die noch weitgehend unerkannte, aber sehr kostspielige und schmerzhafte Epidemie der nicht übertragbaren Krankheiten;
  • das Management der Treibhausgasflüsse in der Landwirtschaft;
  • das Management des vergessenen aber äußerst wichtigen Treibhausgases Wasserdampf zur Erdoberflächenkühlung und Abfederung von Dürren und Starkregen;
  • die vernachlässigte Frage der Wiederauffüllung der sinkenden Grundwasserspiegel;
  • die Widerstandsfähigkeit unserer Erträge unter immer fragileren Umweltbedingungen.

 

Für eine genauere Darlegung, warum der Schutz und die Regeneration der Gesundheit unserer lebendigen Bodenökosysteme von größter gesellschaftlicher Bedeutung ist, bitte sehen sie unsere Blog-Reihe:

 

 

 

 

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