COP-Corner: Aufbruch zu einem neuen Naturschutzabkommen?
Noch bevor das Konferenzwochenende zu Ende war, gingen am Samstagabend die Verhandlungen für das geplante weltweite Abkommen zum Schutz der biologischen Vielfalt in eine neue Runde. Um 18:30 Uhr traf sich die informelle Kontaktgruppe für das „Post-2020 Biodiversity Framework“. Um einen U-förmigen Tisch sitzen dann die Verhandler, die die Staatengruppen benannt haben. Diese Kontaktgruppen werden für die wichtigsten und strittigsten Themen eingerichtet und tagen meist abends. Oft sitzt man bis spät in die Nacht zusammen, vor sich eine Leinwand, auf die der Text des „non-papers“ projiziert wird (hier ein Beispiel).
Um jedes Wort wird gerungen
Hier wird um jedes Wort gerungen, was strittig bleibt kommt in eckige Klammern. Für den ungeübten Beobachter ist es oft völlig unerklärlich, warum bestimmte Formulierungen so große Bedeutung haben sollen. Aber die Vertreter von Umweltverbänden und anderen Organisationen, die hinten im Saal zuhören, können sich mit der Zeit doch einen Reim darauf machen. Wir werten aus und lassen den Verhandlern gelegentlich schriftlich oder mündlich Vorschläge zukommen. Manchmal kommen wir auch direkt zu Wort, auf Einladung eines der beiden Leiter der Kontaktgruppe – gestern auf eindringlichen Wunsch Kanadas. Offenbar hat sich diese Regierung die Beteiligung der Zivilgesellschaft besonders stark auf die Fahnen geschrieben. Trotz Nachtsitzungen sind morgens ab acht Uhr die allermeisten wieder im Konferenzzentrum unterwegs – was nach zwei Wochen deutliche Spuren in den Gesichtern hinterlässt.
Kleine Schritte auf einem steinigen Weg
Inhaltlich ging es am Samstagabend vor allem um zwei Fragen, aus denen klar wird, wie lange der Weg zu einem Abkommen noch ist. Zum einen um den Prozess selbst: Soll die noch einzuberufende Arbeitsgruppe, die das neue Abkommen entwerfen wird, direkt an die COP15 in Peking berichten, oder eher an die zwischen den COPs tagenden Ausschüsse? Die EU ist für ersteres, China für letzteres. Die beiden wichtigsten anwesenden Umweltverbände, BirdLife International (wozu der NABU gehört) und WWF tendieren dazu, die EU-Linie zu unterstützen. Die Ausschüsse neigen nämlich dazu, Vorschläge zu verwässern, bevor sie an die COP weitergeleitet werden. Andererseits fehlt vielleicht das Geld, um eine von den etablierten Ausschüssen unabhängige global agierende Arbeitsgruppe neu zu bilden die groß genug wäre um auch ausreichende Beteiligung der Zivilgesellschaft zu garantieren. Trotz mehrstündiger Gespräche gibt es noch keine Einigung.
Eine zweite wichtige Frage dreht sich um die viel diskutierten „freiwilligen nationalen Zusagen“, die in das neue Abkommen eingebaut werden sollen. Wie so oft schielt man auf das Vorbild der Klimarahmenkonvention und das Pariser Abkommen. Dort sind die Regierungen dazu aufgerufen, selbst zu verkünden, wie viel sie für den Klimaschutz tun werden. Auf globaler Ebene wird addiert, bewertet und gegebenenfalls nachgefordert, um letztlich das globale 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Ob das funktionieren wird ist noch die Frage – vor allem aber: Anders als bei Treibhausgasen ist es beim Schutz der Biologischen Vielfalt unmöglich, präzise zu messen, welche nationalen Anstrengungen ausreichen für den globalen Stopp des Artensterbens. Es ist unmöglich die Staaten exakt miteinander zu vergleichen. Die nötigen Schutzgebietsflächen variieren, manche Länder müssen vor allem Schäden der Vergangenheit reparieren und Lebensräume wieder herstellen, andere dagegen an Naturräumen erhalten was noch zu retten ist. Viele argumentieren auch, diese nationalen Zusagen sollten nur zusätzlich zu den bestehenden Verpflichtungen der CBD erfolgen – denn man könne ja nicht als freiwillige Leistung verkünden, wozu man sich ohnehin schon 1992 verpflichtet hat. Hierüber wird noch lange diskutiert werden – Fakt ist aber, ohne mutiges Vorangehen der Staatschefs wird es kein gutes Abkommen geben können. Diese sollen im September 2020 dafür in New York zusammentreffen, das steht schon fest. Und auf das Gastgeberland der COP kommt es an, wie der Klimagipfel von Paris gezeigt hat. China, das die COP15 im Oktober 2020 ausrichten wird, hat allerdings geäußert, man wolle nicht „führen“ sondern „moderieren“. Eher kein gutes Zeichen.
Bis der Hammer fällt
Wenn sich eine Kontaktgruppe geeinigt hat – oder nicht mehr weiter kommt – wird das Papier an eine der beiden offiziellen Arbeitsgruppen der CBD weitergegeben, in denen sämtliche Vertragsstaaten noch einmal zusammen verhandeln können – und vor allem die eckigen Klammern auflösen müssen. Die Arbeitsgruppen tagen tagsüber in den riesigen Sälen des Konferenzzentrums und arbeiten eine Unmenge von Papieren ab. Wenn man sich dort einigermaßen sicher ist, dass Einigkeit herrscht – oder wenn die Zeit der Konferenz fast abgelaufen ist – dann wir das Papier von der Arbeitsgruppe an das COP-Plenum gegeben. Dort fällt dann letztlich der Hammer der COP-Präsidentin (in diesem Fall die ägyptische Umweltministerin) und aus dem Papier wird ein echter verbindlicher Beschluss („COP-Decision“). Wenn aber auch nur einer der 196 Vertragsstaaten in letzter Sekunde sein Veto einlegt und dieses nicht mehr ausgeräumt werden kann, dann war alles vergebens und der Beschluss kommt nicht zustande. Für das Weltnaturschutzabkommen wäre es wichtig, dass zum Ende dieser Woche in Ägypten der Prozess der Verhandlungen bis 2020 klar geregelt wird – in einer „COP-Decision“.
- Artenschutz: Klimaschutz-Bremse oder Beschleuniger? - 26. April 2024
- Die Bundesrepublik als Rechtsstaat: Siegt der Populismus gegen die Zivilgesellschaft? - 22. Februar 2024
- Überragendes öffentliches Interesse – ein Rechtsbegriff kommt in Mode - 12. Januar 2024
Keine Kommentare