Till-David Schade Beiträge

Time to go – for Neonics & Co.

Verfahren vor dem Europäischen Gericht eröffnet längst überfällige Grundsatzdebatte zum Einsatz von Neonicotinoiden

Vor einer Woche prüfte das Europäische Gericht erster Instanz (EuG), ob die EU-Kommission im Jahr 2013 dazu berechtigt war, die Zulassung dreier Neonicotinoide und eines weiteren wirkungsähnlichen Pestizids durch den Erlass eines Teilverbotes wieder zurückzunehmen. Damals bestätigte ein Gutachten der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit, dass diese Pestizide die Honigbienenpopulationen in der EU gefährdeten. Ab sofort galt für vier Pestizide das Anwendungsverbot zur Saatgut-, Boden- und Blattbehandlung „für Kulturen, die für Bienen interessant sind, und für Getreide“, wie es in der entsprechenden Durchführungsverordnung ((EU) Nr. 485/2013) heißt. Mit der Begründung, dass die EU-Kommission gegen geltendes EU-Recht verstoße und die bienenschädliche Wirkung von Pestiziden nur mangelhaft bewies, reichten einige Monate später die Agrarchemie-Konzerne BASF, Bayer und Syngenta Klage vor dem EuG ein – und forderten die Rücknahme des EU-Verbotes und Schadenersatz wegen Verunglimpfung ihrer Produkte. Natürlich fürchteten sie auch um den Verkauf der betroffenen absatzstarken Wirkstoffe Clothianidin, Imidiacloprid, Thiamethoxam und Fipronil. Allein Bayer erwirtschaftete im Jahr 2010 mit den neonicotinoidhaltigen Produkten GAUCHO, PONCHO und ADVOCATE über eine Milliarde Euro.

Nutzen Sie die Chance - Ihre Meinung zur Zukunft der #GAP zählt #FutureofCAP pic.twitter.com/FrV8k8etNL

— Phil Hogan (@PhilHoganEU) 2. Februar 2017

Naturschätze-Lektüre zum Wochenende #12

NEWS

Cover des aktuellen kritischen Agrarberichts

Während der Grünen Woche 2017 wurde der alljährlich erscheinende Kritische Agrarbericht vorgestellt. Auch diesmal werden über aktuelle Missstände in der Agrarpolitik – und industrie berichtet sowie Lösungsvorschläge unterbreitet. Dass es an Problemen nicht mangelt, macht auch die Themenvielfalt des Berichts deutlich: Zunehmender Wassermangel, Verschlechterung der Wasserqualität,  weitreichende Bodenverunreinigungen durch Dünger- und Pestizideinsatz oder der Rückgang der biologischen Vielfalt. Diese und weitere Punkte verdeutlichen mehr denn je die Notwendigkeit eines dringend erforderlichen Systemwechsel hin zu einer bäuerlich geprägten Landwirtschaft, welcher nur durch eine grundlegende Reform der EU-Agrarpolitik erreicht werden kann – ein Thema, dem sich der Agrarbericht ebenfalls widmet und auch vom NABU mit dem kürzlich veröffentlichten neuen Modell einer Agrarpolitik in Angriff genommen wird, die den Bedürfnissen von nachhaltig wirtschaftenden Landwirten und dem Naturschutz gleichermaßen gerecht wird. Mehr…

 

Naturschutzgerechte Wiesenmahd (F. Schöne)

Demnach ist es mehr als erfreulich, dass in diesen Tagen der reformistische Eifer vielerlei Blüten trägt: EU-Agrarkommissar Phil Hogan startete gestern eine umfassende Bürger-Befragung zur Zukunft der EU-Agrarpolitik nach 2020, an dem alle EU-Bürger dazu aufgerufen werden, bis Anfang Mai ihre Stimme für eine Agrarreform abzugeben. Dass sich auch das BMUB für eine ökologische Agrarwende einsetzt, zeigt es im Rahmen der gestern veröffentlichten „Neuen Bauernregeln“. Es ist ein gutes Zeichen, dass sich nun auch die politische Ebene mit der vormals eher der Agrarlobby vorbehaltenen Thematik der Agrarpolitik zunehmend an die Öffentlichkeit wendet, zeigt es doch, dass sie sich auf dem Zahn der Zeit befindet: Schließlich stellte der NABU in einer aktuellen forsa-Umfrage unter Beweis, dass sich eine große Mehrheit der Deutschen eine umwelt- und tierfreundlichere Förderpolitik in der Landwirtschaft wünscht. Mehr…

 

Flussaue: Biodiversitätsschatz und Ökosystemdienstleister in Einem (V. Gehrmann)

Der Weltbiodiversitätsrat (IPBES) hat mit der Arbeit an einer globalen Bestandsaufnahme zum Zustand der Biodiversität und der Ökosystemleistungen begonnen, die 2019 fertiggestellt sein soll. Analysiert werden nicht nur terrestrische und aquatische Ökosysteme, sondern auch die Auswirkungen auf das menschliche Wohlergehen. Die Ergebnisse sollen dazu dienen, politischen Entscheidungsträgern fachlich fundierte Handlungsoptionen aufzuzeigen und als Grundlage für die Erstellung des fünften Globalen Biodiversitätsberichts (GBO-5) dienen, der 2020 veröffentlicht wird. Mehr…

Bayer-Chef Baumann ist Dino des Jahres 2016

Der „Dinosaurier des Jahres 2016“ heißt Werner Baumann

Biodiversitätsfeindliche Geschäftsstrategie macht ihn zum verdienten Gewinner des NABU-Schmähpreises

Mit der geplanten Übernahme des US-Saatgutriesen durch die Bayer AG besiegelt Baumann eine Unternehmensausrichtung, die weder Natur und Umwelt noch Landwirten und Verbrauchern zuträglich ist. Gelingt der 59 Milliarden Euro teure Coup, werden die oligopolen Strukturen des globalen Pestizid- und Saatgutmarkts weiter verfestigt, der an erster Stelle nur einen Gewinner kennt: den Weltmarktführer Bayer. Welche Befürchtungen aus Sicht des NABU damit verbunden sind, wird im Folgenden erläutert.

Grünes Licht für schwarzen Pakt

Übernahme durch Bayer kann nur noch durch Kartellbehörden verhindert werden

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Vier Prozent der weltweit angebauten gentechnisch veränderten Pflanzen bestehen aus Raps (Foto: Gaby Schröder).

Wie erwartet erhielt die geplante Übernahme von Monsanto durch den Chemiekonzern Bayer bei der Aktionärsversammlung am Dienstagnachmittag mit 99 Prozent der Stimmen die Rückendeckung der Investoren des US-Saatgutriesen. Damit nimmt Bayer eine weitere Hürde, um zum größten Agrarkonzern der Welt aufzusteigen. Der NABU kritisiert die Übernahmepläne erneut scharf und setzt nun alle Hoffnungen auf die zuständigen Kartellbehörden rund um den Globus, die diesen Mega-Deal noch ausbremsen könnten. Schließlich würde der gemeinsame Saatgut-Anteil am Weltmarkt von Bayer-Monsanto dann bei fast einem Drittel liegen. Am Beispiel des Sojaanbaus in den USA wäre diese Entwicklung  besonders drastisch ablesbar: hier besäße Bayer dann nach dem Zukauf von Monsanto nahezu 100 Prozent des angebauten gentechnisch veränderten Saatguts, für Mais läge die Marktmacht bei etwa 75 Prozent.

Naturschätze-Lektüre zum Wochenende #10

NEWS

Foto: Der Waldkauz ist Vogel des Jahres 2017 Foto: Tom Dove

Der Waldkauz ist Vogel des Jahres 2017, Foto: Tom Dove

Lautlos jagend und des nachts gespenstisch rufend: Der Waldkauz wurde vom NABU und dem LBV zum Vogel des Jahres 2017 gekürt! Erkennungsmerkmale sind unter anderem seine großen dunklen Knopfaugen, die von einem schwarz umrandeten Gesichtsschleier umgeben sind, ein gelblicher und stark gekrümmter Schnabel sowie rindenfarbiges Gefieder, das dem Waldkauz als Tarnung dient. Maßgebliche Gefährdungsursachen sind eintönige Wälder ohne höhlenreiche Altholzbestände und monotone Agrarlandschaften, die dem Waldkauz weder Lebensraum noch Nahrung bieten. Mehr… Welche Arten und Lebensräume für 2017 ebenfalls auserkoren wurden, erfahren Sie hier.

 

Foto: S.Koschinski/Fjordbelt DK

Schweinswal, Foto: S.Koschinski/Fjordbelt DK

Schutz der Nord- und Ostsee: Die für sechs Gebiete vorgelegten Entwürfe der Bundesregierung für eine Schutzgebietsverordnung weisen nach Ansicht des NABU erhebliche naturschutzfachliche Mängel auf. Die Kritik wird auch von einem Rechtsgutachten gestützt, das im Auftrag des NABU und weiterer Umweltschutzverbände in Auftrag gegeben und vor wenigen Tagen veröffentlicht wurde. Demnach werden nicht nur regionale Meeresschutzabkommen ignoriert oder die Umsetzung der EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie weiter auf die lange Bank geschoben. Auch Aktivitäten wie der Rohstoffabbau oder die Fischerei sollen in Schutzgebieten nicht grundsätzlich verboten werden. Mehr…

 

Maisanbau, Foto: H. May

Anfang November soll vom Bundeskabinett der Entwurf  eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Gentechnikgesetzes beschlossen werden, der die auf EU-Ebene ausgehandelte Opt-Out-Richtlinie in nationales Recht umgesetzen soll. Entgegen früherer Regelungen, wonach nationale Anbauverbote gentechnisch veränderter Pflanzen nur nach vorliegen von Studien durchzusetzen waren, die die Gefahren für Mensch und Natur nachwiesen, ermöglicht es der Opt-Out-Mechanismus den Mitgliedsstaaten nun, auch ohne zwingende Gründe auf ihrem Territorium den Anbau transgener Pflanzen zu verbieten. Neben 15 weiteren EU-Mitgliedstaaten hat auch Deutschland das Opt-Out beantragt, die eine Änderung des Gentechnikgesetzes notwendig macht. Das Problem: Der nun vorgelegte Entwurf widerspricht dem im Frühjahr 2016 ausgehandelten Kompromiss zwischen Bund und Ländern in vielen Punkten, wodurch ein bundeseinheitliches Verbot gentechnisch veränderter Pflanzen unmöglich gemacht werde. Es droht ein Flickenteppich länderspezifischer Anbauverbote und Genehmigungen, der Bund zieht sich aus seiner Verantwortung. Aus diesem Grund verfassten zehn Bundesländer einen offenen Brief, durch welchen die wesentlichen Kritikpunkte des Entwurfs an Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt herangetragen wurden. Demnach sollten unter anderem für ein bundesweites Anbauverbot von den Ländern keine „begründete Erklärung aufgrund zwingender Gründe“ darzulegen und nicht das Einvernehmen ganzer sechs Bundesressorts erforderlich sein. Es bleibt zu hoffen, dass in den nächsten Wochen der Druck auf das BMEL steigt, eine Regelung zu finden, die keine Schlupflöcher für ein bundesweites Verbot des GVO-Anbaus offen lässt.

 

http://www.people4soil.eu/img/people4soil_logo.png

Am kommenden Montag beginnt eine EU-weite Initiative zum besseren Schutz unserer Böden. Mit der Europäischen Bürgerinitiative (EBI) „People4Soil“ wollen Umwelt- und Verbraucherschützer innerhalb eines Jahres mehr als eine Million Unterschriften sammeln, um so die EU-Kommission zu einem besseren Schutz der Böden zu verpflichten. Ziel ist es, erstmals ein EU-weit einheitliches Bodenschutzgesetz zu erreichen. Weitere Infos erhalten Sie auf der Website der Kampagne. Die Petition können Sie hier einsehen.

Advancing together? Wie Bayer und Monsanto die Zukunft der Landwirtschaft beeinflussen

Letzte Woche gaben die Vorstandsvorsitzenden von Bayer und Monsanto die Fusion ihrer Konzerne bekannt. Die seit Anfang des Jahres andauernden Verhandlungen sind damit zu einem vorläufigen Ende gekommen. Mit rund 59 Milliarden Euro markiert Bayer die teuerste Konzernübernahme der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Die Meinungen hierzu gehen teils weit auseinander: Während die einen das zukünftige Zusammenwirken der Konzerne als „perfect match“ bezeichnen und den Aktionären satte Gewinne in Aussicht stellen, befürchten Kritiker die zunehmende Monopolisierung der Branche, mit weitreichenden Folgen für die Ernährungssouveränität der Menschen sowie den Zustand der Natur. Der NABU kritisiert die Fusion aufs Schärfste. Welche Auswirkungen eine solche Monopolisierung für Mensch und Natur nach sich ziehen kann, wird im Folgenden dargestellt.

Marktmacht mit Nebenwirkungen

Der gemeinsame Weltmarktanteil von Bayer und Monsanto würde in den Bereichen Saatgut und Agrochemikalien zusammen etwa 28 Prozent betragen. Damit zementieren die Unternehmen ihre globale Führungsposition. Im Vergleich: Die Firmenzusammenschlüsse Syngenta & ChemChina und Dow Chemical & DuPont kontrollieren weltweit jeweils 15 Prozent der Branche. Auf EU-Ebene wird beispielsweise 95 Prozent des Saatguts für Gemüse von nur fünf Unternehmen gesteuert, wobei allein Monsanto bereits jetzt rund 24 Prozent des EU-Marktes kontrolliert. Beim gentechnisch veränderten Saatgut  beherrscht Monsanto weltweit gar 90 Prozent des Marktes. Vor dem Hintergrund dieser Dominanz schätzen Analysten die Wahrscheinlichkeit, dass die zuständigen Kartellbehörden den Deal ablehnen werden, auf 30-50 Prozent ein. Neben der EU-Generaldirektion Wettbewerb sind das noch viele weitere Kartellbehörden im außereuropäischen Ausland, wo Bayer und Monsanto tätig sind. Das letzte Wort ist demnach glücklicherweise noch nicht gesprochen.

Es ist jedoch zu befürchten, dass diese Marktbeherrschung zu weiterem Machtmissbrauch, verstärkter Preisdiktatur und zur Verdrängung kleinerer Wettbewerber führt. Bereits jetzt wissen beide Konzerne nur allzu gut, welchen Einfluss sie mit ihrer Machtposition ausüben können – sei es durch die Förderung von unternehmenskonformen Weiterbildungsmaßnahmen an Universitäten, die Dementierung unpassender wissenschaftlicher Erkenntnisse (wie beispielsweise die berühmte Séralini-Affäre zeigte) oder die Fehlinformation der Gesellschaft durch irreführende Öffentlichkeitspolitik.

Strippenzieher Pestizidhersteller

Der Präsident des Europäischen Berufsimkerbundes (EPBA) Walter Haefeker im Interview über aktuelle Entwicklungen aus der Pestizidpolitik und die starke Lobby der Industrie.

Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt rühmt sich mit der kürzlich erlassenen Eilverordnung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), verstärkt für den Schutz der Bienen einzutreten. Durch die Verordnung soll nun auch die Einfuhr von Saatgut verboten werden, das mit den Neonikotinoiden Clothianidin, Imidacloprid oder Thiamethoxam gebeizt wurde. Auch wenn dieser Schritt für die Bienen definitiv von Vorteil ist: Weshalb hat sich das BMEL erst nach massivem Druck – auch seitens der Imkerverbände – dazu bewegen lassen?

Clemens Lischka gebeiztes Saatgut

Mit Neonikotinoiden gebeiztes Saatgut birgt zahlreiche Gefahren für die Bienenwelt (Foto: C. Lischka)

Walter Haefeker: Der ursprüngliche Verordnungsentwurf enthielt eine Hintertür, welche bei „vermutet“ hoher Beizqualität die Anwendung doch zugelassen hätte. Damit wäre ein langersehnter Wunsch der Pestizidhersteller in Erfüllung gegangen, das Problem auf die Staubentwicklung bei der Aussaat zu reduzieren und alle anderen Wege, die zu einem Kontakt von Bienen mit diesen Wirkstoffen führen, zu ignorieren. Das wäre aus der Sicht der Pestizidhersteller ein ganz wichtiger Präzedenzfall gewesen. Diesen Dammbruch mussten wir daher unbedingt verhindern.

Imker-Präsident gegen Glyphosat-Einsatz

Im Interview: Der Präsident des Deutschen Imkerbundes (DIB) Peter Maske über Glyphosat auf dem Acker, Rückstände im Honig und die Zukunft der Landwirtschaft

Seit einigen Wochen erregt die Diskussion um die nunmehr für weitere 18 Monate erfolgte Neuzulassung des Breitbandherbizids Glyphosat die Gemüter. Welche Meinung hat der DIB zum Einsatz von Glyphosat?

Peter Maske: Glyphosat lehnen wir natürlich grundsätzlich ab. Unsere Agrarlandschaft bietet ohnehin bereits zu wenig Blütenreichtum für blütensuchende Insekten, durch den Einsatz von Glyphosat wird dieser Mangel weiter verstärkt.

Vor einigen Wochen wurde bei einzelnen Proben die Überschreitung des Rückstandshöchstgehaltes von Glyphosat im Honig festgestellt. In Brandenburg konnte in einer Probe eine hundertfache Grenzüberschreitung festgestellt werden. Ist der Verzehr von Honig mittlerweile gesundheitsgefährdend?

Dieser Sachverhalt ist uns seit Anfang des Jahres bekannt, weshalb wir uns bereits mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und dem Julius Kühn-Institut (JKI) in Verbindung gesetzt haben. Eindeutig ist, dass dergleichen Rückstände eigentlich nur durch das Verfahren der Sikkation hervorgerufen werden können, dessen Einsatz nur noch sehr eingeschränkt erlaubt ist. Demnach ist es wahrscheinlich, dass hier eine nicht hinnehmbare Fehlanwendung vorliegt. Solche Fehlanwendungen bei der Ausbringung von Pestiziden gibt es wahrscheinlich bundesweit immer wieder und müssen verhindert werden. Den betroffenen Imkern, deren Honig sich nicht mehr für den Verzehr eignet, müssen entsprechende Schadensersatz- und Ausgleichszahlungen angeboten werden. Die gesundheitlichen Bedenken von Glyphosat kann ich nicht bewerten, stelle mich hier aber an die Seite des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR), der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und der Weltgesundheitsorgansisation (WHO), die Glyphosat als wahrscheinlich nicht krebserregend einstuften. Dennoch sind zu hohe Rückstände im Honig keinesfalls akzeptabel, schließlich wollen wir den Konsumenten ein hochwertiges Lebensmittel anbieten. Glücklicherweise ist davon auszugehen, dass der Fall in Brandenburg bisher ein Einzelfall ist.

Im Kern daneben: Bienen-Konferenz des BMEL

Viele Vertreter der Gattung der Schmalbienen gelten nach der Roten Liste Deutschlands als gefährdet (Foto: Kerstin Kleinke).

Die vor zwei Tagen stattgefundene Bienen-Konferenz des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) bestätigte vor allem eines: dass es das BMEL unter Leitung von Bundesminister Christian Schmidt (CSU) nicht schafft, den drängendsten Gefährdungen von Bienen mit ambitionierten Maßnahmen entgegenzutreten. Statt auf die konventionelle Landwirtschaft als wesentlichen Faktor für den Rückgang an Bienen einzugehen, beschränkte sich die Konferenz vorrangig auf die Vorstellung von Initiativen und Projekten, die sich der Förderung von Bienen im urbanen Raum verschrieben haben. Diese können zwar durchaus einen wertvollen Beitrag leisten, um die Potentiale für die Insekten-Förderung in der Stadt zu beleuchten und praktische Maßnahmen wir die Aussaat von Blühstreifen oder ein angepasstes Mahdregime in die Wege zu leiten. Doch lenkt das nur von der Tatsache ab, dass der eigentliche Schlüssel zum Bienenschutz in der Landwirtschaft liegt. Da mag es bezeichnend sein, dass sich der Befund, „die Stadt sei das bessere Land“ während der Konferenz zum running gag der Vortragenden avancierte. Schließlich brachten die Vorträge auch eine Entwicklung zutage, die sich bereits seit einigen Jahrzehnten abzeichnet: Im Gegensatz zur Stadt ist auf dem Land 1.) ein geringeres Blühangebot mit sich abwechselnden Massentrachten und Trachtlücken zu verzeichnen, 2.) eine geringere Vielfalt von Strukturen gegeben, die als potentielle Lebensräume für Bienen infrage kämen und 3.) der Einsatz von Pestiziden um ein Vielfaches höher.

Mit Risiken und Nebenwirkungen: der Nationale Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln

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Einsatz von PSM auf landwirtschaftlicher Fläche (Foto: Arndt Müller).

Vom 14.-16. Juni 2016 fand in Potsdam der Midterm-Workshop des Nationalen Aktionsplans zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (NAP) statt. Der aktuelle NAP wurde 2013 verabschiedet um Maßnahmen in die Wege zu leiten, die den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln (PSM) sicherer machen und insgesamt minimieren sollten.

Dass es seitdem mit dem Erreichen der Ziele noch nicht sehr weit gekommen ist, lässt sich unter anderem anhand des Verfehlens einiger zielgebundener Indikatoren des NAP belegen: so stagniert der bundesweite Flächenanteil des „ökologischen Landbaus“ mit etwa sechs Prozent seit Jahren auf einem niedrigen Niveau – dabei sind es gerade die Anbaumethoden der ökologisch wirtschaftenden Betriebe, die einen kompletten Verzicht auf chemisch-synthetische PSM überhaupt erst ermöglichen.

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Grauammern sind durch den Einsatz von PSM besonders betroffen (Foto: Tom Dove).

Auch die Umsetzung des Indikators für „Artenvielfalt“, der Auskunft über den Zustand und die Veränderungen von Beständen ausgewählter Vogelarten der Agrarlandschaft gibt, hinkt mit einem Zielerreichungsgrad von lediglich 60 Prozent den Erfolgsansprüchen des NAP weit hinterher. Wie stark der Einfluss von PSM auf Vogel- und Säugetierarten landwirtschaftlicher Nutzflächen ist, zeigte nicht zuletzt eine NABU-Studie.

Ein schlechtes Zeugnis muss jedoch nicht nur dem Zustand von Vogelarten der Agrarlandschaft ausgestellt werden. Auch um den NAP-Indikator, der Auskunft geben soll über die „Reduktion der Belastung von blütenbestäubenden Insekten mit Pflanzenschutzmitteln“ ist es schlecht bestellt: durch Wissenschaftler des NABU-Nordrhein-Westfalens und des Entomologischen Vereins Krefeld konnte Anfang 2016 festgestellt werden, dass zwischen 1985 bis 2014 die Insektenbiomasse an allen untersuchten Standorten um etwa 80 Prozent zurückgegangen ist. Dass von diesem Rückgang auch potenzielle Bestäuber betroffen sind, liegt auf der Hand. Ebenso der jüngst erschienene Bestäuber-Bericht des Weltbiodiversitätsrates (IPBES) bestätigt den weltweiten Rückgang von Bestäuberarten – und sieht im Einsatz von PSM einen der Hauptfaktoren dafür.

Das im Zuge des Midterm-Workshops zum NAP entworfene Eckpunktepapier, welches seit dem 17. Juni auf der Website des NAP einsehbar ist, fungiert als Grundlage für die Weiterentwicklung des NAP und stellt daher eine richtungsweisende Funktion dar. Der NABU nutzt deshalb die Gelegenheit, um sich konstruktiv in den Reformprozess einzubringen und unterbreitet den Gremien folgende Vorschläge, deren Umsetzung unabdingbar ist, um den NAP zu einem Instrument umzugestalten, das auch dem Schutz der biologischen Vielfalt dient:

  • Formulierung ambitionierterer, verbindlich festgesetzter Ziele mit konkretem Zeitplan.
  • Optimierung der Indikatoren, welche die Wirkung der NAP-Maßnahmen anzeigen (unter anderem durch Verbesserung der Datengrundlage).
  • Verbesserung und Veröffentlichung der Datenlage für PSM und ihrer Metabolite in allen Umweltmedien.
  • Entwicklung eines verbindlichen, auf Daten basierenden Konzepts zur Risikominimierung mit entsprechender Wirkungsabschätzung.
  • Ausbau der Erforschung zur Wirkung alternativer Pflanzenschutzmaßnahmen im Rahmen integrierter Pflanzenschutzmethoden.
  • Bestimmung von Modellregionen für NAP-konformen Pflanzenschutz, um den Landschaftsbezug herzustellen.
  • Verbesserung der Koordination zwischen den Gremien des NAP, insbesondere im Biodiversitätsbereich.
  • Verbesserung der Öffentlichkeitsarbeit zur Aufklärung über die Risiken des Einsatzes von PSM.
  • Stärkere und glaubwürdigere Einbeziehung von Umwelt- und Naturschutzverbänden.
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Blühstreifen können auch auf benachbarten Flächen den Schädlingsbefall vermindern (Foto: NABU/Klemens Karkow).

Um durch eine Reformierung des PSM-Einsatzes die fortschreitende Intensivierung der Landwirtschaft zu stoppen und damit auch der mangelhaften Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie sowie der EU-Biodiversitätsstrategie Abhilfe schaffen zu können, fehlt es der jetzigen Ausrichtung des NAP noch an Durchschlagskraft. Die 2017 erwartete Neuauflage des Aktionsplans muss demnach noch einer Reihe von natur- und umweltschutzfachlicher Anforderungen gerecht werden.