GAP-Ticker: 100 Tage Julia Klöckner

20.Juni 2018 Gestern hat Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner medienwirksam in einer Markthalle ihre „100-Tage-Bilanz“ vorgestellt (download hier). Wir haben uns das Kapitel zur GAP genauer angesehen – mit seinen Abschnitten „Problemstellung“, „Ziele“ und „Das haben wir erreicht“. In letzterem fanden wir erstaunliches.

Zunächst fällt auf, dass als „Problemstellung“ der vorliegende Vorschlag der EU-Kommission genannt wird – und nicht etwa die wegbrechende Akzeptanz, die immensen Umweltprobleme oder das sozio-ökonomische und finanzpolitische Versagen der Gemeinsamen Agrarpolitik selbst. Keiner der darunter stehenden Kritikpunkte  befasst sich zudem mit den völlig unzureichenden Plänen der EU-Kommission zur Verbesserung der Umweltbilanz – dazu später mehr. Stattdessen ist Julia Klöckner unzufrieden beim Thema Bürokratieabbau sowie den Vorschlägen zur Umverteilung der Mittel auf kleinere und mittlere Betriebe („Kappung“ und „Degression“). Umwelt und Tierwohl kommen nur im Zusammenhang mit der Forderung vor, das Budget sei zu klein, um den „hohen Anforderungen“ gerecht werden zu können. Heißt das im Umkehrschluss: Wenn es nicht noch mehr Geld vom Steuerzahler gibt als die beabsichtigten gut 50 Milliarden Euro pro Jahr, dann muss die Umwelt leider auf der Strecke bleiben?

Im Bereich der „Ziele“ würde man nun erwarten, dass sich hier zumindest die Forderung aus dem Koalitionsvertrag wiederfindet, dass der gesellschaftlich verlangte Wandel der Landwirtschaft von der EU gefördert werden müsse. Von diesem Wandel findet sich jedoch keine Spur in der Auflistung. Stattdessen – und an erster Stelle: Die Gelder sollen ausreichend fließen, und zwar möglichst unbürokratisch und mit vielen Freiheiten für die Mitgliedstaaten. Kein Wort dazu, wie Effizienz gesichert und Missbrauch verhindert werden soll (die permanente Forderung der Bundesregierung, EU-Hilfen an andere Staaten sollten nur gegen echte Reformzusagen gewährt werden, scheint im Agrarbereich nicht zu gelten…). Die Frage, ob und wie man künftig kleine Betriebe besser fördert, würde man gerne verschieben und später national klären, denn es droht Ungemach zwischen den Bundesländern.

Am Ende wird immerhin noch gefordert, dass die 2.Säule ein wichtiges Instrument bleiben soll um vielfältige Ziele zu erreichen… Kein Wort aber dazu, ob nicht die 1.Säule auch einen Beitrag zu konkreten Zielen leisten sollte? Die überproportionalen Kürzungen der 2.Säule will man anscheinend akzeptieren? Und schließlich wird klar, welche Ziele selbst für die 2.Säule als besonders relevant gesehen werden: Wettbewerbsfähigkeit, Produktion und wirtschaftlicher Entwicklung. Kein Wort von Naturschutzfinanzierung oder dem Beitrag der GAP zum Erreichen der EU-Umweltziele.

Quelle: www.bmel.de/DE/Ministerium/_Texte/100TageBilanz.html

Und schließlich die Bilanz („Das haben wir erreicht“): Geringere Kürzungen als befürchtet, die Abwehr der Angriffe auf die 1.Säule (Lob vom Deutschen Bauernverband ist gewiss) und eine stärkere Förderung von Umweltleistungen. Der erste Punkt lässt sich schwer messen, wir wissen nicht, was das Ministerium befürchtet hat. Der zweite Punkt ist eine klare Absage an jeglichen fachlichen Rat aus den eigenen Beiräten und der Wissenschaft insgesamt. Und der dritte Punkt ist leider eine glatte Unwahrheit. Der Vorschlag der GAP sieht keineswegs eine stärkere Förderung von Umweltleistungen vor – im Gegenteil. Die Zweckbindung von Greening-Geldern in der Ersten Säule fällt ersatzlos weg (es gibt kein Mindestbudget für die sog. „Ecoschemes“). Die Zweite Säule wird um 25% oder mehr reduziert, was bedeutet, dass die gleich bleibende 30%-Zweckbindung für Umwelt- und Klimaziele absolut weniger wird. Dort drohen wegen der möglichen Bioenergieförderung sogar massive umweltschädlich Suventionen. Es fehlen im Kommissionsvorschlag wichtige Absicherungen gegen umweltschädliche Förderung, die ökologischen Grundanforderungen gelten zudem nicht für investive Maßnahmen. Falls Frau Klöckner das Angebot freiwilliger Umschichtung von der 1. in die 2.Säule meint, oder die Optionen die beide Säulen theoretisch für Umweltschutzförderung bieten – dann sei nur gesagt, dass auch Deutschland derartge Möglichkeiten schon bisher kaum nutzt, geschweige denn die meisten anderen EU-Staaten. Das Vertrauen in ambitionierte Nutzung der Subsidiarität ist dahin, die Befürchtung eines Unterbietungswettbewerbs sehr begründet.

Hoffen wir, dass es sich beim letzten Punkt um ein Missverständnis handelt und nicht um den verhandlungstaktischen Versuch, die Kommissionsvorschläge tatsächlich als einen Fortschritt für die Umwelt darzustellen. Ein Schelm wer dabei an die Verhandlungen zur letzten GAP denkt, in der Klöckners Vorvorgängerin Ilse Aigner strikt nach der Devise handelte: Verwässern, statt Verbessern!

Der NABU-GAP-Ticker

Was steht auf dem Spiel für Insekten, Bauernhöfe und unsere ländlichen Räume? Was sagt Julia Klöckner in Brüssel? Wie stimmen unsere Abgeordneten ab? Was passiert hinter den Kullissen? Im NABU-GAP-Ticker informieren wir über die Verhandlungen zur künftigen EU-Agrarpolitik – denn wir meinen, die Zeit der Hinterzimmerdeals ist vorbei. Es geht um viel – und die Öffentlichkeit hat ein Recht zu wissen, wie der Milliardenpoker um die Gemeinsame Agrarpolitik der EU abläuft. Abonnieren Sie diesen Blog um auf dem Laufenden zu bleiben, stellen Sie Fragen und diskutieren Sie mit uns über die Kommentarfunktion. Hintergrundinfos auf www.NABU.de/agrarreform2021. Folgen Sie uns auch auf Twitter: @NABU_biodiv#FutureOfCAP

Titefoto: Europäische Union 2013

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