Brutvögel Beiträge

Vom Ankommen

Moin zusammen,

auch wenn die Temperaturen noch eine andere Sprache sprechen, es ist Frühling im Wattenmeer. Für die Zugvögel ist es die Zeit des Ankommens. Die ersten Stunden des Tages verbringe ich mit der Zugplanbeobachtung, der systematischen Erfassung aktiv ziehender Vögel. Hierfür sitze ich im Windschatten der Trischenhütte. Mein Blick ist nach Süden gerichtet und ich schwenke immer wieder den Horizont ab, um auf mich zukommende Trupps zu entdecken. Außerdem lausche ich, was über mir so entlang zieht. Bisher ist es noch recht ruhig. Ein paar ziehende Rohr- und Kornweihen, Blässgänse, Stare und Bluthänflinge sind schon unterwegs. Der starke Vogelzug lässt noch auf sich warten. Die Vögel sind auf dem Weg in ihre nördlicheren Brutgebiete und kommen langsam dort an.

Eine ziehende Kornweihe

Von den 25 Arten die im letzten Jahr auf Trischen gebrütet haben sind bisher 19 auf der Insel angekommen. Die Weißwangen- und Graugänse bilden Paare, die Brandgänse Balzgruppen, die Kormorane sammeln sich, der Wanderfalke rauscht ab und zu vorbei, Austernfischer und Rotschenkel trällern vor sich hin, und Feldlerche und Wiesenpieper erfüllen die Luft mit ihrem Gesang. Ich konnte bislang um die 50 Löffler beobachten, im letzten Jahr waren es um diese Zeit etwa doppelt so viele. Ich hoffe, in den nächsten Tagen kommen noch mehr von ihnen auf der Insel an.

Ein aufgeregter Rotschenkel

Auch ich bin mittlerweile angekommen. In meiner ersten Woche habe ich die Insel erkundet und bin nun so gut wie überall einmal gewesen. Die Insel wird mir immer vertrauter und Routinen stellen sich ein. Es gab einige neue erste Male, der erste Bernstein, die ersten abgelesenen Vogelringe, die erste Essensbestellung und der erste leichte Sonnenbrand. Ich habe, wie die Vögel, mein Revier besetzt und freue mich nun auf den Frühling auf Trischen.

Die besten Grüße

Jakob

Auf den zweiten Blick

Liebe Trischen-Blogleser*Innen,

als wir vor zwei Wochen die Dünen auf der Suche nach Möwenküken durchkämmten, erlebten wir eine kleine Überraschung als plötzlich ein laut forderndes Piepsen erklang. Ein Möwenküken war es nicht, aber wir machten uns trotzdem auf die Suche. Die Ortung war gar nicht so einfach, doch schließlich hatten wir die Pieps-Richtung ausgemacht und eine horstige Ansammlug der Strandquecke (Agropyron litorale) im Visier.

Vorsichtig schoben wir ein paar Halme zur Seite und da schauten uns kleine Köpfchen mit riesigen Schnäbeln und gelben Schnabelwinkeln entgegen. Ein Wiesenpieper-Nest! Wiesenpieper (Anthus pratensis) sind eher heimlich und die Nester gut in der Vegetation versteckt. Hätten wir das Piepsen nicht vernommen, wären wir daran vorbeigelaufen.
 

 
 

Wiesenpieper

Auch die adulten Wiesenpieper sind leicht zu übersehen. Ihr Gefieder wirkt zunächst unscheinbar braun-schmutzig weiß, weist aber bei näherer Betrachtung eine feine Strichelung auf Kopf, Rücken, Brust und Flanken auf. Genauso leicht gehen die Rufe und der Gesang des Wiesenpiepers in dem Gesangs-Crescendo der anderen Arten unter. Am besten sind sie zu entdecken, wenn sie bei ihrem Singflug wie ein abstürzendes Flugzeug mit nach oben gerichteten Flügeln vom Himmel gleiten, oder auf einer Sitzwarte sitzen.

Neben ihrer subtilen Schönheit mag ich die Wiesenpieper aber auch aufgrund des Lebensraumes, für den sie stehen. Als Bodenbrüter und Insektenfresser sind Wiesenpieper auf (feuchte) extensive Wiesen und ein reiches Insektenvorkommen angewiesen. Ein Lebensraum der durch Entwässerung, Überdüngung und Pestizideinsatz, zu häufige Mahdschnitte oder Grünlandumbruch bedroht ist. Damit steht der Wiesenpieper stellvertretend für all die anderen Wiesenbrüter wie Kiebitz, Uferschnepfe und Co., die unter der heutigen Intensiv-Landwirtschaft leiden.
 

Und sonst?

Die Wiesenpieper sind nicht die einzigen, die auf Trischen noch kleine Küken zu füttern oder zu führen haben. Neben den schon fast flüggen Möwenküken, sind noch wenige Brandgans- (Tadorna tadorna) und Weißwangengansfamilien (Branta leucopsis) auf der Insel unterwegs. Ganz besonders gefreut habe ich mich aber über den lang ersehnten Nachwuchs bei den Löfflern (Platalea leucorodia)!
 

 
Nachdem die Hauptkolonie dieses Jahr aufgegeben wurde, hat ein Teil der Löffler erneut mit der Brut begonnen. Eigentlich hatte ich aufgrund des fortgeschrittenen Jahres nicht mehr mit einem Schlupf gerechnet, doch zu meiner großen Freude habe ich mich geirrt. Vor etwa zwei Wochen haben sich die ersten Löfflerküken aus dem Ei gepellt.

Ich hoffe sehr, dass sie sich trotz des im Moment etwas regnerischen und stürmischen Wetters gut entwickeln, um rechtzeitig und gut genährt in ihre Winterquartiere starten zu können.

Ihre Vogelwartin 2023

Wie der Ring ans Bein kommt

Liebe Blogfolger*Innen,

vor einigen Wochen habe ich schon einmal kurz über das Ablesen von Möwenringen berichtet. Dieses Mal möchte ich aus gegebenem Anlass darauf eingehen, wie und warum ein Ring an ein Vogelbein kommt.

Wissenschaftliche Vogelberingung
Jeder Ring trägt eine Kennnummer, die eine individuelle Zuordnung zu einem Vogel möglich macht. Durch Beringung und Ablesung der Kennnummer lassen sich Kenntnisse über das Leben des Vogels gewinnen. Werden genug Individuen einer Vogelart beringt, können beispielsweise Rückschlüsse auf Zugwege, Überwinterungsgebiete, populationsökologische Parameter wie Überlebensraten usw. gezogen werden. Und diese Informationen sind dann wiederum für den Naturschutz relevant. Denn nur wenn wir wissen, dass sich die Überlebensraten von Jungvögeln verschlechtern, können wir auf Ursachensuche gehen.

Ringarten gibt es vielerlei verschiedene. Der „Standardring“ ist ein Metallring, der neben der individuellen Kennnummer noch Informationen zur zuständigen Vogelwarte und zum Herkunftsland enthält. Um diesen Ringtyp abzulesen, muss der Vogel aber oftmals wiedergefangen werden bzw. bedarf es zum Ablesen großer Geduld und einer günstigen Gelegenheit. Daher werden im Rahmen spezieller Projekte zusätzlich andere Ringe eingesetzt, die auch auf Distanz abgelesen werden können. Möglich sind beispielsweise Farbringe mit Kennnummer, oder Kombinationen mehrerer Farbringe. Aber auch Halsringe oder Flügelmarken finden, je nach Vogelart, Verwendung.

Möwenberingung auf Trischen
Auf Trischen werden seit einigen Jahren im Rahmen des „Trilateral Monitoring Assessment Program“ (TMAP) der drei Wattenmeeranrainerstaaten Silber- und Heringsmöwen beringt. Die Beringung dient in erster Linie dazu den Bruterfolg (Küken pro Paar) von Silber- und Heringsmöwen abzuschätzen, hilft darüber hinaus aber noch bei der Beantwortung weiterer wichtiger Fragestellungen, wie beispielsweise bei der Ermittlung von Überlebensraten und Überwinterungsgebieten.

Für die Beringungsaktion bekam ich letztes Wochenende Besuch, denn beringt werden darf (auch außerhalb der Nationalparkzone I) nur mit Genehmigung. Drei Tage lang haben wir in zwei Durchgängen die Dünen auf der Suche nach Möwenküken durchkämmt, die sich erstaunlich gut in der hohen Vegetation verstecken können. Und manchmal war sogar etwas sportlicher Einsatz zum Einfangen der Küken gefragt. Zur besseren Ablesung bekamen die Möwen, als Ergänzung zum Metallring, einen Farbring ans Bein. Insgesamt konnten so ca. 280 Küken beringt werden, deutlich weniger als im letzten Jahr.

 

Ringe ablesen
Damit fängt die Arbeit aber erst an, denn nur durch Ablesungen lassen sich die erhofften Erkenntnisse gewinnen. In den nächsten Wochen werde ich mich also wieder verstärkt an Möwengruppen heranpirschen und fleißig Möwenbeine durchmustern, vielleicht ist ja irgendwo ein Ring versteckt. Und durch zahlreiche Ablesungen lassen sich hoffentlich nach und nach die Lebenswege der einzelnen Möwen nachvollziehen.

Möglicherweise finden auch sie am Strand, am Hafen oder an der Mülldeponie eine beringte Möwe und können durch ihre Sichtung zum ersehnten Erkenntnisgewinn beitragen. Den Ringfund melden können sie über die zuständige Vogelwarte, oder sie suchen unter www.cr-birding.org nach dem Beringungsprojekt.

Ihre Melanie Theel

Das große Schlüpfen

Liebe Blogfolger*Innen,

das große Schlüpfen hat begonnen. Seit etwa zwei Woche pellen sich die Küken der Großmöwen und der Kormorane aus ihren Eiern. Und heute habe ich den ersten Flussseeschwalben- und Lachmöwennachwuchs  beobachten dürfen, wie er noch etwas wackelig auf den Beinen das Nestumfeld erkundete.

 

Damit ist Trischen im Vergleich ganz schön spät dran, denn das Wetter „hier draußen“ ist doch etwas rauer als am Festland. Niedrige Temperaturen können den Brutbeginn, aber auch die Kükenentwicklung im Ei verzögern. Allerdings hat auch der erhöhte Wasserstand Ende Mai seinen Tribut gefordert und einige der Lachmöwennester davon geschwemmt, weshalb sie nun mit ihrem Nachgelege im Verzug sind.

Sommerhochwasser auf Trischen kommen immer wieder vor (und werden im Zuge des Klimawandels vermutlich weiter zunehmen) – trotzdem versuchen es die Lachmöwen jedes Jahr erneut an derselben Stelle. Dieses Jahr waren bisher nur die Nester betroffen, was zum Teil durch Nachgelege kompensiert werden kann. Schlimmer wäre es gewesen, wenn das Sommerhochwasser zur Zeit des größten Kükenvorkommens stattgefunden hätte.

Für mich bedeutet das große Schlüpfen vor allem eines: Erleichterung. Kaltes Frühjahr hin oder her, mit so einer starken Verzögerung hatte ich nicht gerechnet. Zwischendurch fühlte ich mich ein bisschen wie eine Glucke, die um das wohl behütete Nest umherschleicht und nach dem Rechten sieht – ein diffuses „hier stimmt doch etwas nicht“ im Gefühl.

Und leider trifft dies auch auf einige der Inselbewohner zu. Die Löfflerkolonie im Norden der Insel wurde aus bisher ungeklärten Ursachen aufgegeben. Die Löffler hatten sowieso schon sehr spät mit der Brut begonnen und Mitte Mai noch kaum Eier in den Nestern. Anfang des Monats wurde die Kolonie dann aufgegeben. Nun befinden sich nur noch knapp 130 Tiere auf der Insel, ein kläglicher Rest der 179 Paare des letzten Jahres.  Von diesen versuchen sich nur noch wenige in einem Nachgelege. Nun steht die große Frage des „Warum?“ im Raum. Ich hoffe sehr, dass wir zu einer Antwort gelangen.

Seite an Seite mit den Brutvögeln auf Trischen zu leben, sie jeden Tag zu beobachten und zu monitoren, lässt mich mit ihren Schicksalen regelrecht mitfiebern. Hat der Sandregenpfeifer am Hüttenzugang noch sein Nest? Führen die Weißwangengänse an der Südspitze noch ihre vier Gössel (Gänseküken)? Und wieso gibt es dieses Jahr keinen Wanderfalken-Nachwuchs? Fragen über Fragen, die ich mir jeden Tag stellen kann – auch wenn ich bei über 5.000 Brutpaaren natürlich nicht jedes individuelle Schicksal mitverfolgen kann. Das Große und Ganze behalte ich jedoch im Blick – und das ein oder andere Brutpaar ganz besonders.

Ihre Melanie Theel

Vogelperspektive

Liebe Trischen-Begeisterte,

auch letztes Wochenende stand wieder ein Perspektivenwechsel auf Trischen an. Seit 2017 findet Ende Mai/Anfang Juni eine Drohnenbefliegung zur Ermittlung des Brutbestandes ausgewählter Arten statt. Denn aus der Luft können die Vögel in der hohen Vegetation besser und störungsärmer erfasst werden – so der Gedanke. Bisher handelt es sich aber noch um einen Testlauf, weshalb nach wie vor eine Bodenerfassung (Begehung) durchgeführt wird, um die Validität der Ergebnisse zu überprüfen.

Da ich noch nie mit einer Drohnenerfassung zu tun hatte, wusste ich nicht, was mich erwartet. Wie würden wohl die Vögel auf die Drohne reagieren? Schließlich wird jeder potenzielle Prädator von Austernfischer, Seeschwalbe & Co. sofort attackiert. Um das Störpotenzial der Drohne richtig einschätzen zu können, wird während sowie vor und nach der Befliegung, die Vogelaktivität auf der Insel in einem Störprotokoll festgehalten.

Drohne über Trischen zur Brutbestandserfassung

Von der Hütte aus war die Drohne im Norden jedenfalls kaum zu erkennen und das Brummen der Rotoren erst im näheren Umkreis zu hören. Überraschenderweise schienen sich auch die Brutvögel Trischens nicht besonders um die Drohne zu kümmern, denn nur selten konnten wir ein Auffliegen beobachten. Allerdings scheint dies zwischen den Drohnentypen, den Vogelarten und zwischen manchen Rast- und Brutvögeln unterschiedlich zu sein. Denn die rastenden großen Brachvögel wurden mehrfach von der Drohne aufgeschreckt.

Direkt im Anschluss der Befliegung bekam ich auch schon die ersten Bilder zu sehen und konnte mich im Bestimmen der Arten aus 100m Höhe üben. Was bei den Großmöwen, den Löfflern und den Kormoranen sehr gut funktioniert, wird schwieriger, wenn es an die kleineren Arten wie Lachmöwe und Seeschwalbe geht. Besonders spannend fand ich auch den Perspektivenwechsel. Denn das Bild, welches ich mir nach und nach von dem leicht erhöhten Standpunkt meiner Hütte oder der Dünen über die Lage und Ausdehnung der Kolonien gemacht habe, unterscheidet sich doch deutlich von der Realität. Und wieder einmal zeigt sich: Die Perspektive machts!

Inwieweit meine Kartierergebnisse mit den Drohnendaten übereinstimmen, wird sich aber erst noch zeigen. Denn nun müssen die Luftbilder bearbeitet und ausgezählt werden. Und auch meine Auswertung steht noch aus.

In jedem Fall war es wieder ein ereignisreiches Wochenende, mit neuen Erfahrungen und netter Gesellschaft. Übrigens hatte ich großes Glück, denn die „Luise“, mein Versorgungsschiff, ist gerade in Reparatur und so fand meine Verpflegung den Weg über Marc und Clara (welche die Drohnenerfassung durchgeführt haben) zu mir nach Trischen.

Ihre Vogelwartin 2023