Leere Hüllen Teil II

Wie angekündigt, stelle ich heute weitere „leere Hüllen“ vor.

Zunächst ist da wieder eine Eikapsel – allerdings nicht vom Katzenhai, wie beim letzen Mal. Diese Eikapsel hat zwar die gleiche Farbe und eine sehr ähnliche Konsistenz, doch ist aus ihr einst ein kleiner Rochen geschlüpft. In der Nordsee kommen verschiedene Arten vor. Bei dieser Kapsel handelt es sich vermutlich um das leere Ei eines Nagelrochens.

Trischens Strand liegt voll von Muschelschill. Sandklaffmuscheln, Schwertmuscheln, Herzmuscheln und Miesmuscheln sind vermutlich vielen bekannt. Auf diesem Foto ist die Krause Bohrmuschel zu sehen. Besser gesagt, eine Hälfte der Schale eben dieser. Die Bohrmuschel kann sich, wie ihr Name vermuten lässt, in Torf, weichen Fels oder manchmal auch in Holz hinein bohren. Dies gelingt ihr dank der Zähnchen, die sich auf der Schale befinden. Mit der Zähnchenseite voran also, bohrt sie sich tief hinein. Das Hinterende mit dem Siphon ist der Öffnung der Bohrung zugewandt, sodass die Muschel frisches, nährstoffreiches Wasser filtern kann und gleichzeitig vor Fressfeinden gut geschützt ist. Die meisten Muscheln haben einen Grabefuß um sich im Wattboden tiefer zu graben. Die Bohrmuschel setzt ihn in Kombination mit den Zähnchen und ihrem Schließmuskel ein, um sich tiefer in das harte Etwas zu graben. Wie ein Bohrer dreht sie sich um die eigene Achse. Nur eben im „Muschel-Tempo“. Für eine Umdrehung muss die Krause Bohrmuschel bis zu 30mal neu ansetzen und ihre Abfolge von Grabefuß- und Schließmuskelbewegung immerzu wiederholen.

Bei der dritten leeren Hülle denkt sich vielleicht der ein oder die andere: Jetzt hat sich die Vogelwartin aber wirklich vertan und ein totes Tier fotografiert!

Aber dies ist nur der alte Panzer einer Strandkrabbe. Sie ist weich und lebend aus dieser Hülle geschlüpft und hat einen neuen Panzer gebildet. Diese Fähigkeit der Krebstiere finde ich immer wieder neu faszinierend. Ihr Problem ist nämlich, dass ihr Panzer nicht mitwächst. So wie wir aus unserer Kleidung wachsen, wächst die Strandkrabbe aus dem Panzer, der sie schützt. Da muss eben von Zeit zu Zeit das Kleid gewechselt werden. Der Panzer platzt an der Rückseite auf und die weiche Strandkrabbe schlüpft hinaus. Sie vergräbt sich zunächst im Watt um vor Fressfeinden in diesem „nackten“ Zustand geschützt zu sein. Es bildet sich ein neuer, größerer Panzer, und weiter geht’s. Falls ihr zuvor eventuell ein Bein oder eine Schere abhanden gekommen ist, ist die Zeit der Häutung auch die Zeit der Nachbildung. Zunächst noch etwas klein, entwickelt sich das fehlende Gliedmaß einfach neu.

Im Plattdeutschen heißt die Strandkrabbe übrigens „Dwarslöper“, was soviel wie „Querfläufer“ bedeutet. Denn das ist die Art ihrer Fortbewegung durch Priele und über den Meeresgrund: Seitlich – und gleichzeitig alles was ihr vor die Scheren kommt, fressend.

Anne de Walmont

Vogelwartin 2019