Mutterkorn in der Salzwiese
Das Mutterkorn (Claviceps purpurea) ist ein parasitischer Pilz, welcher unter vielen verschiedenen Namen (z.B. Hungerkorn, Tollkorn oder Hahnensporn) bekannt ist und in den Fruchtknoten von Gräsern – auch auf dem Schlickgras (Spartina anglica), wächst. Überwintern kann der Pilz in einer Dauerform (Sklerotium), die wie ein Korn aussieht und einige Zentimeter lang und dunkelviolett – orange gefärbt ist. Dieses „Korn“ wächst aus den Blüten der Wirtspflanze, fällt zu Boden und wird im Herbst mit der Flut verdriftet. Im nächsten Frühjahr bildet sich daraus ein Fruchtkörper, der Schläuche mit Sporen ausbildet, die dann mit dem Wind auf die Naben der Pflanzen vertrieben werden. Dort kommt es zu einer Infektion der Wirtspflanze. Der Pilz „befiehlt“ der Pflanze zunächst ein klebriges Sekret – den Honigtau zu produzieren, welcher Insekten anlockt. In diesem Honigtau befinden sich Pilzsporen, die dann mit Hilfe der Insekten auf andere Pflanzen verbreitet werden. Aus den infizierten Blüten wächst anschließend ein Pilzgeflecht, welches sich innerhalb weniger Wochen zu einem Sklerotium entwickelt, von der Pflanze zu Boden fällt und so den Kreis schließt.
Der Name „Mutterkorn“ rührt daher, dass das Gift des Pilzes, das sog. „Mutterkorn-Alkaloid“ bereits im Mittelalter bei der Geburtshilfe verwendet wurde: so lässt sich das Gift – in der richtigen Dosis, als Wehenmmittel oder nach der Geburt zur Blutstillung einsetzen. In der falschen Dosierung kann das Alkaloid allerdings höchst abenteuerliche Nebenwirkungen (das Alkaloid ist Grundstoff für eine sehr bekannte Droge – LSD) und im schlimmsten Fall sogar den Tod zur Folge haben. Im Mittelalter war das Mutterkorn vor allem deshalb sehr gefürchtet, weil mit Mutterkorn verunreinigtes Getreide / Mehl schnell zum Tod aller, die davon gegessen haben, führte.
In der Salzwiese kommt das Mutterkorn vor allem auf dem Schlickgras (Spartina anglica) und der Strandquecke (Agropyron litorale) vor. In den letzten Wochen stellte ich immer wieder fest, dass meine Hose nach einem Streifzug durch die Salzwiese voll von diesem klebrigen „Honigtau“ war. Bei Recherchen im Internet und Gesprächen mit Bekannten und Kollegen vom Festland stellte sich heraus, dass es sich hier nicht um ein Trischen-spezifisches Phänomen handelt, sondern, dass die Infektionsrate beim Schlickgras generell sehr hoch ist. Auf dem Schlickgras gedeiht der Pilz sogar noch besser als auf der eigentlichen Wirtspflanze – dem Weizen oder dem Roggen.
Doch auch, wenn Sie Mutterkorn in der Salzwiese oder im Spülsaum entdecken besteht noch keine direkte Gefahr: Denn nur, wer das Mutterkorn isst, läuft Gefahr sich zu vergiften.
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