Kein Tag wie jeder andere

Liebe Blogfolger*Innen,

eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang klingelt der Wecker. Am liebsten würde ich mich gähnend unter der Bettdecke verstecken, aber schon kann ich durch die geöffnete Tür die ziehenden Schafstelzen und Wiesenpieper rufen hören. Aufstehzeit – Zugplanzeit – meine liebste Zeit. Einfach nur dastehen und lauschen, Löcher in die Luft starren und warten, wer da kommen mag. Eine dampfende Tasse Kaffee und ein leckeres Frühstück neben mir auf dem Geländer.

Und nein, jetzt berichte ich ausnahmsweise nicht von einer besonderen Beobachtung. Auf den Wunsch einer Leserin, erzähle ich heute von einem ganz „normalen“ Tag auf Trischen. Nur dass es nach meinem Empfinden auf Trischen keine normalen Tage gibt. Denn jeder Tag ist anders und besonders, da alle meine Aktivitäten auf Trischen licht-, tide- und wetterabhängig sind. Nur der Morgen beginnt immer gleich, egal ob zur Brut- oder Zugzeit: mit Beobachten.

Licht

Trischen ist nicht an das Stromnetz angeschlossen. Der mir zur Verfügung stehende Strom wird durch Solarpanele auf dem Dach produziert. Dieser reicht völlig aus, um die Akkus zu laden, den kleinen Kühlschrank zu betreiben und um abends noch kurz das Licht anzumachen. Aber meistens passe ich mich so an das Tageslicht an, dass künstliches Licht gar nicht notwendig ist, oder ich greife auf Kerzenlicht zurück. Manchmal, an lauen windstillen Abenden, mache ich mich ab der Dämmerung auf die Pirsch nach Fledermäusen oder Nachtfaltern. Denn Trischen hat noch so viel mehr zu bieten als die Ornithologie!

 

Tide

Die Stunden vor und nach Hochwasser verbringe ich meistens an der Hütte, um die durch das Wasser heranrückenden Vögel möglichst wenig zu stören. Außerdem bietet die Hütte einen super Windschutz und erhöhten Standpunkt – gut fürs Seawatchen und um die im Watt trippelnden Limikolen nach Seltenheiten durchzumustern.  Nur etwa alle zwei Wochen zur Springtidenzählung, oder wenn ich mich an der Südspitze auf der Suche nach bunten Ringen an Vogelbeinen herumdrücke, bin ich auch mal zu Hochwasser auf der Insel unterwegs.

Die Zeit um Niedrigwasser nutze ich demnach für alles andere – das sind also die geschäftigen Stunden des Tages. Ich unternehme Kontrollgänge über die Insel, schaue nach Totvögeln, sammle Holz und widme mich den gerade anstehenden Aufgaben wie z.B.: der Inselvermessung oder der Wattkartierung.  Aber auch die Alltagsaufgaben wie Ofenholz sägen, Blogbeiträge schreiben, Wäsche waschen (immer vormittags, damit die Wäsche noch Zeit zum Trocknen hat) oder die Suche nach Insekten stehen dann auf dem Programm. Wobei ich zugeben muss, dass die Zeit um Niedrigwasser auch eine gute Zeit ist, um in der Düne zu liegen und den Himmel (hoffentlich) im Blick haben oder um eine kleine Badesession im Priel unternehmen – neben der Solardusche die einzige Möglichkeit, um wieder sauber zu werden.

 

Wetter

Wirklich ungemütliche Tage verbringe ich vermehrt in der Hütte, um aufzuarbeiten, was liegen geblieben ist. Das können beispielsweise Dateneingaben oder Auswertungen von Nachtaufnahmen sein. Manchmal sitze ich aber auch nur mit einer schönen Tasse Tee und einer warmen Decke in einer wind- und regengeschützten Ecke und genieße das Toben des Regens und Windes um mich herum.
Ich liebe dieses Leben, das sich so völlig an den Gegebenheiten um mich herum orientiert. Ich habe zwar eine Liste mit meinen To-dos, die (in bestimmten Zeiträumen und unter bestimmten Bedingungen) zu erledigen sind, die ich mir aber so eintakten kann, wie es passt. Und so wird jeder Tag zu etwas Besonderem. Denn ich weiß nie, was auf mich zukommt und was oder wen der neue Tag mit sich bringt.

Aber einen festen Termin gibt es doch: den Samstag! Denn dann kommt Axel mit meiner Essensbestellung, Trinkwasser und, wenn ich Glück habe, Post und dem neuesten Festlandsschnack.

 

Ihre Vogelwartin 2023