Oktober 2023 Beiträge

Sterne über und Sterne unter mir

Liebe Blogfolger*Innen,

es gibt gute Nachrichten: der Newsletter zum Trischen-Blog sollte wieder funktionieren. Vielleicht haben sie sich schon gewundert, dass es die letzten Wochen still um Trischen geworden ist? Ich habe zwar fleißig weiter Beiträge verfasst, aber leider sind die Benachrichtigungen bei Ihnen ausgeblieben. Aber nun sollte der Fehler behoben sein und das heißt, sie können nächste Saison wieder ganz gewohnt mitlesen. Jakob, mein Nachfolger, steht schon in den Startlöchern und freut sich auf sie.

Für mich wird dies leider mein letzter Beitrag sein, denn diese Zeilen schreibe ich schon mit Festland unter den Füßen. Aufgrund des angesagten schlechten Wetters in den kommenden Tagen, haben Axel und ich meine Abreise von Trischen spontan vorverlegt und so bin ich gestern nach fast sieben Monaten Trischen wieder in den Meldorfer Hafen eingelaufen.

Es war eine Zitterpartie bis zum Schluss. Starke Böen, die in der Nacht abgeflaut sind, Regenschauer und ein Hochwasser mit 0,5m MTHW – all dies hätte uns beinahe in letzter Sekunde einen Strich durch die Rechnung gemacht. Aber mittags stand es dann fest: die Schleuse in Meldorf öffnete ihre Pforten und Axel konnte nach Trischen übersetzen.

Und so habe ich den Nachmittag damit verbracht meine Habseligkeiten bei schönstem Wetter an die Südspitze zu karren und die Hütte winterfest zu machen. Um Traurigkeit aufkommen zu lassen, war nicht viel Zeit, denn fünf Wagenladungen später streifte die Sonne schon den Horizont und so habe ich schleunigst den Wagen zurück zur Hütte gebracht und mich ein letztes Mal von ihr verabschiedet.

 

Aber dies soll heute kein Beitrag über Abschiede werden, oder zumindest nicht ausschließlich. Vielmehr soll es ein Beitrag über unvergesslich schöne Momente auf Trischen sein. Ich glaube nicht, dass es „den einen“ Moment gab, in dem ich Trischen voll und ganz in mein Herz geschlossen habe. Es war viel mehr ein Lebensgefühl, das Trischen-Gefühl, das mich für die Insel eingenommen hat.

Trischen war so vieles: das Trillern der Brachvögel im Watt oder das Tütern der Rotschenkel auf dem Hüttengeländer, das Rauschen des Windes und des Meeres, die Stille, eine wackelnde Hütte, Sandverwehungen, heraufziehende Regenfronten, wunderschöne Sonnenauf- und Untergänge, über mich ziehende oder auffliegende Vogelschwärme, das Summen der Insekten in der blühenden Salzwiese, Hochwasser, Barfußlaufen im Sand, Heranpirschen an Vogelschwärme und stundenlanges Ausharren an der Hütte für Beobachtungen. Trischen war Freiheit, Unberührtheit, Veränderlichkeit.

Diese Momente kamen meistens wie aus dem Nichts – dann, wenn ich am wenigsten mit ihnen gerechnet habe. So auch an meinem Abschieds-Tag: Gedankenversunken war ich ein letztes Mal auf dem Rückweg von der Hütte zur „Luise“, habe innegehalten, wollte den Moment bewusst aufsaugen -den Geruch, die Geräusche, die Abendstimmung- als zwei Sumpfohreulen direkt vor mir jagend über die Düne flogen. Eine davon umschwirrte mich lautlos in der Dämmerung und setzte sich wenige Meter von mir entfernt in die Düne. Wir beide harrten aus, starrten uns an, bis die Eule schließlich genug hatte, mich nochmals umschwirrte und davon schwebte.

 

Am Abend saß ich noch mit Axel auf der „Luise“ zusammen, bis das Wasser hoch genug zum Auslaufen war. Über uns ein seltsam klarer Sternenhimmel in einer lauen Trischen-Nacht.  Unter uns das leise plätschernde Wasser, das schwach an den Strand brandete. Nur dass an der Brandungslinie kleine helle Funken zu erkennen waren! Ich war nicht mehr zu halten. Schnell runter von der Luise und mit nackten Füßen ins kalte Wasser. Meeresleuchten! So stark, wie ich es noch nie gesehen hatte. Jede meiner Bewegungen löste Kaskaden kleiner Lichterkränze in meiner Umgebung aus. Jedes Spritzen von Wasser echote in der Entfernung.

Diese Momente möchte ich mit nach Hause nehmen, um noch Jahre davon zehren zu können. Diese Momente sind Trischen. Und für jeden von ihnen bin ich unglaublich dankbar.

Und neben all den Menschen, die mir einen Aufenthalt ermöglicht haben, die für mein leibliches und seelisches Wohl gesorgt haben, oder die zum Schutz und Erhalt eines solch einmaligen Ökosystems beitragen, möchte ich mich auch bei Ihnen bedanken: Für ihr Interesse, das Mitlesen und die vielen netten Kommentare.

Ich wünsche ihnen noch viele weitere spannende Trischen-Geschichten!

Ihre Melanie Theel

Hin und wieder zurück – ein Wiedersehen

Liebe Trischen-Blogfolger*Innen,

still stehe ich auf dem Hüttenumlauf und warte auf die durchziehenden Singvögel. Der Zug ist in vollem Gang. Manchmal schwirrt die Luft vor lauter Wiesenpiepern, die sich auf den Weg in den Süden machen und mit aufgeregtem „ist-ist“ an mir vorbeifliegen. Ab und zu mischen sich auch andere Rufe hinzu. Diese Woche habe ich zum Beispiel mein erstes „zriehh“ (Rotdrossel) und „wääP“ (Bergfink) des Herbstes vernommen.

Rotdrossel

Ich begrüße die Durchzügler wie alte Freunde, auch wenn es manchmal einen kleinen Moment dauert, bis mein Kopf schaltet und z.B. das „e-dü“ der Ohrenlerche einzuordnen vermag. Schließlich habe ich sie zuletzt vor etwa sechs Monaten gehört. Aber habe ich den Ruf erkannt, liegt er mir wieder im Ohr und begleitet mich durch den Winter.

Für einen kurzen Moment habe ich dann ein kleines Glücksgefühl im Bauch. Ich versuche mir vorzustellen, welchen Weg der Vogel schon zurückgelegt hat und wie wohl sein Brutgebiet aussieht. Ich träume dann von endlosen Wäldern und weiten grünen, stellenweise auch kargen Landschaften, die bald unter einer Schneedecke versinken werden. Und für kurze Zeit packt mich das Fernweh.

Trottellumme

Dann mischt sich zu dem Glücksgefühl ein bisschen Wehmut hinzu. Denn die Durchzügler zeigen auch, wie viel Zeit vergangen ist. Fast sieben Monate – vergangen wie im Flug.

Aber heute hatte ich einen für mich seltsam beruhigenden Gedanken: Auch wenn ich in 1,5 Wochen die Insel verlassen muss, wird auch in Zukunft alles seinen gewohnten Gang gehen. Zug- wie Brutvögel werden kommen und gehen. Genauso wie das Wasser. Der Sand wird weiter über den Strand wehen, die Insel wandern, der Strandflieder blühen und der Queller sich rot verfärben. Es ist völlig egal, ob ich hier bin oder nicht, Trischen bleibt.

Und so kann ich auf dem Hüttenumlauf stehen und mich wieder freuen. Freuen, über die Raubmöwen die scheinbar mühelos über die Wellenkämme fliegen. Freuen, über das Odinshühnchen, das mit einer hektischen Fröhlichkeit in der Südostbucht nach Nahrung sucht. Und freuen über die Trottellumme, die am Strand eine Pause einlegte und zufällig meinen Weg kreuzte.

Ihre Melanie Theel