Von der Leyen bläst zur Wolfsjagd

Wolf am frühen Morgen auf Truppenübungsplatz in der Lüneburger Heide. Foto: Jürgen Borris

Wahlkampfgeschenk an Konservative vor Europawahl

Liebe Leser*innen, Sie haben es vermutlich mitbekommen: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bietet ein paar Tage vor Weihnachten den Wolf ihrer konservativen Parteienfamilie als Wahlkampfgeschenk an, Medien rufen bereits die Wolfsjagd in der EU aus. Worum es genau geht, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Vorschlag zur Änderung der Berner Konvention

Am 20. Dezember veröffentlichte die EU-Kommission einen Vorschlag für einen Rats-Beschluss, der darauf abzielt, den Schutzstatus des Wolfs in der völkerrechtlichen Berner Konvention über die Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere abzuschwächen. Konkret sollen die EU-Mitgliedstaaten den Antrag beschließen, den Status von streng geschützt auf geschützt zu ändern, was die Bejagung des Wolfs erleichtert. In der Pressemitteilung, in der Ursula von der Leyen selbst zitiert wird, führt die EU-Kommission auch aus, dass dies die Voraussetzung sei, den Schutzstatus im EU-Recht (der FFH-Richtlinie) zu ändern.

Absurde Begründung

Zur Begründung verweist die EU-Kommission auf die Auswertung von Daten, die sie zuletzt erhoben hat. Allerdings bestätigt der bei der EU-Kommission verlinkte Bericht der Generaldirektion Umwelt gerade nicht die Notwendigkeit zur Herabsetzung vom Schutzstatus des Wolfs. Auch ergibt sich aus dem Bericht nicht, dass eine Bejagung zu weniger Schäden bei Weidetieren führt.

Der Bericht führt die Argumentation von Ursula von der Leyen vielmehr ad absurdum. Denn die Kommissionspräsidentin behauptet, dass die Konzentration von Wolfsrudeln in einigen Gegenden der EU zu einer echten Gefahr insbesondere für die Tierhaltung geworden sei:

  • Im Bericht selbst wertet die Generaldirektion Umwelt aber aus, dass die Anzahl der jährlich vom Wolf getöteten Schafe gerade einmal 0,065% des EU-weiten Schafbestands von 60 Millionen Tieren ausmache.
  • Außerdem betonen die Kommissionsmitarbeiter, dass die Häufigkeit der Wolfsangriffe gerade in deutschen Bundesländern mit höheren Wolfszahlen signifikant heruntergegangen ist in den letzten Jahren, was die Wirksamkeit von Herdenschutzmaßnahmen bestätige.
  • Ebenfalls hervorgehoben wird, dass es in den letzten 40 Jahren keine fatalen Wolfsangriffe auf Menschen in der EU gegeben habe.

Wie geht es weiter

Zunächst muss die amtierende belgische Ratspräsidentschaft entscheiden, welche Ratsformation sich mit dem Vorschlag befasst. Naheliegend wäre der Umweltrat. Umweltrechtliche Gesetze werden im Umweltrat behandelt. Wie man hört, soll sich die Kommissionspräsidentin aber dafür einsetzen, dass der Agrarrat über den Vorschlag entscheidet.

Sodann befasst sich das die Räte vorbereitende Gremium (AStV) mit der Sache. Dies dürfte unserer Einschätzung nach noch vor Ende März erfolgen. Diese Entscheidung kommt einer „Probeabstimmung“ gleich. Für Deutschland hat die zuständige Bundesumweltministerin Steffi Lemke nach Veröffentlichung des Kommissionsvorschlags auf X (ehemals Twitter) klargestellt, dass das Vorgehen der EU-Kommission nicht zum Angriff auf das europäische Artenschutzrecht werden darf (Link Twitter). Insgesamt bräuchte es im Rat zunächst eine Sperrminorität, um den Vorschlag der EU-Kommission zu verhindern. Eine Enthaltung von Deutschland reicht hierfür nicht aus bzw. kommt dem Votum gleich, den Schutzstatus absenken zu wollen.

Sollte der Rat – obwohl sich die Mitgliedstaaten vor wenigen Jahren auf Schweizer Vorstoß hin gegen ein ähnlich formuliertes Anliegen ausgesprochen hatten – doch für den Kommissionsvorschlag stimmen, wird es ungemein schwerer, den Vorstoß noch zu verhindern. Denn dann reicht die EU den Antrag auf Änderung des Anhangs der Berner Konvention beim Ständigen Ausschuss der Berner Konvention ein. Zugleich beantragt die EU vermutlich eine Sondersitzung, um nicht bis Dezember 2024 warten zu müssen. Für die Änderung treten die EU-Mitgliedstaaten sodann „en bloque“ auf. Anbetracht der erwartbaren Position der übrigen europäischen Nicht-EU-Staaten wie der Schweiz oder Norwegen dürfte die nach Artikel 17 der Konvention für Anhangsänderungen erforderliche 2/3-Mehrheit wahrscheinlich zusammenkommen.

Das Thema wird uns also – wie von Ursula von der Leyen bezweckt – noch vor der Europawahl beschäftigen.

 

Ausblick auf die kommenden Monate

Auch sonst drehen sich die nächsten Monate nun vor allem um die Europawahl, wie die folgenden Entwicklungen zeigen.

Weiteres Wahlkampfgeschenk Bleimunition

So hagelte es noch vor Weihnachten weitere Wahlkampfgeschenke von Ursula von der Leyen für die konservative Wählerschaft. Am 21. Dezember schrieb beispielsweise der CDU-Abgeordnete Peter Liese auf X (ehemals Twitter): „Weihnachtsgeschenk für die Schützenvereine. Das umstrittene Verbot von Bleimunition beim Vogelschießen ist vom Tisch. Das hat mir die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in einem Brief persönlich bestätigt“ (Link zum Brief). Außer Acht lässt der Mediziner dabei, dass Blei ein giftiges Schwermetall ist, das uns Menschen schädigt. Bei der Jagd gelangt es in die Natur und landet hierüber in Tieren und Menschen. Alternativen zu Bleischrotmunition sind verfügbar. Umweltverbände werden Druck machen, dass ein EU-weites Verbot von Bleimunition auch nach der Europawahl Thema bleibt.

 

Irrwitzige CSU-Forderung nach Schwächung der Kommission

Die CSU macht im neuen Jahr dafür mit der Forderung auf sich aufmerksam, die EU-Kommission auf 7 Kommissare zu reduzieren, und auch den Verwaltungsapparat zurückzubauen (Europe.Table berichtete). Das käme einem Zurechtstutzen der EU gleich. Schon jetzt verfügt beispielsweise die Generaldirektion Umwelt nicht über ausreichend Personal und politische Unterstützung, den Vollzug des bestehenden Umweltrechts sicherzustellen. Dass es sich um populistisches „Brüssel-Bashing“ handelt, zeigt auch ein simpler Zahlenvergleich. Laut eigenen Angaben beschäftigte die EU-Kommission im Jahr 2023 32.000 Mitarbeiter. Allein die Stadtverwaltung München kommt laut Wikipedia auf mehr als 40.000 Mitarbeiter. Und auch das Kabinett der bayerischen Landesregierung besteht aus mehr als 7 Ministerinnen und Ministern. Willkommen im Wahlkampfjahr 2024!

 

Starker Nachfolger für den Europäischen Green Deal nötig

Aus meiner Sicht ist nun wichtig, einen Nachfolger für den Europäischen Green Deal für die nächste Legislatur einzufordern. Die aktuellen Wahlprognosen kündigen nämlich leider einen weiteren Rechtsruck bei der Europawahl an. Damit dringen automatisch andere Themen wie Verteidigung, Wettbewerb und Migration auf die Agenda. Aktuelle Extremwetterereignisse wie das Hochwasser zeigen aber, dass Natur- und Klimaschutz nötiger denn je ist. Auch der Bauernprotest, der sich an einer eher marginalen Frage wie der bereits teilweise wieder zurückgenommenen Subventionskürzung aufhängt, macht deutlich, dass die große Frage eines fairen und nachhaltigen Landnutzungs- und Ernährungssystems längst nicht beantwortet ist. Die EU-Institutionen, allen voran die Mitgliedstaaten, sollten also den Mut für einen großen Wurf bei der nächsten Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) zeigen. Die Diskussionen dürften nach der Europawahl beginnen, auch wenn die jetzige Förderarchitektur noch bis Ende 2027 läuft.

In diesem Sinne: bleiben Sie bitte der EU verbunden, notieren Sie sich selbst das Datum der Europawahl (9. Juni) und helfen Sie mit, gegen Polarisierung, Populismus und Politikverdrossenheit vorzugehen. Wir brauchen eine starke EU für grenzüberschreitenden Natur- und Umweltschutz und gemeinsame Lösungen der drängenden Herausforderungen. Herzlichen Dank!

Raphael Weyland
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2 Kommentare

Angelika Heitmann

11.01.2024, 13:14

Es war leider sicher zu erwarten, dass der Wolf, der sich als "Schädling und Fremdkörper in der Natur" für die laut schreiende Landwirtschaft ( z.B. Schafherdenhalter ) in Deutschland "erwiesen" hat zum Abschuss frei gegeben wird. Dazu passt sehr gut, dass Frau von der Leyen dafür sorgen will, dass die Absimmung entsprechend in den Agrarausschuss verlegt werden soll. Was soll man von diesem Ausschuss erwarten? Hier gilt doch nur Geld und nochmals Geld im Agrarsektor verdienen ( nur dies wird wohl in der Hauptsache auf den Landwirtschaftsschulen gelehrt ) - sei es auch zu Lasten von Grundwasser, Qualität unserer Böden und des Erhalts der Artenvielfalt sowie des Ansehens der Landwirte. Warum sollte man sich denn z.B. wirksame Herdenschutzhunde so wie z.B. in Italien zulegen, wenn es mit einem Abschuss billiger zu haben ist? Es ist empörend und zutiefst unmoralisch, wie hier mit dem geschützten Tieren verfahren wird. Es regt mich insbesondere auf, dass die Umweltministerin Lemke und damit ihre Partei Die Grünen völlig unfähig sind hiergegen einzuschreiten und den Artenschutz vehement zu vertreten, so wie es den Parteileitlinien entspricht und man es damit von dieser Partei erwarten kann. Aber was soll man auch hier erwarten, sieht man sich das jämmerliche politische Zurückrudern z.B. beim Agrardiesel an, wenn die gut organisierte Traktorenfront heran naht. Was unterscheidet eigentlich rechtlich die bundesweit nötigenden Traktor- Fuhrpark-Proteste von den Aktionen der Letzten Generation - außer dass die konservative Politik den Lobbyismus der Bauernverbände tatkräftig unterstützt und die Umwelt damit unter dem Segen der Politik weiter kaputt gemacht werden darf? Die Einen werden kriminalisiert, die Anderen lässt man laufen. Welche Folgen werden sich daraus ergeben? Es ist schon ein wirkliches Trauerspiel, was sich hier leider für die Zukunft des Klimas und des Artenschutzes und letztlich auch unseres Überlebens abzeichnet.

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Jürgen Laes

18.01.2024, 17:10

Frau Heitmann hat völlig recht. Frau von der Leyen war nicht in der Lage ihr Pony gegen Wolfsangriffe zu schützen. Da war von ihr keine andere objektive Reaktion zu erwarten, zumal die Interessen von Landwirtschaft und Jägerschaft aufgrund der finanziellen Seite immer mehr wiegen als Natur-und Artenschutz.

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