Pläne für EU Haushalt werden Green Deal nicht gerecht

Mit der Biodiversitätsstrategie und der „Farm-To-Fork“-Strategie hat die Europäische Kommission letzte Woche eine echte Blaupause zur Rettung der Biodiversität abgeliefert (siehe hier). Umso größer ist nun die Ernüchterung: der gestern von Ursula von der Leyen präsentierte Entwurf für den EU-Haushalt 2021-2027 und einem EU Wiederaufbaufonds wird diesen hohen Erwartungen leider nicht ausreichend gerecht.

Was schlägt die EU Kommission vor?

Zum einen hat die EU Kommission gestern eine aktualisierte Version des Haushaltsentwurfs 2021-2027 vorgelegt, der den noch vom ehemaligen Haushaltskommissar Oettinger gemachten Vorschlag von 2018 ersetzt. Darin sind leichte Anpassungen vor allem bei der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) vorgesehen, u.a. 4 Mrd. € zusätzlich für die erste Säule sowie weitere 5 Mrd. € für die ländliche Entwicklung verteilt auf sieben Jahre.

Die eigentliche Neuerung ist der sgn. Wiederaufbaufond („Recovery Instrument“), der auf den regulären Haushalt aufbaut und mit welchem die EU sich 750 Mrd. € auf den Finanzmärkten leihen möchte. Das meiste Geld soll davon über eine „Recovery and Resilience Facility“ in Form von Zuschüssen und Krediten an die Mitgliedstaaten fließen, um die wirtschaftlichen Neuanfang nach Covid-19 zu unterstützen. Von diesem Geld gehen weitere 15 Mrd. € in die zweite Säule der GAP. Insgesamt kann die GAP sich so über 24 Mrd. € zusätzlich freuen ggü. dem Vorschlag von 2018, bleibt jedoch immer noch unter dem Niveau der gegenwärtigen Programmierungsperiode.

Wie steht der Vorschlag im Verhältnis zum Green Deal?

Man muss der EU Kommission zu Gute halten, dass die Sprache des Green Deals sich deutlich auf die Haushalts- und Wiederaufbaupläne abfärbt. Vor allem im Klimabereich stoßen die Pläne interessante Projekte an, die vor allem vom Wiederaufbaufonds finanziert werden. Dazu gehört ein Programm zur energetischen Sanierung von Gebäuden, Investitionen in nachhaltige Mobilitätsformen, Förderung der Kreislaufwirtschaft etc. Das ist gut und wichtig, war es doch der Wunsch vieler Mitgliedstaaten und der EU Kommission selber, dass der Green Deal die Basis der wirtschaftlichen Erholung Europas darstellen soll.

Beim eigentlichen EU Haushalt sieht es schon deutlich anders aus. So hält die EU Kommission weiter an der Behauptung fest, dass 25% aller Ausgaben dort dem Klimaschutz dienen, obwohl Experten diese wiederholt kritisiert haben (siehe hier). Bei den einzelnen Haushaltposten schreckt die EU Kommission vor wichtigen Änderungen vor allem bei der Agrarpolitik zurück. Auch wenn man nicht mehr von einer überproportionalen Kürzung der 2. Säule sprechen kann, sollen weiterhin drei Viertel des Milliardenbudgets der GAP pauschal pro Fläche verteilt werden. Die Chance für die zielgerichtete Honorierung naturverträglicher Betriebe wird damit vertan und Milliarden Steuergelder vergeudet. Bei dem bisher einzigen EU Umweltprogramm LIFE wird das Budget sogar etwas gekürzt. Das alles passt nicht zu einem European Green Deal.

Bei der Vermeidung umweltschädlicher Subventionen verspricht die Kommission die Einhaltung des „Do no harm“-Prinzips. Wie das genau geschehen soll bleibt unklar, ein entsprechender Mechanismus fehlt. Investitionen etwa in fossile Energieträger bleiben möglich sagen deshalb die Experten von CAN-Europe (siehe hier). Der für den Green Deal zuständige Kommissar Timmermans bestätigte später, dass ein komplettes Verbot solcher Ausgaben durch die Mitgliedstaaten nicht geplant ist (siehe hier).

Totalschaden beim Naturschutz

Vor allem die Biodiversitätsstrategie, welche die EU Kommission letzte Woche veröffentlichte, hätte ein neues Kapitel für den Naturschutz in Europa aufschlagen können. Sie enthielt viele Element, die einen „Game changer“ darstellen: mehr Naturschutzfinanzierung (20 Mrd. €/Jahr), mehr Schutzgebiete, bessere Integration von Naturschutz und Landwirtschaft, einen Plan für verbindliche Vorgaben zur Renaturierung degradierter Ökosystem. Als rechtlich unverbindliche Strategie hängt der Erfolg jedoch vor allem an den sgn. sektoralen Gesetzgebungen (z.B. der GAP) sowie der ausreichenden Finanzierung ab. Hier lässt die EU Kommission, sowohl mit dem Haushalt als auch dem Wiederaufbaufond, ihre eigene Strategie auf voller Linie hängen.

Im Haushalt verweisen die Pläne in Bezug auf die Biodiversität vor allem auf die Erhöhung der zweiten Säule der GAP, die bisher den Naturschutz in Europa finanziert. Die genaue rechtliche Ausgestaltung ist noch unklar, aber es ist wahrscheinlich, dass die dort gewonnen Gelder im normalen GAP-Budget aufgehen. Ob das Geld also Klima und Natur zu Gute kommen, hängt also vor allem vom weiteren Reformprozess in Rat und Parlament ab sowie der nationalen Progammierung. Garantiert ist es also keineswegs, vor allem auch weil die GAP in den nächsten zwei Jahren inhaltlich unverändert fortgeschrieben wird (siehe hier). Die 20 Mrd. € pro Jahr, welche die Biodiversitätsstrategie als Bedarf identifiziert, kommen so wohl kaum zusammen.

Im Zusammenhang mit dem Wiederaufbaufonds wäre vor allem die Renaturierung von Ökosystemen eine echte Chance gewesen. Von solchen Projekte würde die Gesellschaft gleich mehrfach profitieren, durch zusätzliche und schnelle Beschäftigungseffekte, durch gestärkte Ökosystemleistungen (z.B. Kohlenstoffspeicherung, Hochwasserschutz usw.) sowie natürlich die Natur selbst. Zu diesem in der Biodiversitätsstrategie präsentierten Ziel fehlt im heute vorgestellten Zahlenwerk jedoch jedes Bekenntnis, anders noch als in Leaks, welche kurz vorher durchgesickert waren. Mitgliedstaaten steht es zwar frei Gelder aus diesem Fond entsprechend zu verwenden, aber eine rechtliche Verpflichtung entsteht aus den bekannten Plänen noch lange nicht. Die Erfahrung aus der Vergangheit zeigt aber, dass mehr Flexibilität für die Mitgliedstaaten den Naturschutz in der Regel nicht voranbringt.

Wie geht es nun weiter?

Die gestern präsentierten Pläne stecken erstmal nur den groben Rahmen ab. Die technischen Details und die inhaltlichen Prioritäten unter anderem des Wiederaufbaufonds werden in der regulären Gesetzgebung von Rat und Parlament entschieden. Beim Haushalt sind hingegen vor allem die Staats- und Regierungschefs am Zug. Die ab Juli beginnende deutsche Ratspräsidentschaft muss hier die richtigen Impulse setzen. Nachdem die Bundesregierung sich bereits dazu bekannt hat, dass der Green Deal die Grundlage für den Wiederaufbau sein soll, muss sie sich nun dafür einsetzen, dass die Biodiversitätsstrategie so ambitioniert wie möglich umgesetzt wird.

2 Kommentare

Jürgen Michael Gruber

28.05.2020, 15:18

Ihr Tagträumer ! Habt Ihr ernsthaft etwas Anderes von der EU und "Röschen" erwartet?

Antworten

Bettina Herrmann

30.05.2020, 10:39

Thame procedure as always: erst grosses Tam -Tam, hinter den Türen haben sich aber die Lobbyisten schon in Stellung gebracht-es wird alles nicht so heiß gegessen wie gekocht und der Bürger vergisst auch schnell wieder. Ein bisschen grüner Anstrich tuts auch. Ich hoffe die Fachwelt schaut genau hin!

Antworten

Hinterlasse einen Kommentar

Bitte bleibe höflich.
Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht und Pflichtfelder sind markiert.