NABU-GAP-Ticker: Science-Studie bestätigt, dass die zukünftige GAP ihre grünen Ambitionen nicht erfüllen kann

6. August 2019. Zwei Wochen nach der Publikation des Wissenschaftlichen Beirats des BMEL folgte am 2. August der Artikel „A greener path for the EU Common Agricultural Policy“ in der Fachzeitschrift Science (NABU-Reaktion hier, und eine ausführliche deutsche Zusammenfassung hier). Das ernüchternde Fazit der Wissenschaftler: Auch wenn die Vorschläge der Kommission zur GAP zunächst den Anschein vermitteln, kranken sie daran die großen Herausforderungen sowohl im Umwelt- als auch im sozialen Bereich anzugehen. So ist es gut möglich, dass sich die Situation für Natur und Umwelt nach der Reform weiter verschlechtert.  Gelder für hochwertige Naturschutzleistungen und für die ländliche Entwicklung werden nämlich gekürzt, während sich der Anteil der ineffizienten und umweltschädigenden pauschalen Flächenprämien noch weiter erhöhen soll (von derzeitigen 70 auf 73 Prozent im Jahr 2027). Die Studie liefert einen weiteren wichtigen wissenschaftlichen Beleg für die Schieflage der Europäischen Agrarpolitik und zeigt, dass ein Kurswechsel bitter nötig ist. Wir können es uns nicht leisten, weitere sieben Jahre Geld in eine Agrarlobby zu pumpen, die eine Mitschuld an Umweltproblemen und am Verlust der Artenvielfalt trägt. Das kann nicht im Sinne des Gemeinwohls sein. Wie viele Beweise braucht es noch, bis endlich politisch umgesteuert wird?

Die Wissenschaftler haben fünf wichtige Handlungsempfehlungen ausgearbeitet, die die GAP zukunftsfähig machen sollen. Eine Zusammenfassung.

  1. Konsequente Ausrichtung der GAP nach den SDGs (Sustainable Development Goals)

Momentan trägt die EU Agrarpolitik lediglich zu den ersten beiden SDGs „keine Armut“ und „kein Hunger“ bei. Die Kommission hat aber 11 weitere SDGs identifiziert, zu deren Umsetzung die GAP in Europa beitragen könnte, darunter auch Ziele im Umweltbereich. Die Wissenschaftler kritisieren, dass die Kommission weder definiert, welche Prioritäten gesetzt noch wie bestehende Zielkonflikte gelöst werden sollen. Sie empfehlen, die GAP-Ziele kohärent nach den SDGs auszurichten. Außerdem müssen sich die Prioritäten im Budget wiederspiegeln. Die Strategiepläne der Mitgliedstaaten sollten mit Hilfe von Handlungsempfehlungen erarbeitet werden, damit die effektivsten, nicht beispielsweise die einfachsten, Maßnahmen umgesetzt werden. Die SDGs als Leitbild für die GAP und andere Politikfelder der EU zu verwenden ist aus unserer Sicht ein absolut sinnvoller Schritt, zu dem die neue Kommission sich unbedingt bekennen sollte.

  1. Bessere Verteilung des Budgets

Die Wissenschaftler kritisieren, dass der Großteil des GAP-Budgets für pauschale Direktzahlungen verwendet wird, obwohl diese ineffektiv, umweltschädigend und ungleich verteilt sind (1,8% der Begünstigten erhalten 32% der Gelder). Über Greening fließt zudem das meiste Geld in die am wenigsten effektiven Maßnahmen, während wirkungsvolle Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen viel zu gering belohnt werden. Hinzu kommt, dass die Gelder der zweiten Säule, welche die ländliche Entwicklung und Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen fördert, laut Kommissionsvorschlag überproportional gekürzt werden sollen. Die Wissenschaftler sind sich einig, dass die GAP Zahlungen sich vor allem an ihrer Leistung im sozialen und im Umweltbereich orientieren müssen. Sie halten es für notwendig, die Direktzahlungen über einen Zeitraum zu beenden und mehr Geld für Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen der zweiten Säule sowie mehr Geld für Natura 2000 Maßnahmen  zur Verfügung zu stellen. Außerdem empfehlen sie, wie der Wissenschaftliche Beirat des BMEL, eine Umschichtung der Gelder von der ersten in die zweite Säule. Das deckt sich mit den Forderungen des NABU zu einer natur- und umweltverträglichen Gemeinsamen Agrarpolitik (PDF-Download).

  1. Grüne Architektur stärken statt sie abzuschwächen

Die Wissenschaftler bewerten die Vorschläge zur „Grüne Architektur“ als noch schwächer als die der derzeitigen GAP. Greening-Maßnahmen werden darin in die Grundanforderungen (Konditionalität) überführt, statt gestärkt zu werden. Die Eco-Schemes bieten das Risiko, dass völlig unwirksame Maßnahmen umgesetzt werden. Außerdem werden 40% des GAP-Budgets als klimafreundlich bezeichnet, ohne dass dies an entsprechende Maßnahmen geknüpft wird. Die Wissenschaftler empfehlen, umweltschädliche Subventionen zu beenden und Anreize zu schaffen, damit sich die Bereitstellung von Naturschutz- und Umweltleistungen für Landwirte lohnt.

  1. Festlegen von messbaren Zielen und Indikatoren für mehr Ergebnisorientierung

Die Wissenschaftler bemängeln insbesondere das Fehlen messbarer Ziele und unzureichende Sanktionen bei Nicht-Einhalten der Umweltanforderungen der GAP. Der Vorschlag der Kommission birgt durch seine Freiheit das Risiko, dass die Mitgliedstaaten wenig ambitiöse und wenig effektive Maßnahmen einsetzten. Indikatoren für Landnutzungsänderungen, Treibhausgasemissionen und High Nature Value Farmland fehlen ganz oder sind unzureichend. Um eine ergebnisorientierte Umsetzung in der GAP möglich zu machen, braucht diese spezifische, messbare, erreichbare, relevante und zeitlich klar festgelegte Ziele und Indikatoren, welche mit den SDGs und anderen internationalen Verpflichtungen kompatibel sein müssen. Außerdem sollte das Verursacherprinzip und das Prinzip „öffentliches Geld für öffentliche Leistungen“ der GAP zu Grunde liegen.

  1. Integration aller relevanten Akteure in den Reform-Prozess

Die Wissenschaftler bemängeln fehlende Transparenz und Wissensintegration im Reform-Prozess. So werden Entscheidungen zum Budget beispielsweise getroffen, bevor Ziele und Prioritäten festgelegt werden. Besonders besorgniserregend ist, dass die mächtige Agrarlobby es schafft, ihre eigenen Ziele durchzusetzen. Ein weiterer Kritikpunkt: Eine offizielle Evaluierung der GAP (Fitness Check) erschien erst, nachdem die Kommission ihre Vorschläge bereits veröffentlicht hatte, so dass die Ergebnisse der Evaluierung nicht in die Reformvorschläge eingearbeitet wurden. Dies sollte laut Forscherteam unbedingt nachgeholt werden. Die Forscher empfehlen außerdem alle Akteure der Agrarlandschaft in den GAP-Reform einzubinden. Derzeit sind für die Ausgestaltung der GAP vor allem landwirtschaftliche Ministerien und Ausschüsse zuständig. Die Wissenschaftler empfehlen, zu gleichen Teilen mindestens auch die Umweltausschüsse und Umweltministerien einzubeziehen.

 

Der NABU-GAP-Ticker

Was steht auf dem Spiel für Insekten, Bauernhöfe und unsere ländlichen Räume? Was sagt Julia Klöckner in Brüssel? Wie stimmen unsere Abgeordneten ab? Was passiert hinter den Kullissen? Im NABU-GAP-Ticker informieren wir über die Verhandlungen zur künftigen EU-Agrarpolitik – denn wir meinen, die Zeit der Hinterzimmerdeals ist vorbei. Es geht um viel – und die Öffentlichkeit hat ein Recht zu wissen, wie der Milliardenpoker um die Gemeinsame Agrarpolitik der EU abläuft. Abonnieren Sie diesen Blog um auf dem Laufenden zu bleiben, stellen Sie Fragen und diskutieren Sie mit uns über die Kommentarfunktion. Hintergrundinfos auf www.NABU.de/agrarreform2021. Folgen Sie uns auch auf Twitter: @NABU_biodiv#FutureOfCAP

Titefoto: Europäische Union 2013

 

2 Kommentare

BEATE SCHUBERT

06.08.2019, 14:16

Engagieren sich für diese, vom NABU aufgezeigten Probleme hinsichtlich der Agrarwirtschaft, auch die Freitagsdemos oder spielt dieses beunruhigende Thema dort nur eine untergeordnete Rolle?

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Magdalene Trapp

07.08.2019, 21:29

Bei den Demonstrationen von Fridays for Future geht es vor allem darum, unsere Lebensgrundlage auch für zukünftige Generationen zu erhalten ("There is no Planet B"). Zentrales Thema ist die Klimakrise, auch auf das Artensterben wird häufig hingewiesen. Beide Probleme sind eng mit der Landwirtschaft verwoben, denn diese ist sowohl Mitverursacher als auch Betroffener. Die EU-Agrarpolitik ist somit ein wichtiger Hebel zur Lösung dieser Probleme. Wir finden es richtig, dass junge Menschen für eine lebenswerte Zukunft auf die Straße gehen und unterstützen sie. Wir hoffen, dass diese breite gesellschaftliche Bewegung, an der sich auch viele Wissenschaftler*innen beteiligen, zu einem Umdenken und Umsteuern in der Politik beitragen wird, denn dafür ist es höchste Zeit.

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