NABU-GAP-Ticker: Das neue Gutachten des WBAE zur Grünen Architektur der GAP – Ergebnisse und Empfehlungen im Überblick

31. Juli 2019. Am 16. Juli, während alle Welt nach Straßburg schaute, wo Ursula von der Leyen ihre Bewerbungsrede für die Kommissionspräsidentschaft hielt, übergab der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik und Ernährung des BMEL (kurz WBAE) Julia Klöckner ein Gutachten zur Grünen Architektur der zukünftigen Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Dies erfolgte kurzfristig und nicht presseöffentlich in Bonn. Die Berichterstattungen darüber waren wegen des entsprechend gewählten Zeitpunktes eher dünn,  lediglich die Fachpresse (top agrar und agrarzeitung) nahm das Thema auf. Dabei ist das Gutachten durchaus der Rede wert: So empfehlen die Berater einen kompletten Umbau in der Agrarpolitik, allem voran ein Auslaufen der Direktzahlung und die Bindung der öffentlichen Gelder an öffentliche Leistungen.

Wie sehen die Ergebnisse und Empfehlungen des WBAE im Detail aus? Ein Überblick.

Gegenstand der Stellungnahme

Es handelt es sich um eine Bewertung der Legislativvorschläge der Europäischen Kommission zur GAP, hinsichtlich ihres Potenzials für eine zielorientierte Agrarumwelt- und Klimaschutzpolitik. Außerdem werden Handlungsempfehlungen für die nationale Gestaltung der Agrarpolitik im Rahmen des „neuen Umsetzungsmodells“ der GAP gegeben.

Kritik der Wissenschaftler*innen an den Legislativvorschlägen

  • Prinzipiell bieten die Vorschläge zwar die Chance, dass der Bedarf an Agrar- und Umweltmaßnahmen über die nationalen Strategiepläne regional erfasst werden kann, und diese national zielgerichteter umgesetzt werden können. Allerdings ist davon nicht auszugehen: die Gestaltungsspielräume sind so groß, dass ambitionslose Eco-Schemes umgesetzt werden könnten und es zu einem „race to the bottom“ im Umweltbereich kommen könnte.
  • Konditionalität: Es besteht die Gefahr, dass diese als Rechtfertigung für die Direktzahlungen genutzt wird, was eine echte Reform verhindert. Es wäre auf lange Sicht besser, Standards der Konditionalität in das Ordnungsrecht einfließen zu lassen und die Direktzahlungen auslaufen zu lassen.
  • Die Eco-Schemes bieten die Chance, Finanzmittel für die Erreichung gesellschaftlicher Ziele zur Verfügung zu stellen und die Ziele im Umweltbereich zu erreichen. Es besteht jedoch die große Gefahr, dass wenig ambitionierte und wenig zielgerichtete Maßnahmen eingeführt werden, da für die Mitgliedstaaten viel Spielraum besteht und die Vorschläge der Kommission kaum Vorgaben über das Ambitionsniveau der Maßnahmen macht.
  • Über Agrarumwelt und Klimamaßnahmen (zweite Säule) werden die Landwirte für ihre tatsächlichen Leistungen im Umweltbereich entlohnt, deshalb sind diese insgesamt zu begrüßen und auszubauen. Zudem empfehlen die Wissenschaftler die Anwendung einer Anreizkomponente sowie einen Transaktionskostenzuschlag bei der Berechnung der Prämien.
  • Budget: Der Beirat kritisiert die Kürzungen in der zweiten Säule. Außerdem ist die Aussage der Kommission, dass 40% der Zahlungen innerhalb der GAP pauschal als  Klimaschutz-Zahlungen anerkannt werden können, fachlich nicht nachvollziehbar, da diese nicht mit Maßnahmen und Indikatoren verknüpft werden. Mit dem aktuellen Vorschlag ist nicht davon auszugehen, dass die Finanzierungsvorgaben zu der Zielerreichung im Agrarumwelt und Klimabereich führen werden.

Politische Handlungsempfehlungen der Wissenschaftler*innen

  • Die Problemlagen müssen klar benannt und Ziele daraus angemessen abgeleitet sowie dargelegt werden und diese an der Gewährleistung der gesellschaftlichen Funktion der Landwirtschaft ausrichten
  • Der Beirat hält einen Mindestbudgetanteil sowie Mindestanforderungen für das Anspruchsniveau im Bereich der Eco-Schemes und dessen Verankerung in den Strategieplänen für dringend notwendig.
  • Die Finanzausstattung für Agrarumwelt und Klimapolitik sollte mindestens 30% beider Säulen betragen – ohne die Zahlungen für benachteiligte Gebiete. Außerdem müssen die Maßnahmen deutlich effizienter und zielgerichteter sein als das derzeit unter Greening der Fall ist.
  • Eine erhöhte Umschichtung von Geldern aus der ersten in die zweite Säule sollte ab sofort erfolgen.
  • Der Anteil an Geldern für Agrarumwelt und Klimamaßnahmen in der zweiten Säule ist sukzessive zu erhöhen, während die Direktzahlungen über eine Periode von 10 Jahren auslaufen. Durch das Wegfallen der Konditionalität müssen so entstandene Rechtslücken in Zukunft über das Ordnungsrecht geschlossen werden.
  • Zweckbindung eines EU-Budgets für den Biodiversitätsschutz, welche sich aus Maßnahmen in Natura 2000-Gebieten sowie Vertragsnaturschutz zusammensetzen.
  • Zweckbindung eines EU-Budgets für Moorschutz

Der Wissenschaftliche Beirat hat mit seinem Gutachten ein weiteres Mal den dringenden Handlungsbedarf aufgezeigt und konkrete, lösungsorientierte Umsetzungsvorschläge zum Kommissionsvorschlag geliefert.

Als Reaktion auf die Stellungnahme kündigte die Ministerin in einer Pressemitteilung an, weiterhin an den Direktzahlungen festhalten zu wollen (mehr dazu hier). Damit blockiert das BMEL weiterhin eine echte Reform in der Agrarpolitik und die Transformation hin zu einer naturverträglichen Landnutzungspolitik, die so dringend nötig wäre.

 

Der NABU-GAP-Ticker

Was steht auf dem Spiel für Insekten, Bauernhöfe und unsere ländlichen Räume? Was sagt Julia Klöckner in Brüssel? Wie stimmen unsere Abgeordneten ab? Was passiert hinter den Kullissen? Im NABU-GAP-Ticker informieren wir über die Verhandlungen zur künftigen EU-Agrarpolitik – denn wir meinen, die Zeit der Hinterzimmerdeals ist vorbei. Es geht um viel – und die Öffentlichkeit hat ein Recht zu wissen, wie der Milliardenpoker um die Gemeinsame Agrarpolitik der EU abläuft. Abonnieren Sie diesen Blog um auf dem Laufenden zu bleiben, stellen Sie Fragen und diskutieren Sie mit uns über die Kommentarfunktion. Hintergrundinfos auf www.NABU.de/agrarreform2021. Folgen Sie uns auch auf Twitter: @NABU_biodiv#FutureOfCAP

Titefoto: Europäische Union 2013

 

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