NABU-Agrar-Blog: Wie geht es weiter mit der GAP?

29.03.2023. Nach der Reform ist vor der Reform – unter diesem Motto debattierten auf Einladung des NABU-Bundesverbands agrarpolitische Expert*innen mit Staatssekretärin Silvia Bender (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, BMEL). Der Grundtenor des NABUtalks “Aufbruch zu einer neuen Agrarförderung” war: Die GAP wird sich in der kommenden Förderperiode ab 2028 deutlich verändern müssen, um positiv auf Natur und Klima zu wirken und den gesellschaftlichen Ansprüchen zu genügen. Zentrale Punkte: das Ende der aktuellen pauschalen Subventionierung von Fläche, Honorierung von öffentlichen Gütern wie Umwelt, Natur und Klima, Weiterentwicklung des Ordnungsrechts. Nicht zuletzt: Die Politik muss die Ziele und die politischen Fragen ausgestalten – etwa beim Thema Gerechtigkeit bei der Mittelverteilung – und entscheiden. Instrumente für die Umsetzung jedenfalls stünden bereit.

Großbaustelle Erste Säule

Wie geht es weiter mit den Direktzahlungen, die nach einhelliger Meinung der Expert*innen weder verteilungspolitisch gerecht noch ökologisch zielführend sind? Die Direktzahlungen stammen aus einer Zeit, in der eine Produktionssteigerung noch notwendig war, den aktuellen Direktzahlungen fehle es aber mittlerweile an einer Begründung. Der Versuch der letzten Reform, die Flächenprämie in eine Nachhaltigkeitsförderung umzuwandeln, sei jedenfalls gescheitert, so Professor Sebastian Lakner von der Universität Rostock. Die GAP enthalte auf europäischer Ebene immer noch zu viele umweltschädliche Elemente (wie z. B. gekoppelte Zahlungen), an anderer Stelle dieser Politik werde dann versucht, diese durch positive Maßnahmen auszugleichen.

Sönke Beckmann vom Deutschen Verband für Landschaftspflege (DVL) ging wiederum darauf ein, dass die Basisprämie nicht unbedingt abgeschafft werden, ihr aber eine neue Legimitation verliehen werden müsse. Umwelt und Einkommenswirksamkeit müssten zusammen betrachtet werden. In diesem Sinne seien die in der aktuellen GAP-Periode eingeführten Ökoregelungen ein “Tor zur Zukunft”, womöglich in Richtung von Punktemodellen, wie der DVL bzw. die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) sie bereits vorgeschlagen hätten. Die europäischen Verordnungen ließen jetzt schon einen “großen Gestaltungsspielraum” für die Mitgliedsstaaten, es liege an den Ländern, hier mutige Systeme zu schaffen, so Beckmann. Die Niederlande zum Beispiel haben ein punktebasiertes Honorierungssystem bereits eingeführt. Auch die Mittelverteilung müsse neu gedacht werden. Die erste Säule der GAP sei das einzige Politikinstrument, welches zu 100 % europäisch finanziert werde. Durch eine Kofinanzierung auch in der ersten Säule könnte mehr Heterogenität abgebildet werden und ein höheres Verantwortungsbewusstsein geschaffen werden.

Ordnungsrecht bei abschmelzender Konditionalität

Die Konditionalität der GAP-Zahlungen übertünche, dass das Ordnungsrecht an vielen Stellen unvollständig sei, klang mehrfach an. Daher stelle sich abschmelzenden Direktzahlungen verstärkt die Frage nach einer Weiterentwicklung der gesetzlichen Mindeststandards für den Landbau – und dies nicht nur für Deutschland, sondern im EU-Kontext. Dieser Aspekt müsse bei Reformen der Agrarpolitik mitgestaltet werden.

Auf die Ergebnisse kommt es mehr an als auf die Instrumente!

An die Stelle der Debatte über Instrumente müsse die Debatte über die Ziele treten, so Norbert Röder vom Thünen-Institut. Die intendierte Wirkung von Maßnahmen müsse im Planungsprozess messbar und vergleichbar gemacht werden. Es muss klar sein, was durch die GAP erreicht werden soll (und kann). Auch die zeitliche Perspektive sei hier zu bedenken: Spielt die GAP die Rolle dauerhaft oder temporär?

Foto: Cäcilia Hagenow

Ein Fokus auf die Ziele müsste mit einer gewissen Flexibilität bei der Umsetzung einhergehen, schloss sich Sönke Beckmann an. Er verwies auf die schon bestehenden, teilweise sehr guten Maßnahmen zum Natur- und Klimaschutz, die allerdings nicht ausreichend seien und noch nicht ausreichend in der Fläche ankämen. Die landwirtschaftlichen Betriebe brauchten mehr Freiraum in ihren unternehmerischen Entscheidungen. Momentan seien sie in einem Korsett aus kleinteiligen Förderbedingungen eingezwängt. Auch in der Verwaltung sei eine Vereinfachung dringend notwendig und müsse mit der nächsten Reform nun endlich auch einmal einhergehen.

Empfehlungen aus der Wissenschaft und notwendige Entscheidungen der Politik

Die Politik müsse Entscheidungen treffen, forderte Dr. Norbert Röder. Zum einen müsse geklärt werden, was die Bundesebene in der Agrarpolitik erreichen wolle: Will man sich auf eine Rolle als “Briefträger” zwischen Brüssel und den Bundesländern beschränken? Oder will man als BMEL gestalten?

“Öffentliche Gelder für öffentliche Leistungen” – auf diesen Grundsatz könnten sich viele Akteure einigen. Doch auch hier gebe es Klärungsbedarf, etwa bei der Ausgestaltung von Honorierungen im Spannungsfeld zwischen Effektivität bzw. Effizienz und Verteilungsgerechtigkeit. Die grundlegenden agrarpolitischen Fragestellungen müssten politisch entschieden werden, so Röder. Die Wissenschaft jedenfalls habe für die jeweilig benötigten Instrumente Antworten parat.

Wichtig sei vor allem, den kommenden Prozess jetzt schon zu beginnen und die nächsten vier Jahre dafür zu nutzen, die Agrarpolitik Schritt für Schritt hinzuführen auf das neue System, so Aaron Scheid von Ecologic Institute. Ganz praktisch würde das bedeuten, das Budget der Ökoregelungen jedes Jahr auf Kosten der Flächenprämie ansteigen zu lassen.

Und was sagt das Bundeslandwirtschaftsministerium dazu?

Als zentrale “Take-Home-Message“ nannte Staatssekretärin Bender das Ziel, dass die GAP auf die öffentliche Unterstützung für die Transformation der Landwirtschaft einwirken müsse. Dies gelte für die finanziellen Mittel, aber auch für die anderen Rahmensetzungen wie das Ordnungsrecht.

Die GAP werde man jedoch sicherlich nicht “zur Seite legen und neu schreiben”, so Bender. Stattdessen werde man das bestehende System weiterentwickeln, etwa in Punktesysteme für die Honorierung öffentlicher Leistungen. Das Ministerium wolle mit seinem Entwurf “bis Ende des Jahres an den Start gehen”, kündigte die Staatssekretärin an, und erklärte entschieden “man werde im Agrarrat die Verhältnisse ändern”.

 

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