Die Ökonomisierung der Fotosynthese
BMEL stellt fragwürdiges Modell zur Förderung des Waldbesitzes vor
Ein Beitrag von Ralf Schulte, Fachbereichsleiter Naturschutzpolitik im NABU
Man nehme Kohlenstoffdioxid aus der Luft, Wasser aus dem Boden, lasse die Sonne drauf scheinen und fertig ist ein Kohlenstoffspeicherbaustein – nebst Geschäftsmodell. So der neue Ansatz der Landwirtschaftsministerien Julia Klöckner. Welche Ironie! Denn private und kommunale Waldbesitzende, die zulassen, dass auf ihren Waldflächen Bäume wachsen und diese mittels Photosynthese Holz „produzieren“. Deren Bäume dadurch Kohlenstoff einlagern und Sauerstoff wieder freisetzen, leisten somit einen Klimaschutzbeitrag (was sie eigentlich schon immer tun), sollen nun dafür durch den Steuerzahlenden honoriert werden. Diese Idee stellte Bundeswaldministerin Klöckner Anfang Juni auf dem Nationalen Waldgipfel der Öffentlichkeit vor.
Tatsächlich nimmt nach Berechnungen des Thünen-Instituts eine 100-jährige Fichte im Laufe ihres Lebens rund 2,6 Tonnen CO2 auf. Eine durchschnittliche Buche verarbeitet im Vergleich dazu 3,5 Tonnen CO2. Der gesamte deutsche Wald bindet jährlich rund 62 Millionen Tonnen Kohlenstoff, das sind sieben Prozent aller Emissionen in Deutschland. In einem Wirtschaftssystem, das der Emission von Kohlenstoffdioxid einen Preis gibt, erscheint es logisch, auch dem langfristigen Entzug von Kohlenstoff aus der Atmosphäre, quasi der Negativ-Emission, einen Preis zu geben. Aber kann das dann auch für Brennholz oder andere Holzverwendungen mit kurzer Lebensdauer gelten?
Aus Sicht des NABU wird die Reduzierung des Waldes auf die Kohlenstoffsenkenfunktion aber dessen ökologischer als auch gesellschaftlicher Bedeutung nicht gerecht. Bereits in unserer Kritik an der BMEL-Waldstrategie 2050 hatten wir darauf hingewiesen, dass das Bundeslandwirtschaftsministerium nicht den Wald mit all seinen Ökosystemleistungen im Blick hat. Es fehlen der politische Wille und deshalb auch klare klima- und biodiversitätsrelevante Ziele und Maßnahmen. Die Bedeutung der Wälder für gesellschaftliche Leistungen wie das Grund- und Trinkwasser, aber auch Faktoren wie Kühlung und Erholung oder der Erhalt und die unterstützende Förderung (finanziell wie durch geeignete Maßnahmen im Wald) der Artenvielfalt und Biodiversität bleibt unberücksichtigt. Bestehende nationale und EU-rechtliche Vorgaben sowie bereits bestehende Strategien auf nationaler und EU-Ebene werden außer Acht gelassen. Dies betrifft vor allem das auch von der Bundesregierung unterstützte Ziel, bis 2030 mindestens 30 Prozent der Landfläche unter teils strengen Schutz zu stellen. Darüber hinaus fordert die EU-Biodiversitätsstrategie, dass bis 2050 Ökosysteme wiederhergestellt werden und widerstandsfähig und angemessen geschützt sein sollen.
Die zum Teil dramatischen Waldschäden verdeutlichen uns vielmehr, dass die Art der bisherigen Waldbewirtschaftung in Deutschland, die zukünftig auch noch finanziell belohnt werden soll, diese Waldschäden befördert hat und den lang bekannten, aber schlicht ignorierten Herausforderungen nicht gerecht wird. Die spürbaren Folgen des Klimawandels, der Biodiversitätskrise und die hohe Nutzungsintensität sind Dauerstress(-faktoren) für den Wald und führen uns die gestiegene Fragilität und hohe Komplexität des – eigentlich stabilen Ökosystems Wald – würde man ihn schonend bewirtschaften und einfach mehr „sein lassen“, vor Augen.
Der NABU stellt nicht in Abrede, dass die finanzielle Inwertsetzung von Ökosystemleistungen sinnvoll und notwendig ist – wenn sie von Privatwaldbesitzern erbracht wird. Sie muss aber anhand klarer und messbarer Kriterien erfolgen. Zudem gilt der Grundsatz, dass öffentliches Geld nur für öffentliche Leistungen gegeben werden darf. Allein die Flächengröße, der Eigentumsnachweis und die Erfüllung der waldgesetzlichen Mindestanforderungen kann nicht ausreichend sein. Die Unterstützung aus Steuergeldern muss an die Entwicklung funktionsfähiger, komplexer, naturnaher Wald-Ökosysteme und deren schonende Nutzung gebunden werden. Im Sinne des Gemeinwohls und der Generationengerechtigkeit ist der naturnahe Wald(um-)bau durch klug geförderte Maßnahmen voranzutreiben und der Wald so zu unterstützen, dass er sich von Natur aus zu einem selbstregulierenden und organisierenden (Resistenz und Resilienz) Ökosystem entwickeln kann und damit als Klimaschützer widerstandsfähig ist. Unverzichtbar ist hierfür ein Referenzrahmen, der zu gesetzlich definierten ökologischen Mindeststandards, die über den heutigen Status quo hinausgehen für eine naturnahe Waldbewirtschaftung führen muss. Es darf auch kein Zweifel daran bestehen, dass für die öffentliche Hand als Waldbesitzer andere Maßstäbe gelten müssen. In Bundes-, Landes- und Kommunalwäldern darf nicht weiterhin das Primat der forstwirtschaftlichen Nutzung gelten. Der Fokus muss vielmehr auf den vielfältigen Ökosystemleistungen und seinem Nutzen für das Gemeinwohl und einer Gerechtigkeit für zukünftige Generationen liegen. Es kann daher nicht schaden, sich das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 31.5.1990 (2 BvR 1436/87 S. 39) noch einmal in Erinnerung zu rufen:
„Die Forstpolitik der Bundesregierung ist weniger auf Marktpflege ausgerichtet; sie dient vor allem der Erhaltung des Waldes als ökologischen Ausgleichsraum für Klima, Luft und Wasser, für die Tier- und Pflanzenwelt sowie für die Erholung der Bevölkerung (Agrarbericht, a. a. O., S. 104 ff.). Neben den wirtschaftlichen Nutzen des Waldes tritt gleichrangig seine Bedeutung für die Umwelt (vgl. §§ 1.6 des BGBl. S. 1037). Die Bewirtschaftung des Körperschafts- und Staatwaldes, der 58 % der Waldfläche in der Bundesrepublik ausmacht, dient der Umwelt- und Erholungsfunktion des Waldes, nicht der Sicherung von Absatz und Verwertung forstwirtschaftlicher Erzeugnisse. Die staatliche Forstpolitik fördert im Gegensatz zur Landwirtschaftspolitik weniger die Betriebe und die Absetzbarkeit ihrer Produkte als vielmehr die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes.“
Titelfoto: Ralf Schulte
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1 Kommentar
Cornelia Marcus
10.06.2021, 01:13Ganz bedeutend, angesichts der derzeitigen Wetterlage - und den langfristigen Klimafolgen - finde ich auch die Wasserspeicherfunktion des (intakten) Waldes , was bei den kürzlich veröffentlichten Strategie-Plänen zum künftigen Nutzwassermangel-Management anscheinend auch keine Beachtung verdiente. Aber der Erhalt von (Grund-)wasserschutz- und Speicherfunktion - auch für mögliche überregionale Nutzungen - hängt auch von großen gesunden Waldgebieten ab. Bei den klimawandelbedingten immer häufigeren lokalen Starkregen-Gewittern sind großflächige Wasserspeicher in humusreichen Waldböden sicher auch wichtig. Statt industrieller Landwirtschaft und Bodenversiegelung sollte dringend der Erhalt und vorallem die Rückgewinnung natürlicher Ökosystem-Flächen gefördert werden.
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