Naturschutzpolitik & Praxis Beiträge

Showdown für die Natur: 20. November in Brüssel

Erinnern Sie sich an NatureAlert? Im Sommer haben wir die Europäische Kommission dazu aufgerufen, die EU-Naturschutzrichtlinien nicht anzutasten, sondern besser durchzusetzen. Mit 520.325 Teilnehmerinnen und Teilnehmern darunter 100.000 aus Deutschland, war die Kampagne #NatureAlert ein riesiger Erfolg. Vielen Dank an alle, die sich mit uns für den europäischen Naturschutz stark gemacht haben!

Aber die Schlacht ist noch nicht gewonnen: Mehrere Regierungen und einflussreiche Lobbysiten streben weiterhin eine Schwächung der EU-Naturschutzrichtlinien an. Am kommenden Freitag, dem 20. November, lädt die Europäische Kommission Politiker, Experten und Interessensvertreter zu einer großen Konferenz nach Brüssel, auf der sie letztmalig alle Meinungen anhört. Dann wird sie im Winter entscheiden, ob sie unserer Naturschutzgesetze noch für zeitgemäß hält…
Nature Alert Vorschaubild

Helfen Sie uns, die EU-Konferenz in Brüssel zu einer Demonstration für die Natur zu machen!

Wir  organisieren derzeit die Teilnahme von Naturschützern aus fast allen EU-Staaten an der Konferenz. Alleine der NABU wird mit drei Mitarbeitern vertreten sein. Gleichzeitig ist aber zu erwarten, dass auch naturschutzfeindliche Lobbies dort stark auftreten werden. Wir müssen sicher stellen, dass der EU-Kommission auch nach der Konferenz noch klar ist: die europäischen Bürgerinnen und Bürger wollen die Umsetzung unserer starken Naturschutzgesetze und nicht eine Verwässerung! Dafür brauchen wir auch die Unterstützung von allen Naturfreunden, die nicht vor Ort dabei sein werden. Das können Sie am Freitag tun:

Hintergrund: Wo stehen wir bei der Rettung der Naturschutzrichtlinien?

NatureAlert zeigt Wirkung! NatureAlert hat alle unsere Erwartungen übertroffen: Mit 520.325 Unterstützern aus allen EU-und einigen Nicht-EU-Ländern haben wir die höchste Beteiligung bei einer EU-Bürgerbefragung aller Zeiten erreicht. Weit über 90 Prozent aller befragten Bürgerinnen und Bürger votierten für die Beibehaltung der wichtigen Naturschutzgesetze – trotz der Gegenkampagnen von Agrarindustrie und Großgrundbesitzern.

Die Botschaft ist angekommen. Der Vizepräsident der EU-Kommission Frans Timmermans und der EU-Umweltkommissar Karmenu Vella sehen den Erfolg von NatureAlert bereits als klaren Beweis dafür, dass die EU eine starke Naturschutzpolitik braucht. Sie beteuern, dass mögliche Änderungen der Richtlinien keinesfalls die geltenden Standards senken sollen. Darauf dürfen wir uns aber nicht verlassen. Die finale Entscheidung hierzu treffen nämlich das EU-Parlament und die Regierungen der Mitgliedstaaten, wo sich viele Naturfeinde formieren. Die Naturschutzrichtlinien sind also noch nicht gerettet!

Ein weiterer Erfolg: Als Reaktion auf NatureAlert schrieben inzwischen zehn EU-Umweltminister, angeführt von ihrer deutschen Amtskollegin Barbara Hendricks, einen Brief an die EU-Kommission. Ihre Botschaft: Die EU-Naturschutzrichtlinien sollen in der jetzigen Form erhalten bleiben. Einen ähnlichen Brief schickten kürzlich auch Vertreter aller großen Parteien des EU-Parlaments. Weitere Informationen dazu hier!

BundesumweltministerinBarabara Hendricks initiiert Allianz gegen die Öffnung der EU-Naturschutzrichtlinien ()

BundesumweltministerinBarabara Hendricks initiiert Allianz gegen die Öffnung der EU-Naturschutzrichtlinien (Foto: EU)

Und schließlich: Die fachliche Bewertung durch die von der Kommission beauftragten Experten stützt (wie erwartet) vollständig unsere Position. Nach einer umfangreichen Evaluierung von Literatur, Expertenbefragungen, Anhörungen und Fragebogenanalysen in allen EU-Staaten kommen die Institute zu der Ansicht, dass die EU-Naturschutzrichtlinien äußerst wirksam, kosteneffizient und nach wie vor modern und notwendig sind. Außerdem passen sie gut zu anderen EU-Umweltgesetzen – und zueinander: Eine Verschmelzung von Vogelschutz- und FFH-Richtlinie sollte jetzt aus Expertensicht kein Thema mehr sein. Und last but not least: Aus der Analyse wird vollkommen klar, dass die Natur nur durch gemeinsame europäische Anstrengungen gerettet werden kann!

Wichtige Links und weitere Informationen im Überblick

 

 

Naturschutzrichtlinien fit. EU-Kommission stellt erste Ergebnisse des Fitness-Checks vor.

Eine Woche vor einer entscheidenden Konferenz in Brüssel zur Zukunft des EU-Naturschutzrechts (wir werden an dieser Stelle berichten!), stellte die EU-Kommission heute zwei wichtige Berichte ins Internet: Die vorläufigen Ergebnisse des Fitness-Checks der EU-Naturschutzrichtlinien (PDF-Download, Englisch) und die Analyse der EU-Bürgerbefragung vom Frühsommer 2015 (PDF-Download, Englisch).

Nach erstem Überfliegen bestätigen beide Dokumente in eindrucksvoller Weise, das was der NABU und andere Umweltverbände schon seit längerem betonen: Die EU-Naturschutzrichtlinien sind die richtigen Instrumente, was fehlt ist ihre ernsthafte Umsetzung und Finanzierung, durch die Mitgliedstaaten unterstützt durch die EU. Und: die ganz große Mehrheit der Öffentlichkeit ist gegen eine Neuverhandlung der Richtlinien, aber für eine starke Rolle der EU im Naturschutz. Auch eine Verschmelzung der Richtlinien sollte nun zumindest aus fachlicher Sicht vom Tisch sein.

naturealert

Mit dieser Kampagne haben wir gezeigt: EU-Bürger wollen Naturschutz.

Was fehlt ist nun eine politische Entscheidung der Kommissionsspitze wie es weitergeht. Diese könnte sich auf der Konferenz nächste Woche abzeichnen. Offiziell soll dies aber erst im Frühjahr bekannt gegeben werden. Man will auch noch abwarten wie sich die EU-Umweltminister und EU-Parlamentarier im Winter äußern.

Umweltminister und Europaabgeordnete verteidigen die EU-Naturschutzrichtlinien – Weitere deutliche Signale an die EU-Kommission!

Bundesumweltministerin Barabara Hendricks initiiert Allianz gegen die Öffnung der EU-Naturschutzrichtlinien (Fotos: The European Union)

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks initiiert Allianz gegen die Öffnung der EU-Naturschutzrichtlinien (Fotos: The European Union)

Wie schon in unserer Eilmeldung am 27. Oktober mitgeteilt, haben sich auf Initiative von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks neun Umweltminister in einem gemeinsamen Brief an EU-Umweltkommissar Karmenu Vella gegen die Öffnung der EU-Naturschutzrichtlinien (Vogelschutz- und Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie) ausgesprochen und stattdessen deren bessere Umsetzung gefordert. Der gemeinsame Brief wurde auf dem EU-Umweltministerrat am 26. Oktober in Luxemburg unterzeichnet und an Kommissar Vella übergeben. Die Allianz der Umweltminister umfasst neben Hendricks und ihrer luxemburgische Amtskollegin – und derzeitigen Präsidentin des Umweltministerrates – Carole Dieschbourg auch die Umweltministerinnen und Umweltminister aus Frankreich, Spanien, Italien, Polen, Slowenien, Rumänien und Kroatien. Update vom 15.Dezember: Inzwischen haben sich auch Griechenland, Belgien und Litauen dieser Allianz für die Natur angeschlossen.

Auf den ersten Blick mag es wenig erscheinen, dass nur zehn von 28 Umweltministern den Brief unterschrieben haben. Da die Stimmen in den EU-Ministerräten aber nach einem bestimmten Schlüssel errechnet werden, der unter anderem die Einwohnerzahl der Mitgliedstaaten berücksichtigt, hat diese Allianz mit großen Staaten wie Deutschland, Frankreich, Spanien und Polen ein großes Gewicht: die Unterzeichnerländer vertreten immerhin 63 Prozent der Bevölkerung der EU-Mitgliedstaaten. Nach dem Ergebnis der öffentliche Konsultation der EU-Kommission, bei der im Sommer mehr als 520.000 Bürgerinnen und Bürger aus allen Mitgliedstaaten die Erhaltung der Richtlinien forderten, ist der Brief der Umweltminister ein weiteres wichtiges Signal an Kommissionspräsident Juncker, jetzt Vorschläge zur besseren Umsetzung der Richtlinien vorzulegen, statt eine Schwächung der wichtigsten Gesetze zum Schutz unseres gemeinsamen Naturerbes zu riskieren.

Unterstützung auch vom EU-Parlament

Weitere wichtige Unterstützung erhielt der Kampf um die Naturschutzrichtlinien nur einen Tag später: Am Rande der Plenarsitzung des Europaparlaments in Straßburg haben am Dienstag (27.10.) der Berichterstatter („rapporteur“) für einen EP-Bericht zur Umsetzung der EU-Biodiversitätsstrategie und seine Co-Berichterstatter („shadows“) aus den anderen Fraktionen einen gemeinsamen Brief an EU-Umweltkommissar Karmenu Vella und an den obersten Vizepräsidenten der EU-Kommission, Frans Timmermans, geschrieben, in dem sie sich ebenfalls sehr deutlich gegen eine Öffnung der Naturschutzrichtlinien aussprechen. Der Brief endet mit dem mahnenden Satz: “Opening the nature directives would jeopardise achieving the biodiversity strategy altogether, would create a long period of legal uncertainty and could potentially weaken the legislation (Eine Öffnung der Naturschutzrichtlinien würde die Einhaltung der Biodiversiätsstrategie unmöglich machen, würde eine lange Phase der Rechtsunsicherheit schaffen und möglicherweise die Gesetze schwächen).“

Neben dem Berichterstatter, Mark Demesmaeker (ECR-Fraktion, Belgien) haben seine „shadows“ die MdEPs Norbert Lins (Konservative/EVP bzw. CDU, Deutschland), Karin Kadenbach (Sozialdemokraten/S&D, Österreich), Catherine Bearder (Liberale, Großbritannien), Lynn Boylan (Europäische Linke/GUE, Irland), Margrete Auken (Grüne, Dänemark) und Marco Affronte (Fraktion Europa der Freiheit/EFDD, Italien) unterschrieben.

Dieser Brief ist vor allem insofern ein sehr wichtiges Signal, als der Bericht des EU-Parlamentes erst zu Beginn des kommenden Jahres im Plenum verabschiedet wird. Mit ihrem Brief haben die Abgeordneten daher schon vorab klargestellt, dass auch sie gegen eine Öffnung der Richtlinien sind. Die EU-Kommission wird auf einer „Stakeholder-Konferenz“ am 20. November in Brüssel erste Ergebnisse des „Fitness Check“ diskutieren lassen. 2016 will sie entscheiden, ob die Richtlinien nun „fit“ sind oder geändert werden sollten.  Der Kampf um die Naturschutzrichtlinien wird uns also noch mindestens ein weiteres Jahr intensiv beschäftigen, NABU und BirdLife „bleiben am Ball“!

Hände weg von den EU-Naturschutzrichtlinien! Eindeutiges Votum auf Veranstaltung in der Deutschen Vertretung

 

Auf Einladung des Bundesumweltministeriums fand am 22. Oktober in der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in Brüssel eine Veranstaltung zum „Fitness Check“ der EU-Naturschutzrichtlinien statt. Unter dem Titel “Halting biodiversity loss by 2020: Opportunities and challenges of the Fitness Check of the Nature Directives” befassten sich Bundesumweltministerin Barbara Hendricks und ihre luxemburgische Amtskollegin Carole Dieschbourg mit der Frage, wie die Biodiversitätsziele der EU bis zum Jahr 2020 erreicht werden können, und welche Rolle die von den Mitgliedstaaten beschlossenen Richtlinien (Vogelschutzrichtlinie und die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie) dabei spielen.BMUB_FC_22.10.15_-Paulus

Das Urteil der beiden Ministerinnen war sehr klar, ebenso die Meinung der Teilnehmer einer anschließenden Podiumsdiskussion mit Vertretern des EU-Parlamentes, der Industrie, der Naturschutzverbände und der EU-Kommission. Bundesministerin Hendricks sprach sich ohne Wenn und Aber für eine Beibehaltung und bessere Umsetzung der Richtlinien BMUB_FC_22.10.15_2_Klußmannaus. Bundesregierung und Bundesländer träten zudem nicht nur für eine bessere Umsetzung der Richtlinien ein. „Vielmehr lehnen die Bundesländer, ebenso wie Landwirtschaftsminister Schmidt und ich, jegliche Änderungen an den EU-Naturschutzrichtlinien ab!“, so Hendricks. Bereits im Juli hatten Hendricks und Bundesagrarminister Christian Schmidt in einem gemeinsamen Brief an EU-Umweltkommissar Karmenu Vella eine Öffnung der Richtlinien abgelehnt und auf deren zentrale Bedeutung zur Erreichung der EU-Ziele zum Schutz der biologischen Vielfalt bis 2020 hingewiesen, die die Staats- und Regierungschefs im März 2010 beschlossen hatten.

BMUB_FC_22.10.15_Klußmann

Hendricks wies in ihrer Rede unter anderem auf den Wert der auf Basis der Richtlinien ausgewiesenen Natura-2000-Gebiete für die biologische Vielfalt, für das Klima, und nicht zuletzt als Lebensgrundlage des Menschen hin. „Dieses Netzwerk erbringt jährlich Ökosystemleistungen in einer Größenordnung von 200 bis 300 Milliarden Euro. Das ist ein Vielfaches der jährlich rund sechs Milliarden Euro, die dem an Kosten gegenüberstehen“. Nicht zuletzt würde eine Öffnung der Richtlinien die für die Wirtschaft so wichtige Planungs- und Rechtssicherheit gefährden. Auch Hendricks luxemburgische Kollegin und derzeitige Ratspräsidentin des Umweltrates, die luxemburgische Umweltministerin Carole Dieschbourg, schloss sich diesem Votum an. Sie wies darauf hin, dass insbesondere die Landwirtschaft mehr zum Schutz der biologischen Vielfalt beitragen müsse. Ein vor wenigen Wochen von der EU-Kommission veröffentlichter Bericht habe gezeigt, dass die in der EU-Biodiversitätsstrategie bis 2020 festgelegten Ziele für die Land- und Forstwirtschaft noch lange nicht erreicht seien. Vor allem müsse mehr Geld aus den Subventionen für die sogenannte 1. Säule der Agrarpolitik (Direktförderung) in eine umweltschonende Landnutzung fließen. Dieschbourg kündigte für den letzten Umweltministerrat unter luxemburgischer Ratspräsidentschaft im Dezember ein deutliches Signal an die EU-Kommission an, nicht die Richtlinien infrage zu stellen, sondern Vorschläge zur besseren Umsetzung und Finanzierung zu machen!

Fotos: BMUB, Dr. Christiane Paulus (1), Melanie Klußmann (2)

EILMELDUNG: 9 EU-Staaten gegen Änderung der Naturschutzrichtlinien

naturealertEin riesiger Erfolg für unsere Arbeit zur Rettung der EU-Naturschutzrichtlinien. Am Rande des gestrigen EU-Umweltministertreffens unterzeichneten neun Minister den von Deutschland initiierten Brief an Umweltkommissar Vella, in dem er aufgefordert wird, die Vogelschutz- und die FFH-Richtlinie unangetastet zu lassen. Die Regierungen von Frankreich, Polen, Italien, Spanien, Luxembourg, Slowenien, Kroatien, Rumänien und Deutschland stellen sich damit auf die Seite der Natur und allderjenigen, die für ihren Schutz eintreten.

Der Original-Brief zum Download über die Pressemitteilung des Bundesumweltministeriums.

 

Worten müssen Taten folgen

Wiederholt haben die Naturschutzverbände bemängelt, dass es mit der Umsetzung der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt (NBS) nur unzureichend voran geht; dies haben auch Studien des Bundesumweltministeriums und des Bundesamtes für Naturschutz belegt, z.B. der Bericht zur Lage der Natur im Jahr 2014 und der Artenschutzreport im Jahr 2015. „Die aktuelle Lage der Natur muss ein Weckruf an die Politik sein. Denn Abwarten führt dazu, dass unsere Natur immer weiter Schaden nimmt“ hatte NABU-Präsident Olaf Tschimpke darauf hin seinerzeit gefordert. Und nun war es so weit, in der vergangenen Woche hat Bundesumweltministerin Hendricks ihre „Naturschutzoffensive 2020“ vorgestellt, mit der eine Reihe von prioritären, für das Jahr 2020 formulierten Zielsetzungen der NBS doch noch erreicht werden soll.

BM Hendricks_stellt die Naturschutzoffensive vor (BMUB/Inga Wagner)

Bundesumweltministerin Hendricks stellt die Naturschutzoffensive vor (BMUB/Inga Wagner)

In der Tat, das muss man anerkennen, enthält das Papier deutliche Worte zu den Treibern aktueller Probleme des Naturschutzes. Dies war sicher nur möglich, weil das Papier explizit die Sichtweise der Umweltministerin wiedergibt, wie Frau Hendricks bei der Vorstellung betonte, und eben nicht im Vorfeld mit den anderen Bundesressorts abgestimmt wurde – genau hier liegt der Reiz, aber eben auch der mögliche Schwachpunkt der Naturschutzoffensive: Die Probleme, insbesondere die durch intensive industrielle Landnutzung hervorgerufenen, werden zwar klar benannt und mögliche Lösungswege aufgezeigt, die Umsetzung liegt aber weitgehend in der Zuständigkeit anderer Ministerien. Dies ist im Grunde nur logisch, denn die NBS ist schließlich eine Strategie der gesamten Bundesregierung und in der Konsequenz sind daher alle Ressorts dafür verantwortlich, dass die Weichen zur Zielerreichung bis 2020 gestellt werden. Mehr noch: Weil Naturschutz in weiten Teilen Ländersache ist, müssen zudem auch die Landesregierungen ihren Teil dazu beitragen. Entsprechend haben die Umweltverbände in einer ersten Stellungnahme ein konsequentes Handeln von Bund und Ländern eingefordert.

Die Naturschutzoffensive 2020 enthält insgesamt 10 prioritäre Handlungsfelder, von denen ich ein paar hier kurz anschneiden möchte:

Besonders treffend und ambitioniert geht die Naturschutzoffensive mit der industriellen Landwirtschaft ins Gericht. Hier besteht der größte Handlungsbedarf und gleichzeitig ein harter Wiederstand gegen substanzielle Reformen. Der Umweltbeauftragte des Deutschen Bauernverbandes sprach bei der Vorstellung der Offensive zwar von „Folterinstrumenten“ und „starkem Tobak“, aber an einer Reform der EU-Agrarförderung unter der Maßgabe „Geld für Leistung“ kommen wir (nicht nur) aus NABU-Sicht keinesfalls vorbei; auch die vorgeschlagene Weiterentwicklung der nationalen Gemeinschaftsaufgabe „Agrarstruktur und Küstenschutz“ mit einem Schwerpunkt Naturschutz ist ebenso überfällig wie eine naturverträgliche Ausgestaltung der Fischereipolitik und eine konsequente Umsetzung von Meeresschutzgebieten. Das Bundeslandwirtschaftsministerium wird hier sicher mehr als einmal angeschoben werden müssen wenn es gilt, richtig dicke Bretter zu bohren.

Beim verbesserten Vertragsnaturschutz im Wald schließlich sind die Länder ebenso gefragt wie beim vorbildlichen Naturschutz und der natürlichen Entwicklung in öffentlichen Wäldern (gemeinsam mit den Kommunen). Die Stärkung von Stadtgrün im Rahmen der Städtebauförderung wiederum ist etwas, dem der neue Ressortzuschnitt des Umweltministeriums entgegen kommt – daran, wie ambitioniert dieser Punkt umgesetzt werden wird, kann man dann bald ablesen, wie weit die Abteilung Städtebau schon in das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit integriert ist.

Bei den Schutzgebieten und dem Biotopverbund bin ich gespannt, was der „Nationale Aktionsplan Schutzgebiete“ tatsächlich bringen wird, den die Ministerin gemeinsam mit den Ländern starten möchte. Klar ist, dass die Länder gerade erst und mit jahrelanger Verspätung angefangen haben, ihre Hausaufgaben in Sachen Sicherung und Entwicklung der Natura 2000-Gebiete zu erledigen – und das auch erst vor dem Hintergrund eines durch die EU eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens – und dass noch ein langer Weg zu gehen ist. Interessant noch im Kontext Biotopverbund: Das schon seit einigen Jahren bestehende „Bundesprogramm Wiedervernetzung“ der Bundesregierung wird nicht explizit erwähnt, und das, obwohl doch gerade die Finanzierung des Programms bisher unzureichend ist und das Bundesverkehrsministerium (BMVI) hier dringend mit einem eigenen Haushaltstitel nachbessern müsste.

Positive Erwähnung findet das BMVI hingegen im Kontext des in Erarbeitung befindlichen Bundesprogramms Blaues Band, das vom NABU seit langem gefordert wurde. Gleichwohl wird sich erst in Zukunft erweisen, inwieweit dieses von Frau Hendricks als „Jahrhundertprojekt“ titulierte Programm die gestellten Erwartungen auch tatsächlich erfüllt (am 8. Dezember werden auf einer Statuskonferenz in Bonn die ersten Arbeitsgergebnisse vorgestellt – man darf gespannt sein). Denn neben politischen Absichtsbekundungen braucht es dafür eine tiefe institutionelle Verankerung, eine solide Finanzierung und zudem über einen langen Zeitraum den politischen Willen, die gesetzten Ziele auch gegen Wiederstände zu verfolgen – ganz so, wie es prinzipiell Grunde für alle Handlungsfelder gilt, die nun in der Naturschutzoffensive 2020 aufs Tableau gehoben werden.

Zwei Mächte im Naturschutz?

„Nature and land use“ heute in der Britischen Botschaft Berlin

Bild2Heute Abend laden die beiden größten Naturschutzverbände Europas, die Royal Society for the Protection of Birds (RSPB) und der NABU gemeinsam mit der Britischen Botschaft Berlin zu einer ungewöhnlichen Veranstaltung ein: Ein deutsch-britisches Treffen, räumlich weit weg vom üblichen Brüsseler Verhandlungsmarathon, wo mühsam Kompromisse zwischen 28 Regierungen und Hunderten von Europaabgeordneten gefunden werden müssen; ein informeller Dialog mit Vertretern aus Regierung und Zivilgesellschaft beider Länder zu wichtigen Weichenstellungen, die im europäischen Naturschutz und in der Agrarpolitik anstehen. Die Eröffnung des British-German Dialogue on halting biodiversity loss and the need for policy reform“ wird übrigens einer der ersten Termine von Sir Sebastian Wood sein, des neuen Britischen Botschafters in Berlin. Wir laden Sie ein, die Veranstaltung über Twitter (#biodivdialogue) zu verfolgen!

Seeadler beim Fischfang

Der Seeadler verdankt sein Überleben auch den deutsch-britischen Vogelschutzranstrengungen. (Foto: Klemens Karkow/NABU)

Es gibt wenig Länder in denen der Naturschutz eine so große Tradition hat wie das Vereinigte Königreich und Deutschland. Der RSPB wurde schon im Jahr 1889 gegründet, der NABU zehn Jahre später (zunächst als Deutscher Bund für Vogelschutz, DBV). In beiden Fällen übrigens mit Frauen an der Spitze.
Ein der ersten gemeinsamen internationalen Kampagnen der beiden Verbände, an der auch der heutige US-BirdLife Partner Audubon-Society beteiligt war, zielte auf den Schutz von Reihern und Paradiesvögeln, deren Federn zum Schmuck von Damenhüten verwendet wurden. Mit Erfolg: kurz vor dem Ersten Weltkrieg erließen die Regierungen Einfuhrstopps und Abschussverbote. Die Geschichte der ersten internationalen Lobby-Kampagne von NABU und RSPB lässt sich im Detail hier nachlesen. Viele Jahrzehnte später waren die beiden Verbände die wesentlichen Triebkräfte bei der Gründung des heute wichtigsten Netzwerks von nationalen Natur- und Vogelschutzverbänden, BirdLife International (gegründet 1994 im bayerischen Rosenheim).

„Die Vögel des Paradieses in Paris, dem Herzen der Schmuckvogelausrottung! Aber auch in Berlin und anderen Großstädten kann man Ähnliches beobachten.“ Aus dem Jahresheft 1914 – Illustration: Bund für Vogelschutz/E. Matthes

„Die Vögel des Paradieses in Paris, dem Herzen der Schmuckvogelausrottung! Aber auch in Berlin und anderen Großstädten kann man Ähnliches beobachten.“ Aus dem Jahresheft 1914 – Illustration: Bund für Vogelschutz/E. Matthes

Aber auch der staatliche Naturschutz beider Länder reicht weit ins 19.Jahrhundert zurück, als erste Naturdenkmäler vor der Zerstörung geschützt wurden, wie der Drachenfels im Siebengebirge 1836, oder erste Artenschutzgesetze erlassen wurden, wie der Seabirds Preservation Act der britischen Regierung von 1869. Es war jedoch meist eine rührige Zivilgesellschaft aus Naturfreunden, Wissenschaftlern und engagierten Unternehmern, die diese Gesetze einforderten. Birdwatching ist in Großbritannien seit langem ein Volkssport, in Deutschland gibt es eine breit aufgestellte Umweltbewegung, die ihre Wurzeln im Naturschutz hat. Auch global sind beide Länder übrigens wichtige Finanzierer von Projekten für die biologische Vielfalt.

Und letztlich haben Briten und Deutsche auch an der Entstehung der heute weltweit bewunderte EU-Naturschutzgesetzgebung großen Anteil. Ein deutscher Abteilungsleiter der Europäischen Kommission brachte die Vogelschutzrichtlinie in den 1970er Jahren auf den Weg und ein britischer EU-Abgeordneter (der Vater des heutigen Londoner Bürgermeisters!) war entscheidend für die Verabschiedung der FFH-Richtlinie und die Gründung des Natura-2000-Netzwerks. Immer intensiv begleitet vom NABU-Vorläufer DBV und RSPB.

Die Turteltaube ist Opfer intensiver Landwirtschaft und illegaler Jagd (Foto: BirdLife Malta)

Die Turteltaube ist Opfer intensiver Landwirtschaft und illegaler Jagd (Foto: BirdLife Malta)

In den nächsten Jahren wird sich entscheiden, ob Deutschland und Großbritannien weiterhin treibende Kräfte für den Naturschutz bleiben. Erstens müssen sich beide unbedingt für einen Erhalt der EU-Naturschutzrichtlinien aussprechen. Zweitens wäre eine Kooperation beider Regierungen für eine grundlegenden Umbau der EU-Agrarsubventionen sehr wichtig. Und drittens können wir alle nur hoffen, dass sich die britische Bevölkerung für einen Verbleib in der EU entscheiden wird – die Natur braucht eine starke britische Stimme in Europa.

Weiterlesen:

Mensch, Wolf! Internationale NABU-Wolfskonferenz

Mit dem Wolf starteten wir im April unsere Naturschätze-Aktion. Auch der September steht wieder im Zeichen von Isegrim, denn gemeinsam mit seinem Partner Volkswagen richtet der NABU vom 24. bis 26. September 2015 eine internationale Wolfskonferenz in Wolfsburg aus. Noch bis zum 11. September ist eine Anmeldung unter www.NABU.de/wolfskonferenz möglich.

Wolf am frühen Morgen auf dem Truppenübungsplatz Munster Nord in der Lüneburger Heide. Foto: Jürgen Borris

Wolf am frühen Morgen auf dem Truppenübungsplatz Munster Nord in der Lüneburger Heide.
Foto: Jürgen Borris

In drei Panels werden aktuelle Themen der Wolfsdebatte aufgegriffen: „Wolfspopulationen managen“, „Wölfe und Nutztiere“, „Neue Wege der Koexistenz: Herausforderungen für Gesellschaft und Politik“. Die Konferenz widmet sich insbesondere den Einstellungen, Emotionen und Ängsten gegenüber Wildtieren im Allgemeinen und Wölfen im Speziellen. WissenschaftlerInnen, PolitikerInnen und PraktikerInnen aus Europa und Nordamerika stellen ihre Erfahrungen aus dem Wildtiermanagement vor und diskutieren gemeinsam mit den TeilnehmerInnen Mittel und Wege, um Konflikte im Zusammenleben von Mensch und Wolf zu vermeiden oder zu reduzieren.

Weitere Informationen zur Konferenz, zum Exkursionsangebot und zur Anmeldung gibt es unter www.NABU.de/wolfskonferenz

500.000 stehen auf für die Natur

 halbeMillion

Soeben, um 0:34 Uhr hat die NatureAlert-Kampagne die 500.000ste Unterschrift erhalten! Eine halbe Million Menschen hat sich nun klar für den Erhalt der EU-Naturschutzrichtlinen ausgesprochen. Das ist ein riesiger Erfolg und gibt uns kräftigen Rückenwind für unsere politische Arbeit im Herbst und Winter. Liebe Gegner der Natur… es ist Zeit, umzudenken.

Vielen Dank an alle Unterzeichner, und Dank allen, die NatureAlert in den letzten zwölf Wochen unterstützt haben! Grazie, Thank You, Danke, Gracias, Dank Je Wel und Merci an das fantastische Team von BirdLife, EEB, WWF und Friends of the Earth in Brüssel, sowie an die Kolleginnen und Kollegen im NABU und bei WWF-Deutschland, BUND und DNR für die harte Arbeit! Und natürlich Dank an alle, die in ganz Europa (und darüber hinaus) mitgeholfen haben, für die Rettung unserer Naturschätze zu werben und dabei so viele Menschen mobilisiert haben!

UPDATE: Die Konsultation endete am 26.Juli mit einen Stand von 520.325 Unterschriften.

DANKE

NatureAlert – überwältigender Andrang /Frist verlängert

Der Mittelspecht braucht den besonderem Schutz der EU. (Foto S. Klaus)

Der Mittelspecht braucht den besonderem Schutz der EU. (Foto S. Klaus)

Eigentlich sollte heute, Freitag um 24 Uhr, Schluss sein mit der EU-Befragung über die Zukunft der Naturschutzgesetze. Gestern jedoch verkündete die EU-Kommission eine Fristverlängerung um 48 Stunden, offensichtlich weil die riesige Beteiligung an der Konsultation zu technischen Problemen und zeitweiligen Aussetzern des Computersystems geführt hatte. Um sicher zu gehen, dass die EU-Bürger wirklich 12 Wochen Zeit hatten ihre Meinung zu äußern, gibt es nun eine Zugabe.

Ankündigung der Verlängerung durch die EU-Kommission.

Ankündigung der Verlängerung durch die EU-Kommission.

Dies ermöglicht noch einmal eine kräftige Steigerung für unsere NatureAlert-Kampagne. Schon heute erwarten wir das Knacken der 500.000er Marke. Möglicherweise kommen am Wochenende noch eine ganze Menge dazu, denn die Aktion wird nun auch verstärkt von den Medien aufgegriffen. Umweltverbände in ganz Europa veröffentlichen heute Presseerklärungen, so auch bei uns das Bündnis aus NABU, DNR, BUND und WWF. Außerdem breitet sich die Aktion in den Sozialen Netzwerken wie ein Schneeball aus. Gestern war #NatureAlert für einige Stunden der zweitbeliebteste Hashtag in Deutschland!

Neben der absoulten Zahlen der Beteiligung, die wohl auch auf Seiten der Naturschutzverbände für viele unerwartet kamen, finde ich besonders beeindruckend, in welcher Breite es uns gelungen ist, Menschen und Organisationen für den Naturschutz zu mobilisieren, noch dazu bei dem eher abstrakten Thema der EU-Gesetzgebung.