Wetter Beiträge

Trischen international Teil 3

Moin liebe Blogleser:innen,

heute berichte ich mal wieder von den Vogelringen hier auf der Insel. Mit dem Herbstzug kommen viele Gäste unterschiedlichster Arten zu mir auf die Insel, ihre Ringe erzählen weiterhin spannende Geschichten. Seit Ende Juli verbringe ich fast jeden Tag ein paar Stunden damit, rund um das Hochwasser den Strand entlangzupirschen und je nach Bedingungen verschiedene Arten abzulesen. Zu Beginn waren das die Zwergseeschwalben, von denen ich ja schon berichtet hatte. Dann folgte eine Zeit, in der ich mich vor allem auf Limikolen konzentriert habe und aktuell habe ich es auf Lachmöwen und Austernfischer abgesehen. Bei mittlerweile 19 Arten konnte ich Codes entziffern und Punkte im Lebenslauf der Vögel hinzufügen. Darunter Pfuhlschnepfen aus Mauretanien und Polen, Lachmöwen aus Deutschland, Polen, Dänemark, England, Lettland, den Niederlanden und Kroatien, Alpenstrandläufer aus Ungarn, Polen, Spanien, Wales, der Ukraine und den Niederlanden, sowie vieles Spannendes mehr. Besonders der Herbstzug zeigt mir wieder, wie international es hier zugeht und welche Bedeutung das Wattenmeer und auch Trischen im Speziellen für den Vogelzug hat.

Die Zwergseeschwalben sind mittlerweile größtenteils abgezogen, von den zeitweise an die 700 Vögeln sind noch zwei anwesend. Drei Wochen habe ich damit verbracht mich heranzuschleichen, nach beringten Individuuen zu suchen, zu versuchen, ihre Codes zu erkennen und Fotos der Ringe zu machen. Am Ende sind Beobachtungen von 78 Individuen zusammengekommen, ein kleiner Schatz an Daten für die Zwergseeschwalbenforschung. Acht meiner Vögel kamen aus verschiedenen Teilen Dänemarks, zwölf waren hier aus Deutschland, zwei aus den Niederlanden und zwei aus Litauen, ein Vogel kam aus England und 48 aus Polen, zum größten Teil von der Weichsel. Einer der Vögel wurde auf dem Zug in Portugal beringt und zwei Individuen bei der Überwinterung im Senegal. Meine älteste Zwergseeschwalbe wurde 2006 bei Lensterstrand an der Ostsee beringt. Einige meiner Vögel wurden nach ihrem Abzug hier auf Trischen wiederentdeckt, vor allem in den Niederlanden. Ein Vogel ist aber auch zurück an die Ostsee, nach Usedom, geflogen. Gleich bei meiner ersten Beobachtung der Zwergseeschwalbe im April hier auf der Insel ist sie zu meiner liebsten Trischen-Art geworden. Das kleine Ring-Projekt war bisher die schönste Arbeit hier für mich. Die hübschen, kleinen Seeschwalben werden mir fehlen.

Zwergseeschwalbe ZPK

Vor etwa zwei Wochen hatten wir eine sehr beeindruckende Sturmflut hier an der Küste, der Wasserstand auf Trischen lag bei 1,60 m über Normal und es haben nur noch die höchsten Punkte der Dünen und die Hütte aus dem Wasser geguckt. Nordwestlich von Trischen liegt der D-Steert, ein großer Außensand, der tausenden Zugvögeln einen sicheren Hochwasserrastplatz bietet – normalerweise. Während ich mich an der Hütte postiert hatte, und auf den Höhepunkt der Flut gewartet habe, konnte ich irgendwann ein riesiges Band von wabernden Limikolen ausmachen, das sich aus Richtung Norden den Strand entlang an Trischens Südspitze bewegte. Dieses Band war mehrere Kilometer lang und ein nicht enden wollender Strom von Watvögeln kämpfte sich gegen den Sturm vom abgesoffenen D-Steert zur nun sichereren Insel Trischen. Während des Hochwassers hätte ich gerne aufs Meer hinausgeblickt, um möglicherweise Hochseevögel zu sichten. Das war aber nicht möglich, da stundenlang ein Vorhang aus Limikolen über der Insel stand. Ein unbeschreibliches Erlebnis, das ich niemals vergessen werde. Als das Wasser wieder abgelaufen war, war die Zeit für Ringablesungen gekommen. Und auch hier sind wieder schöne Geschichten ans Licht gekommen. Ich konnte mehrere Knutts ablesen, zwei von ihnen wurden in Mauretanien beringt, zwei in den Niederlanden. Beim Blick auf die Lebensläufe zeigte sich, dass auch diese Vögel Menschen verbinden: Die beiden Knutts aus Mauretanien wurden dort unter anderem von Benjamin Gnep – Trischenwart 2014 – und Jonas Kotlarz – Trischenwart 2018 – abgelesen. Und einen der niederländischen Knutts haben bisher nur Ben und ich beobachtet, er allerdings auch in den Niederlanden. Das ist schon ein besonderes Gefühl, den gleichen Vogel wie meine Vorgänger gesehen zu haben, allerdings an einem ganz anderen Ort.

Ein farbberingter Knutt mit seinen Kollegen

Es bleiben mir noch wenige Wochen, um weiter nach den bunten Ringen zu suchen. Vergleichbare tolle Bedingungen für diese Art der Forschung werde ich so schnell nicht wieder haben. Ich bin gespannt, welche Vögel hier während meiner letzten Etappe noch vorbeischauen.

Viele Grüße

Jakob

Land unter

Moin liebe Blogleser:innen,

leider gibt es schlechte Nachrichten von der Insel. Seit Tagen ist es sehr windig hier oben. Der beständige Wind drückt das Wasser in die Deutsche Bucht, das führt zu ungewöhnlich hohen Wasserständen. Am vergangenen Sonntag hat sich die Lage dann zugespitzt, die Wasserstände waren bis zu einem Meter über dem normalen Pegel. Zu hoch für Trischen, große Teile der Insel standen unter Wasser. Der breite Strand war verschwunden, das Wasser hat fast überall bis an die Dünen gereicht. Die Salzwiesen waren flächig überschwemmt. Die Brutvögel hat das zu einem ungünstigen Zeitpunkt erwischt. Stundenlang musste ich mit ansehen wie vor allem die Flussseeschwalben und die Lachmöwen in großer Aufregung in der Luft über ihren Kolonien standen. Ein paar der Gelege der Flussseeschwalben vor meiner Hütte hatte ich in den letzten Wochen mit Stecken markiert, diese Stecken ragten nun nur noch etwa zur Hälfte aus dem Wasser heraus, kein gutes Zeichen. Die beiden Arten hatten, soweit ich es beobachten konnte, noch keine Küken, es lagen wohl noch hauptsächlich Eier in den Nestern, die das Wasser mit sich gerissen hat. Andere Arten, bei denen der Nachwuchs schon geschlüpft war hatten wohl etwas bessere Karten, sie konnten sich teilweise mit dem Nachwuchs in höhere Bereiche retten. Vor der Hütte saß ein Rotschenkel der seine Jungen unter seine Flügel nahm und so vor Kälte und Nässe schützte.

Gestern bin ich dann die Insel abgelaufen um zu sehen was das Unglück angerichtet hatte. In der Seeschwalben- und Lachmöwenkolonie waren die meisten Gelege leer, nur ein paar wenige Eier lagen noch an ihrem Platz. Am Strand konnte ich eine verendete Trauerente und eine Trottellumme finden, Arten, die an sich weiter draußen auf dem Meer leben, die das Unwetter aber nicht überstanden haben und bei mir angekommen sind. In der Zwergseeschwalbenkolonie, die es auch getroffen haben dürfte, waren ungewöhnlich viele Vögel anwesend, um die 120 Tiere. Ich gehe davon aus, das anderswo Kolonien abgesoffen sind, und dass sich die Vögel nun auf Trischen gesammelt haben.

Ein Rotschenkel trotzt mit seinem Nachwuchs dem Sturm

Ich hoffe, dass einige der betroffenen Brutpaare einen weiteren Versuch starten und ein Nachgelege versuchen. Für viele Arten hier auf der Insel dürfte der Schaden ansonsten imens sein, hunderte Paare haben ihre Brut für ein Jahr verloren. Heute waren die Wasserstände wieder sehr hoch, nicht so schlimm wie am Sonntag, aber die Salzwiesen und der Strand waren wieder flächig überschwemmt. Ab morgen soll es endlich wieder ruhiger werden.

Viele Grüße,

Jakob

Wettersonde

Liebe LeserInnen,

das Wetter ist, neben der Tide, für die Arbeit auf Trischen essenziell. Möchte ich zum Beispiel eine Vogelzählung machen achte ich darauf, dass es möglichst nicht regnet und im besten Fall relativ windstill ist. Die Wettervorhersage schaue ich meistens online nach, manchmal höre ich auch den Wetterbericht über den Seefunk. Vor ein paar Tagen kam das Wetter auf ganz andere Weise zu mir auf die Insel. Eine E-Mail erreichte mich, in der ich erfuhr das eine Wettersonde des Deutschen Wetterdienstes (DWD) auf Trischen gelandet wäre. Angegeben waren die genauen Koordinaten wo die Sonde lag, sodass ich diese einfach wieder einsammeln konnte.

Sonde, mit Ballonresten und Schnur

 

Die Nachricht kam von Hein Kipar aus Uetersen, der einer kleinen Gruppe von überwiegend Funkamateuren angehört und eben diese Wettersonden des DWD verfolgt und einsammelt. Ihn habe ich angerufen:

Hein, die Sonde lag tatsächlich nur wenige Meter von dem Punkt entfernt, den du mir geschrieben hast. Wie hast du das gemacht?

Das ist ein bisschen Erfahrung und Vorausberechnung von dem letzten GPS-Punkt, den wir von der Sonde empfangen haben. Wir werten die Geokoordinaten aus und kommen auf etwa 100 Meter genau ran. Das errechnet man dann aus der Flugrichtung, der Windgeschwindigkeit und der Fallgeschwindigkeit der Sonde.

Also gibt es eine richtige Zusammenarbeit zwischen den Funkamateuren und dem DWD?

Nein. Wir empfangen die Sonden mit Hilfe selbst gebauter Empfänger, dekodieren die Signale, welche die Sonden aussenden. Dann verfolgen wir den Weg der Sonden vom Start bis zur Landung und machen uns auf den Weg, um sie wieder einzusammeln. Täglich gehen bis zu 40 Wetterballons in Deutschland in die Luft, welche ja irgendwo auch wieder landen. Alle paar Sekunden sendet die Sonde ein Datenpaket los. Temperatur, Luftfeuchte, Luftdruck, Windrichtung, Windgeschwindigkeit und eben die Koordinaten. Gerade im letzten Jahr, wo pandemiebedingt nur wenige Flugzeuge unterwegs waren (welche auch Wetterdaten liefern) wurden vermehrt Sonden gestartet.

Und wie groß ist der Ballon, der da dranhängt?

Beim Start hat der Ballon ungefähr einen Meter Durchmesser. Er ist mit Helium gefüllt und steigt bis auf ca. 30.000 Meter (also 30 km) Höhe. Dort oben hat der Ballon dann eine Größe von einem kleinen Einfamilienhaus. So weit hat er sich dort oben in der dünnen Luft aufgebläht. Dann platzt der Ballon. Innen drin ist ein Fallschirm der aufgeht, und das ganze flattert wieder nach unten.

Die Flugbahn der Sonde. In der Nähe von Tönning ist der Ballon geplatzt.

 

Und werden viele der Sonden auch tatsächlich wiedergefunden?

Ganz viele Sonden landen im Wasser. Je nach Windrichtung in der Nord- oder Ostsee. Es starten viele Sonden von Norderney – die landen oftmals in der Nordsee. Und die von Schleswig in der Ostsee, da wir ja meistens Westwind haben. Aber wo es geht, da sammeln wir sie ein. Heute Morgen sind wir unterwegs gewesen, da hing die Sonde aber leider 20 Meter hoch im Baum. Da lässt sich dann nichts machen.

Das ist je echt schade, dass diese Wetterballons Einwegprodukte sind, die überall in der Natur verbleiben. Gerade diese Struktur mit dem langen Seil, dem Ballon und Fallschirm können für Tiere ja auch durchaus zum Verhängnis werden.

Genau deswegen machen wir das ja. Gestern war ich erst im Raum Itzehoe und habe da eine Sonde auf einer Kuhweide eingesammelt. Am Nachmittag war ich dann nochmal unterwegs. Da kam ich dann aber zu spät, da war schon jemand vor mir dort gewesen.

Dann ist das also auch ein bisschen eine Jagd nach den Sonden?

Ja ja – wir nennen uns scherzhaft auch „Sonden-Jäger“. Da ist auch ein bisschen Wettbewerb dabei.

Sind auf Trischen schon öfter Sonden gelandet?

Soweit ich das in der Statistik zurückschauen kann, das sind in etwa drei Jahre, ist dort noch keine gelandet.

Vielen Dank, Hein Kipar, für das spannende Gespräch. Ich finde es absolut großartig, wie hier Menschen Ihre Leidenschaft aus dem Funkwesen mit der „Jagd“ nach Sonden verbinden und dabei auch noch Müll einsammeln – so schön kann Naturschutz sein 😊

 

Birdrace 2019

Als ich gestern morgen vor Sonnenaufgang von meinem Wecker wach wurde, war ich der festen Überzeugung: „Heute kommt der erste Schwan dieser Saison nach Trischen. Ob Höcker-, Zwerg-, oder Singschwan… egal. Hauptsache ein Schwan. Mindestens.“ Denn gestern war Birdrace in ganz Deutschland. Doch dann kam alles anders. Zumindest auf Trischen:

Das Landunter der Saison – ein Nachtrag

Wenn einen morgens früh das unter der Hütte plätschernde und rauschende Wasser weckt, dann ist das ein untrügerisches Zeichen: Das höchste Landunter der Saison.