Naturschutz Beiträge

Vom Abschied

Moin liebe Blogleser:innen,

die Saison ist zuende, ich bin seit Samstag Abend wieder am Festland. Der heutige Blogbeitrag ist etwas ungewöhnlich, es ist mein Abschiedsbrief an meinen Brieffreund und irgendwie auch an Trischen. Heinz-Lothar Heimbach war 1970 Vogelwart auf Trischen. Seitdem hält er stetigen Briefkontakt zu den Vogelwärter:innen und begleitet sie durch ihre Zeit. Meinen Brief habe ich ihm in meinen letzten Stunden auf der Insel geschrieben.

„Lieber Heinz-Lothar,

Nun kommt endlich meine Antwort und auch die von dir gewünschte Beschreibung einer meiner Tage hier auf unserer Sandbank. Ich bin ein Mensch, der wie man so schön sagt vieles „auf den letzten Drücker erledigt“, das wird sich wohl nicht mehr ändern. Aber so kannst du an einem ganz besonderen Tag teilhaben. Morgen werde ich abreisen.

Heute morgen bin ich wie gewohnt zu Sonnenaufgang mit dem Kaffee in der einen, der Zigarette in der anderen Hand an der Hütte gesessen und habe die ziehenden Vögel beobachtet. Ich war dabei, wie jeden Morgen, in engem Austausch mit meinem Freund Kilian, dem Vogelwart von Scharhörn. Wir halten uns stetig auf dem Laufenden was es zu sehen gibt und was auf unseren Inseln so los ist. Anschließend habe ich mich nochmal in mein warmes Bett verkrochen, es ist mittlerweile recht herbstlich. Zu Mittag habe ich dann mit Axel telefoniert. Eigentlich war meine Abreise für Sonntag geplant, da ist es aber zu windig, also wagen wir die Überfahrt morgen. Der Tag wurde plötzlich hektisch. Ich musste noch Holz für das nächste Jahr machen, packen, putzen, alles was eben so ansteht. Bei einer Zigarettenpause auf dem Umlauf rief ein Reporter vom NDR an. Wir hatten gerade mit dem Interview begonnen als ich einen Singvogel auf einem der Pfosten entdeckte. Der Blick durchs Fernglas verriet mir, dass es ein Schwarzkehlchen war. Aber mit dem Vogel stimmte etwas nicht: seine Beine sahen merkwürdig aus. Ich würgte den Reporter ab und beendete das Telefonat, was sich gelohnt hat. Der Vogel kam näher zur Hütte und der Blick durchs Spektiv bestätigte meinen Verdacht: das Schwarzkehlchen war farbberingt. Alles ging sehr schnell, aber ich konnte ein gutes Foto machen. Wenige Stunden später kam auch schon die Rückmeldung: der Vogel wurde dieses Jahr als Jungvogel in Norwegen beringt. Meine wohl spektakulärste Ablesung und ein tolles Abschiedsgeschenk. Anschließend habe ich das Interview weitergeführt, meine Arbeit erledigt und bin dann noch einmal bei schönster Sonne und kräftigem Wind zur Nordspitze spaziert um mich zu verabschieden. Jetzt habe ich noch mit Kilian telefoniert und aktuell gönne ich mir ausnahmsweise ein wenig Rum, höre Lieder über das Meer und Inseln und schreibe dir diese Zeilen.

Unvergessliche Momente gab es viele, es fällt mir schwer das auf einen zu konzentrieren. Was ich sicherlich niemals vergessen werde und was mich überwältigt hat war die Sturmflut im späten Sommer. Der Himmel war voll von zigtausenden Vögeln, die Hütte stand mitten im Meer und ich war unfassbar beeindruckt und glücklich. Aber es gab auch viele Momente die wenig herausragen und trotzdem unvergesslich waren. Ich habe es immer sehr genossen in der Düne zu liegen und der Brandung zu lauschen.

Die Ringelgänse die mich hier im März begrüßt haben verabschieden mich nun. In den letzten Monaten bin ich über Bernsteine gestolpert, habe die ersten Gelege und dann die ersten Küken bewundert, mich über die ersten blühenden Pflanzen gefreut, habe gesehen wie die Insel sich verändert hat, wie junge Seehunde geboren wurden, wie alles lila vor Halligflieder wurde, wie die Vögel wieder begonnen abzuziehen, wie Stürme über Trischen gefegt sind und die Wiesen unter Wasser setzten, und schließlich habe ich bemerkt, dass der Queller sich rot gefärbt hat, dass die Seeschwalben im Süden waren, und dass die Ringelgänse zurückgekehrt sind. Du wirst verstehen was ich beschreibe.

Morgen werde ich diese kleine Heimat für immer aufgeben. Das schmerzt. Aber ich werde Trischen und meine Zeit als Robinson nie vergessen, so wie auch du.

Ich danke dir für den stetigen Kontakt und deine Briefe, es hat meine Zeit bereichert.

Ich wünsche dir von Herzen alles Gute.

Viele liebe Grüße
Jakob“

Der Vogelwart und seine Hütte

Und so endet meine Zeit als Vogelwart. Ich bin gespannt, was Mareike im nächsten Jahr erleben und berichten wird und werde, wie auch ihr, den Blog verfolgen. Ich danke euch für euer Interesse und die vielen Nachrichten im Gästebuch!

Die besten Grüße aus Soest,

Jakob

Ungebetene Gäste Teil 2

Moin liebe Blogleser:innen,

leider war die Geschichte mit den Nagern auf Trischen nach dem Fund der Spuren am Strand doch noch nicht vorbei. Einige Tage später fand ich Bauten im Treibsel auf der Südspitze. Diese sahen dann doch verdächtig nach Wanderratten aus, und die Lage wurde wieder brisant. Das Nationalparkteam reagierte sofort und lieferte mir zwei Kamerafallen über meine nächste Versorgungsfahrt. Diese stellte ich an den Eingängen der Bauten auf und schnell zeigte sich ein erstes Ergebnis: In der Nacht kam eine große Wanderratte aus dem Bau. Nun war klar, dass auf Trischen eine akute Bedrohungslage herrschte. Es bestand dringender Handlungsbedarf, um die gerade mit dem Brüten beginnenden Vögel zu schützen. Die Wanderratte ist eine invasive Art und in Deutschland nicht heimisch. Sie stellt weltweit eine der größten Gefahren für Seevögel auf Inseln dar. Die Populationen der Wanderratte in Norddeutschland wachsen, sie besiedelt mittlerweile viele Inseln und Halligen im Wattenmeer.

Die wohl erste und hoffentlich letzte Wanderratte auf Trischen

In den nächsten Tagen behielt ich die Ergebnisse der Kamerafallen im Auge, suchte verstärkt nach Spuren im Sand und nach weiteren Bauten. Die Rattenaktivität konzentrierte sich auf einen kleinen Bereich auf der Südspitze, mit wenigen Ausnahmen von Spuren am Weststrand der Insel. Auf den Kamerafotos war ausschließlich eine männliche Ratte zu sehen, ich fand insgesamt fünf Baueingänge. Die Chancen standen gut, dass sich nur eine einzelne Ratte auf der Insel aufhielt. Sicherheit bestand jedoch nicht. Die Rattensuche wurde intensiviert, um auszuschließen, dass sich eine möglicherweise vorhandene Population durch das zunehmende Nahrungsangebot mit Küken und Eiern noch weiter vermehren konnte. Als nächster Schritt wurden Fallen und ein Nachtsichtgerät auf die Insel gebracht. Nun galt es, tagsüber die Fallen zu kontrollieren und nachts mit dem Nachtsichtgerät nach der Ratte zu suchen. Und tatsächlich: In meiner ersten Nachtschicht konnte ich eine Ratte in wenigen Metern Entfernung in der Düne beobachten. Nach einem kurzen Anblick war sie aber verschwunden. Leider blieben die Fallen leer, auch in den kommenden Tagen, weshalb verschärfte Maßnahmen notwendig wurden.

Die Baueingänge der Ratte

Ich bekam in Abstimmung mit der Nationalparkverwaltung Besuch und professionelle Unterstützung durch zwei spezialisierte Biologen, die mit dem Versorgungsschiff anreisten und mir für drei Nächte Gesellschaft auf der Insel leisteten. Am dritten Tag fanden wir einen frischen Rattenbau. Innen bot sich ein erschreckendes Bild: Im verzweigten Bau der Ratte fanden sich diverse Depotkammern mit Beute: ein Kiebitzregenpfeifer, ein Knutt, drei Steinwälzer, ca. zehn Alpenstrandläufer, diverse Singvögel und weitere Überreste von Vögeln, zudem sieben Eier von Silber-/Heringsmöwen. Ein Möwenei dieser Arten wiegt etwa 92 Gramm, ein Hühnerei zum Vergleich etwa 45 Gramm. Wanderratten sind also ziemlich kräftig und können große Beute machen. Wohlgemerkt ist diese Masse an Beute einer einzigen Ratte zuzurechnen. Eindrücke davon, welche Schäden die Säuger bei Brutvögeln anrichten können, findet ihr in folgenden Videos: LINK; LINK. Kurz vor Abreise meiner Kollegen konnte die Ratte entnommen werden. Unser Eindruck war weiterhin, dass es sich um die einzige Ratte auf der Insel handelte. Damit ist Trischen jetzt vermeintlich wieder rattenfrei, ein Glück!

Die Fallen sind abgebaut, meine Sonder-Nachtschichten sind vorbei und die Vögel haben wieder ihre Ruhe. Zu den bisherigen Aufgaben als Vogelwart ist für mich und für meine Nachfolger:innen nunmehr wichtig, noch intensiver nach Spuren der Nager Ausschau zu halten und auf Bauten zu achten. Wir bleiben hier wachsam und gegebenenfalls muss wieder reagiert werden, damit Trischen der sichere Brutplatz bleibt, der er ist.

Viele Grüße,

Jakob

Ungebetene Gäste

Moin, liebe Leser:innen,

In der vergangenen Woche gab es überraschende Funde auf Trischen. Bei einem meiner Kontrollgänge über die Insel entdeckte ich Laufspuren kleiner Säugetiere an der Kante der Dünen. Meine erste Befürchtung: Wanderratten! Diese Nagetiere bereiten derzeit Probleme in vielen Küstenregionen mit Brutvogelkolonien; vor allem auf Inseln, wo bodenbrütende Vögel eigentlich sicher vor Fressfeinden sind. Wanderratten fressen Eier und Küken und bedrohen damit die Bestände zahlreicher Arten. Betroffen sind z.B. Austernfischer auf den Halligen, Brandseeschwalben auf Norderoog, Lachseeschwalben bei Neufeld, die alle unter der sich ausbreitenden Wanderrattenpopulation leiden. Trischen ist bisher von Wanderratten verschont geblieben. Recht schnell kam dann glücklicherweise die Entwarnung: die gesichteten Spuren hier auf der Insel stammen offenbar von einem Bisam. Dieser Nager breitet sich ebenfalls stark aus und erobert gerade das Wattenmeer. Für die Brutvögel gilt er als eher ungefährlich, da er sich fast ausschließlich von Pflanzen ernährt. Meine Vorgänger:innen Till und Melanie konnten in den letzten zwei Jahren ebenfalls Bisamratten auf Trischen nachweisen. Ob, beziehungsweise wie die Nager die Sturmfluten des letzten Winters hier auf Trischen überlebt haben, ist mir bislang noch ein Rätsel.

Bisamspuren am Strand

Wenig später machte ich eine weitere unliebsame Entdeckung: Ich fand den Schädel eines Nagers im Spülsaum an der Südspitze von Trischen. Nach erneuter Aufregung gab es zum Glück auch erneute Entwarnung: Der Schädel stammt von einer jungen Nutria. Nutrias gelten als weitere Neozoen, die sich im Wattenmeer ausbreiten. Auch Nutrias sind als vorwiegende Vegetarier kein Problem für unsere Brutvögel auf Trischen. Bisher gab es allerdings keine Nachweise von Nutrias hier auf der Insel. Ob der Schädel von einem Tier stammt, das tatsächlich auf Trischen unterwegs war, ist fraglich.

Nutriaschädel

Jetzt heißt es, die Augen offenhalten. Meine Aufmerksamkeit gilt jetzt Funden im Spülsaum, weiteren Spuren im Sand und im Schlick, Bauten und Losungen, vielleicht sogar der Sichtung einzelner Individuen. 2019 fand Anne de Walmont zwei frisch tote Marderhunde auf Trischen, 2021 hatte Anne Evers über mehrere Wochen einen Fuchs zu Besuch. Auch diese beiden Arten können für Brutvogelkolonien sehr gefährlich werden.

Derzeit ist es auf Trischen noch sehr ruhig und die Insel ist ein sicherer Ort für die Vögel. Hoffen wir, dass es beim Vorkommen der eher harmlosen Nagern bleibt und dass Wanderratten und andere ungebetene Gäste nicht den Weg auf die Insel finden.

Beste Grüße
Jakob

kurze Werbepause

Liebe LeserInnen,

heute Morgen gab es für mich Gute und Schlechte Neuigkeiten zugleich. Die Schlechte: Die Schleuse bleibt mindestens bis zum 15. Mai geschlossen. Die Gute: Es gibt eine Vertretung für Axel. Patrick wird mich voraussichtlich am Montag (so denn das Wetter mitspielt) von Büsum aus nach Trischen bringen und mich so lange dort versorgen, bis die Schleuse irgendwann wieder aufmacht. Patrick arbeitet für das ITAW (Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung) in Büsum, die sich netterweise bereit erklärt haben für Trischen auszuhelfen. Vielen Dank dafür!

Und bis dahin möchte ich hier für zwei Spannende Veranstaltungen werben, an denen Jeder, der Interesse hat teilnehmen kann.

 

Vögel und Klimawandel

Am Mittwoch, den 21. April von 20:00 – 21:00 (Eintritt ab 19:30 Uhr) wird online ein Vortrag gezeigt. Die Teilnahme ist kostenlos.

Der Klimawande hinterlässt auch in der Vogelwelt seine Spuren. Verändertes Zugverhalten führt bei vielen Arten zu verlängerten Aufenthaltszeiten im Brutgebiet. Manche Kurzstreckenzieher werden immer mehr zu Standvögeln, viele Wasservogelarten verschieben ihre Winterareale nordwärts. Veränderungen bei Nahrungsangebot und -qualität haben Auswirkungen auf den Bruterfolg und die Bestände vieler Vogelarten. Der Vortragende, Franz Bairlein ist vielfach ausgezeichneter Ornithologe und unter anderem ehemaliger Präsident der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft.

Zoomlink: https://us02web.zoom.us/j/82238856156?pwd=OUdERTI0MUIvamR4aXBldTlIcUJqQT09

 

Weniger ist Meer

Am Donnerstag, den 22. April um 19:30 Uhr wird das Prokjekt „Weniger ist Meer“ vorgestellt. Mikroplastik kennt jeder, aber kaum jemand hat es schon mal mit eigenen Augen gesehen. Das wollen Caro und Lauren ändern indem sie das Mikroplastik selber aus dem Wasser fischen, gemeinsam mit vielen Menschen genau hinsehen und dem Problem nachgehen. Auch Trischen ist im Sommer eventuell dabei. Wir haben angedacht bei einer Versorgungsfahrt auch vor der Insel nach Mikroplastik zu „fischen“. Aber jetzt erst einmal der lang ersehnte Auftakt – viel Spaß dabei!



Hier einschalten:

            www.weniger-ist-meer.com

                    >> „Hier gehts zum Webinar“

                            >> unterer Link „Treten Sie über Ihren Browser bei“

                                    >> Name und E-Mail eintragen

und schon seid ihr dabei!!!

Falsche Schwester – Arbeiten am Meeresgrund

Na, da bin ich doch manchmal kurz etwas verwirrt wenn ich zur Zeit gen Norden schaue. Hat die Ölbohrinsel Mittelplate A (die sich südlich von Trischen befindet) nun eine nördliche Schwester bekommen? Natürlich nicht. Eine Ölbohrinsel ist ja eigentlich bereits zuviel.