Schöner wohnen mit den Möwen – Homestory III
Diesem dritten und letzten Teil der Möwen-Homestory muss ich voranstellen: Natürlich darf man nicht einfach so bei jemandem einsteigen und sich mal umsehen. Ihre Nachbarn würden Ihnen zurecht was husten, wenn Sie das täten. Das ist bei mir nicht anders. Zum einen sind meine gefiederten Inselmitbewohner mindestens ebenso empört, wenn ich ihre Privatsphäre strapaziere, zum anderen darf man auch eine Vogelkolonie nur mit gutem Grund betreten. Und den hat in der Regel nur ein Feldbiologe oder ein Wissenschaftler (mit entsprechender Genehmigung). Auch ich bin nicht einfach für diese Reportage mal eben gucken gegangen. Die Bilder, die Sie unten sehen, sind bei Begehungen entstanden, die zum Beispiel im Rahmen der Brutvogelkartierung ohnehin vonnöten waren.
Wie sieht es also aus in so einer Kolonie? Wir stehen auf der Dünenkante. Seegrünes Gras wächst bis zu den Knien, dazwischen blendet weißer Sand. Quadratmeterweise bedeckt silbrig schimmernder Strandwermut die Fläche, und die Luft ist erfüllt vom Jaulen der Silbermöwen. Wie ein Körper gewordener Schatten stößt eine Heringsmöwe sausend herab, täuscht an, dreht mit kehligem Ruf wieder ab, nicht ohne einen deftigen Gruß da zulassen: Laut klatscht es auf den Boden! …knapp daneben! Es ist deutlich: Wir sind nicht erwünscht. Halten wir unseren Besuch also kurz. Aber bevor es weiter geht, schnuppern Sie bitte einmal!
Kennen Sie das Phänomen, dass jede Wohnung einen besonderen Geruch hat, der sich mit den Bewohnern auch ändern kann? Ich hatte diese Empfindung immer, wenn wir früher aus dem Urlaub zurück in unser Haus gekommen sind und fand es angenehm vertraut. Bei den Möwen riecht es auch immer gleich und, sagen wir, speziell. Ein Freund prägte den wundervoll euphemistischen Ausdruck „Odeur de mouette“. Die Ingredienzien des Möwenparfüms sind eine ordentliche Portion dicke Luft aus dem Hühnerstall und ein Hauch von Fischmarkt in der Mittagssonne. Und in diesem Dunst liegen, wie vom Himmel gefallen, alle paar Meter die Nester der Möwen. Wir müssen gut aufpassen, wohin wir den Fuß setzen.
Das Nest ist einfach. Der Standard ist ein Häufchen locker zusammengescharrtes trockenes Seegras, halb ordentlich, halb lässig um eine kleine Mulde im Sand drapiert. Ein so kunstvolles Nest wie es etwa der Zaunkönig baut oder einen tonnenschweren Horst wie beim Seeadler darf man also nicht erwarten. Die wären im Wind aber auch fehl am Platze. Und ich finde es immer wieder witzig, welche Variationen dieses Eigenheimstandards es dann doch gibt. Eine kleine Auswahl finden Sie unten:
Das Nest ganz oben entspricht in etwa der Norm. Darunter brütet man mit vorzüglichem Seeblick, aber nicht ganz ohne Risiko direkt an der Abbruchkante. Dann sehen Sie die ganz minimalistische Marie-Kondo-Version, hier wurde alles weggeräumt, was man nicht zwangsläufig braucht (sehen Sie die Spuren ums Nest?). Es folgt mein diesjähriges Lieblingsnest, das irgendwie an ein altes Fischerhäuschen mit rosenumranktem Vorgarten erinnert. Und ganz unten? Tja..
…wenn man ganz genau hinsieht, findet man in einigen Nestern bereits frisch geschlüpfte Küken. Die Warnrufe der Alttiere sorgen in den ersten Stunden nach dem Schlupf dafür, dass sie sich tief ins Nest drücken und durch ihr tarnendes Gefieder mit der Umgebung verschmelzen. Haben sie das Nest aber bereits verlassen, rennen die Küken auf den Ruf hin zur nächsten Deckung. Das kann durchaus einmal der Mensch sein, vor dem da gewarnt wird…
Aber jetzt soll es gut sein. Lassen wir die Tiere wieder in Ruhe. Mit einem ganzen Kopf (und einer Nase) voll Eindrücken von einem Ort, der den Vögeln vorbehalten bleiben soll, geht es entlang des Strandes zurück zur Hütte. Die letzten Sanderlinge des Frühjahrszuges flitzen den Spülsaum entlang. Über uns kreischen klirrend einige Küstenseeschwalben. Es riecht nach Tang in der Nachmittagswärme, und am Horizont ballen sich riesige, blaubeerblaue Gewitterwolken. Ein Junitag auf Trischen und die Möwenhomestory gehen zu Ende.