Es grünt so grün…
Auch wenn ich gestern schon den Herbst beschrien habe, eigentlich wird es auch hier gerade Frühling. Und heute schien immerhin wieder die Sonne, nur durch ein paar Schauer unterbrochen. Über Anzeichen des Frühlings im Watt hatte ich ja schon berichtet. Nun, passend zu Gründonnerstag, soll es um die, mehr oder weniger, grünen Geschöpfe der Insel gehen.
In den fast vier Wochen, in denen ich nun schon hier bin, sieht man es doch recht deutlich: Die Insel ist grüner geworden. Überall sprießen die Pflanzen und die neuen, grünen Blätter, schieben sich über die alten, braunen.
Richtige Frühblüher, wie man sie aus Garten und Wald kennt, gibt es auf Inseln und speziell in Salzwiesen wenige. Zu diesen gehören die Löffelkräuter von denen mir das Englische Löffelkraut (Cochlearia anglica) quasi vor die Füße gesprungen ist: Es wächst und blüht nämlich direkt am Fuß der Treppe und erfreut mein Herz.
Weitere Pflanzen, die schon blühen, kennen Sie auch aus dem heimischen Garten: Löwenzahn (Taraxacum officinalis) und Vogelmiere (Stellaria media) wachsen und blühen auch hier auf der Insel. Weil sie nicht viel Salz vertragen stehen sie auf den höchsten Dünenbereichen, die selten bis gar nicht mehr überspült werden. Dort ist auch das Viermännige Schaumkraut (Cardamine hirsuta) zu finden. Dieses unscheinbare Kreuzblütengewächs ist eigentlich auch eher auf Ruderalstellen auf dem Festland beheimatet. Die Bezeichnung „viermännig“ bezieht sich auf die (meist) vier Staubblätter pro Blüte.
So viel zu den ersten Blüten der Insel. Die anderen Pflanzen blühen zwar noch nicht, haben aber immerhin schon angefangen neue Blätter zu treiben.
Gehen wir zur Seeseite, sehen wir gerade ein paar Erstbesiedler des Strandes bzw. der Vordünen ergrünen, z. B. die Dünen-Quecke (Elytrigia) und die Salzmiere (Honckenya peploides). Teilweise wurden ihre Wurzelstöcke, ihre Rhizome, durch die Winterstürme frei gespült. Doch solange sie nicht fort gespült wurden, können sie weiter wachsen und angewehten Sand festhalten, so dass aus Vordünen irgendwann Weißdünen werden.
Dort, wo die Düne höher geworden ist, übernehmen andere Pflanzenarten, besonders der Strandroggen (Leymus arenarius) und der Strandhafer (Ammophila arenaria). Beide Gräser haben sehr derbe Blätter, um dem ständigen „Sandsturm“ standzuhalten. Werden sie übersandet, können sie durch Wachstum langer Rhizome quasi wieder aus dem Sand „auftauchen“.
Ist die Düne schon etwas älter, bewegt sich nicht mehr so viel und ist salzärmer geworden findet man z. B. Blattrosetten der Nachtkerze (Oenothera), die im Sommer schön gelb blühen wird. Ebenso wächst hier die aus Ostasien eingeführte Kartoffelrose (Rosa rugosa).
Kommen wir dann auf der Ostseite der Insel in der Salzwiese an, wirkt sie oberflächlich noch sehr braun. Doch schaut man genauer hin, treiben auch hier schon alle Pflanzen neue Blätter, z. B. der Strandflieder (Limonium vulgare), deren jetzt vertrocknete Blütenstände die Salzwiese im Spätsommer violett gefärbt haben, der Strand-Beifuß (Artemisia maritima) mit seinen weiß-pelzigen Blättern, der der Salzwiese seinen ganz eigenen Duft verleiht, das Milchkraut (Glaux maritima), das schon bald ab Mai einen Hauch von Rosa über die Salzwiese legt.
Schon fast wieder im Watt angekommen keimt auch schon der Queller (Salicornia spec.), der den Übergang von Watt zu Salzwiese bildet. Dieser Bereich wird bei fast jedem Hochwasser überflutet. Entsprechend hoch ist die Belastung für Landpflanzen durch Salz und für Wasserpflanzen durch Trockenfallen bei Niedrigwasser. Nur der Queller, eigentlich eine Landpflanze, kann so viel Salz tolerieren und lässt sozusagen das Watt grün werden. Jede einzelne Pflanze erträgt die Salzbelastung allerdings auch nur für ein Jahr. Sie stirbt im Herbst ab, lässt dabei aber die Salzwiese noch rot leuchten. Der „indian summer“ der Salzwiese.
Doch soweit ist es zum Glück noch nicht. Genießen wir erst noch den Frühling, dann den Sommer und dann irgendwann, in ferner Zukunft, kann auch ein schöner Herbst kommen. Bis dahin, bleiben Sie dran. Ich bleibe es auch.