Der Tüter mit den roten Beinen

Oder, um das heutige Thema als Frage zu formulieren: Was hat rote Beine und macht Türelü? Nein, es ist kein (Eis?)-Verkäufer mit sonnen-verbrannten Beinen, der auf dem letzten Loch pfeift. Nun, sie sehen es ja am Bild: Ich möchte Ihnen in loser Reihe ein paar der Brutvögel der Insel näher vorstellen und heute soll es um meine engsten Mitbewohner gehen, die mich morgens vom Aufstehen bis abends zum Schlafengehen begleiten: die Rotschenkel (Tringa totanus). Wobei Mitbewohner falsch ist. Vielmehr sind die Vögel hier, um im Bild zu bleiben, die eigentlichen Eigentümer und ich nur Untermieter und Gast für eine Saison.

Nun aber zum Thema. Der deutsche Name des Rotschenkels ist ja selbst erklärend und nimmt Bezug auf das (optisch) hervorstechendste Merkmal: die roten Beine. Abgesehen vom roten Schnabel mit dunkler Spitze, oder schwarzem Schnabel mit roter Basis (je nach Sichtweise) ist der restliche Körper des Rotschenkels unscheinbar braun. Nur wenn er auffliegt sieht man den auffälligen, breiten weißen Flügelhinterrand.

Niederländer, zumindest vogelkundlich interessierte, hätten die eingangs gestellte Frage wahrscheinlich auf Anhieb beantworten können. Auf niederländisch heißt der Rotschenkel nämlich „Tureluur“, was sich lautmalerisch, wie bei uns Kuckuck und Zilpzalp, auf die häufig zu hörenden Rufe bezieht. Denn Rotschenkel sind sehr kommunikative Vögel. Es gibt tagsüber fast keinen Moment, an dem hier nicht von irgendwo ein Rotschenkel ruft. Nur wenn das Niedrigwasser mal in die Mittagszeit fällt und alle Vögel im Watt fressen oder schlafen, kann es erschreckend still werden.

Mit den vielen Lautäußerungen kommunizieren die Rotschenkel natürlich miteinander. Jetzt zur Brutzeit stecken sie kleine Brutreviere ab, die markiert und verteidigt werden müssen. Dazu dienen zum Beispiel die Ausdrucksflüge, in denen die Rotschenkel in leichten Bögen mit Schwirr- und Gleitflugphasen Reihen aus „Tüt“-Lauten äußern oder auch „jodeln“. Letzteres bezeichnet eine Reihe aus mehrsilbigen Lauten, die in etwa als „Tüliü-tüliü-…“ beschrieben werden kann.
Aber sehen und hören sie selbst. Im Video ist Größtenteils eine Reihe aus „Tüt“-Lauten zu hören zwischendurch auch kurz das „Jodeln“.

Am Boden geht es natürlich weiter mit Balz und Revierverteidigung. Dazu gehört auch Verfolgung mit imponierender Haltung: Man zeigt sich von der besten/Breit-Seite, reckt Hals und Kopf ein wenig, fächert noch den Schwanz ein wenig und läuft dann hinter-, neben- und umeinander her. Dabei kann das Gegenüber dann die feine Zeichnung der Schwanz- und Flügelfedern bewundern (s. oben).

Das Nest ist sehr gut versteckt in der Vegetation und eigentlich nur zu finden, wenn der brütende Vogel zufälligerweise direkt vor einem auffliegt. So wie bei diesem Nest, das zwei Meter neben dem Weg zum Strand liegt und in das ich ausnahmsweise einmal hineingeschaut habe. Um sich noch besser zu tarnen, ziehen die Rotschenkel auch noch Halme und Blätter der Gräser zu einer Art „Dach“ zusammen, so dass es von oben nicht zu sehen ist.

Mit ihren vielen Rufen warnen sie sich auch gegenseitig vor (potentiellen) Fressfeinden, so z.B. auch vor mir (sie wissen ja nicht, dass ich ihnen nichts Böses will), und sie verfolgen und vertreiben Feinde auch gemeinschaftlich.

Ihre Nahrung finden die Rotschenkel gleich um sich herum in der Salzwiese und vor allem ein paar Meter weiter im Watt. Sie picken alle möglichen Wirbellosen von der Oberfläche (Schnecken, Würmer, Insekten, Muscheln etc.) und manchmal stochern sie auch. Und zu guter letzt kann bei der Nahrungssuche das Wasser auch mal bis zum Bauch stehen. Denn schwimmen können sie auch.

Tore

Naturschutzwart Trischen 2017