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Was bleibt

Liebe LeserInnen,

dies wird der letzte Beitrag sein, den ich aus Trischens kleiner Vogelwärterhütte schreibe. Morgen wird die „Luise“ das letzte Mal in diesem Jahr an der Südspitze anlegen, um abends wieder Richtung Meldorf zu fahren.

Ein Freund meinte einmal zu mir: „Die Zeit auf Trischen wird dich bestimmt verändern“. Und ja, ich stimme ihm zu. Ich habe viel gelernt. Ich habe Vögel, Pflanzen und Insekten bestimmt, viel Neues entdeckt.

Aber neben diesen fachlichen Dingen, hat sich vor allem meinen Blick auf mich selbst verändert.

Wenn ich von der Hütte aus am Horizont entlang schaue, sehe ich tausende Windräder und riesige Containerschiffe. Damit diese in den Hamburger Hafen einfahren können, wird die Elbe massiv ausgebaggert und das Ökosystem des Flusses stark beeinträchtigt. Im Norden sehe ich eine gigantische Muschelzuchtanlage, bebaute Ferienorte an der Küste. Und natürlich meine Nachbarsinsel, die Ölbohrinsel „Mittelplate A“ mit der dazugehörigen Raffinerie am Festland. Eine Industrielandschaft. Trischen wirkt dann gleich doppelt wie eine Insel.

 

Mein Leben in den letzten Monaten hier war denkbar einfach. Gerade mal 16 Quadratmeter zum Arbeiten, Essen und Schlafen, ein paar Solarzellen für zwei Steckdosen, ein Gasherd und ein Holzofen. Ich habe alles gehabt was ich brauche – habe nichts vermisst.

Ich weiß das mein „normales“ Leben mit dieser Industrielandschaft zu tun hat. Mein Lebensstil und mein Konsum bedingen, das es weniger Orte wie Trischen und mehr Orte wie die Ölbohrinsel gibt. Manchmal vergesse ich das im Alltag. Hier auf Trischen wurde mir dieser Umstand täglich vor Augen geführt. Aber ich weiß auch, dass ich mich jeden Tag aufs Neue entscheiden kann. Entscheiden was ich tue, was ich kaufe (ob ich überhaupt etwas kaufe) und was ich wirklich brauche.

Das ist es, was bleibt.

Ich bedanke mich für Ihr Interesse und die vielen Rückmeldungen im Gästebuch – es war mir eine echte Freude!

Und da Sie jetzt gerade auf den Bildschirm des Computers oder auf ihr Handy schauen, bleibt mir nur noch der Appell, den Peter Lustig in der Kindersendung Löwenzahn immer am Ende gesagt hat: „Und jetzt: Abschalten“.

Herzlichst

Ihre Anne

Ab in den Süden

Liebe LeserInnen,

in einem Beitrag Ende September hatte ich schon vom Beginn des herbstlichen Vogelzugs berichtet. Heute, knapp drei Wochen später, ist der Herbstzug in vollem Gange. Da ich mir vor drei Wochen noch gar nicht vorstellen konnte, wie das sein würde, möchte ich heute noch einmal darüber berichten.

Die Erfassungsmethode ist die gleiche geblieben – morgens bei Sonnenaufgang stehe ich auf dem Hüttenumlauf und schaue nach Norden. Im Gegensatz zu Ende September aber, erlebe ich an manchen Tagen einen Vogelzug der absolut überwältigend ist. Mit dem ersten Licht des Tages höre ich die Vögel, kann sie aber noch nicht sehen. Etliche Tiere haben die Nacht in den Dünen und Salzwiesen der Insel verbracht und rufen schon aus der Vegetation heraus. Dann, sobald das Licht hell genug wird, fliegen sie auf und los geht´s. In einem nicht enden wollenden Strom schwirren jetzt Kleinvögel, unter, neben und über die Hütte hinweg. Wie von einem gigantischen Magnet angezogen fliegen sie zielgerichtet und lautstark rufend Richtung Süden. Schaue ich raus aufs Meer kann ich auch dort, weiter entfernt, etliche Vögel sehen, die nach Süden fliegen. Bestimmen kann ich diese Vögel nicht, dafür sind sie zu weit weg. Es wird schnell klar: Die auf Trischen aufgenommenen Daten bilden nur einen Bruchteil von dem ab was sich hier morgens abspielt.

Aber nicht nur die Intensität des Zuges hat zugenommen, sondern auch das Artenspektrum. Dominierten Ende September noch die Wiesen- und Baumpieper, kommen in diesen Tagen viele Buch- und Bergfinken durch. Daneben fliegen Bluthänflinge, Erlenzeisige, Bach- und Gebirgsstelzen, sowie Stare. Einzelne Heckenbraunellen und Wintergoldhähnchen waren auch dabei. Auch die drosselartigen Vögel nehmen jetzt zu: Singdrosseln, Amseln und endlich auch die Rotdrosseln.

Leicht zu unterscheiden: Die Singdrossel mit ihren dunklen Tupfen auf der Brust und die Rotdrossel mit den roten Flanken und den markanten hellen Streifen über den Augen.

Viele Vögel fliegen entlang der Dünenkanten und verlassen die Insel erst an ihrem südlichsten Punkt. Von hier aus fliegen sie flach über das Wasser in Richtung Cuxhaven. Auch wenn ich an der Nordspitze der Insel stehe, kann ich gut beobachten, wie sie aus dem nördlich gelegenen St. Peter-Ording übers Wasser kommen. Manche Arten fliegen bis ins Mittelmeergebiet, andere bis nach Südafrika. Wieder andere kommen aus dem hohen Norden, um hier im Wattenmeer den Winter zu verbringen. So vielfältig die verschiedenen Arten, so unterschiedlich sind ihre Lebenszyklen.

An der Südspitze von Trischen rasten die Vögel noch kurz in den Ähren vom Strandroggen, bevor sie über das Wasser Richtung Cuxhaven weiterfliegen. Greifvögel, wie die Kornweihe, nutzen diesem Umstand für die Jagd:

 

Ich finde es absolut faszinierend wie diese kleinen Vögel unterwegs sind, genau wissen, wo sie hinwollen und im Frühjahr auch wieder ihren Weg zurückfinden. Auch wenn wir schon so viel über die Vögel und ihr Verhalten wissen, so ist der Vogelzug nach wie vor ein Mysterium. Wahrscheinlich werden wir das Leben der Vögel nie ganz verstehen. Aber das ist vielleicht ja auch ganz gut so.

 

Von Wind und Wasser geformt

Liebe LeserInnen,

die Insel Trischen unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von anderen Inseln im schleswig-holsteinischen Nationalpark Wattenmeer. Der prägnanteste Unterschied aber ist ihre Unberührtheit. Bis Mitte der 40er Jahre wurde Trischen noch vom Menschen bewirtschaftet und durch umfangreiche Küstenschutzmaßnahmen beeinflusst. Steinpackungen bewahrten die Dünen vor dem Abbruch und ein Deich schützte den landwirtschaftlich genutzten Bereich vor dem Wasser der Nordsee. Doch dann kam alles anders. Mehrere Sturmfluten durchbrachen die Deiche, die Dünen wurden weggespült. Die Bewohner Trischens wurden ans Festland gebracht und man erklärte die Insel für „verloren“.

Aus heutiger Sicht kann man es auch anders formulieren: „Trischen wurde vom Einfluss des Menschen befreit“. Denn nachdem die Bewirtschaftung der Insel aufgegeben wurde, entwickelte sich die Insel frei, nur den Gesetzten von Wind und Wasser folgend. Was entstand, war eine wilde und dynamische Insel. Ein Ort, an dem man beobachten kann, was passiert, wenn der Mensch keinerlei Einfluss übt.

 Diese Dynamik kann ich in diesen Tagen quasi live miterleben

Unterhalb der Dünenkette hatten sich im Laufe des Sommers kleinere Primärdünen gebildet. Salzmiere und Meersenf hatten den angewehten Sand festgehalten. Diese Strukturen wurden immer größer und größer. Und so hatte die Insel Anfang September mächtig Sand angesammelt.

Am 23. September kam dann allerdings Sturmtief „Tim“ mit Sturmböen von bis zu 105 km/h hier vorbeigefegt. Das Hochwasser stieg 1,10 Meter über den Normalen Wasserstand. Große Wellen rollten auf den Strand. Am kommenden Tag habe ich dann den Strand inspiziert. Viele der Primärdünen waren gänzlich verschwunden. Von Salzmiere und Meersenf ragten nur noch die abgerissenen Wurzeln aus dem Sand. Die Dünen zeigten teilweise scharfe Kanten, wo das Wasser den Strandhafer und den Sand weggerissen hatte.

Die folgenden Bilder habe ich jeweils von exakt der gleichen Position aus gemacht. Sie zeigen deutlich die Veränderungen nach dem Sturm:

 

 

Nur eine starke Flut, und alles was sich über den Sommer gebildet hat ist verändert.

Aber schon am gleichen Tag fing der Prozess wieder von vorne an. Hinter jeder Muschel und jedem Stück Treibholz hatten sich winzige Sandhäufchen im Windschatten gebildet – der erste Schritt zur Entstehung einer Düne.

 

Ob Trischen zukünftig weiter schrumpft oder wächst entscheidet also allein das Meer und der Wind. Und wir selber dürfen staunend zuschauen.

 

Neue Art, neuer Wart

Liebe LeserInnen,

neulich wurde für Trischen eine neue Vogelart registriert: Anas ligneus, die hölzerne Ente. Ihre Herkunft ist weitestgehend unbekannt. Ebenso sind ihre Verbreitung und Brutbiologie noch Gegenstand der Wissenschaft. Für Trischen stellt Anas ligneus einen Erstnachweis dar.

Unauffällig rastet diese Art im oberen Bereich des Strandes. Durch das fein gezeichnete Deckgefieder ist sie in dem, mit Treibholz versetzten, Spülsaum gut getarnt. Die rötlich bis blau-grünen Felder im Flügel scheinen bei der Art kennzeichnend zu sein. Das Auge ist glänzend rötlich. Die Abnutzungserscheinungen im Halsbereich deuten darauf hin, dass es sich um ein adultes Tier handelt.

Anas ligneus ist ein stummer Vogel, welcher weder Gesang noch Rufe äußert. Auch wegen dieser Tatsache, wird diese Art wahrscheinlich häufig übersehen.

Deutschlandweit gibt es nur wenige Nachweise aus Siedlungsbereichen.

Das auf Trischen entdeckte Exemplar zeigt sich jedenfalls erstaunlich zutraulich. Nur wenige Minuten nach ihrer Entdeckung ließ sie sich bereits streicheln und auf den Arm nehmen. Seitdem begleitet mich Anas ligneus bei meinen Tätigkeiten, und ist ein sehr zutrauliches und pflegeleichtes Tier. Einwandfrei stubenrein lebt es nun entweder auf der Terrasse oder im Inneren der Hütte.

Neuer Wart

Am Samstag hatte ich Besuch, der im Gegensatz zur hölzernen Ente ganz lebendig war. Till, der neue Vogelwart hat mich für einen Tag besucht, um sich seine neue Arbeitsstätte anzuschauen. Das ist hier Tradition das die neuen Warte einmal nach Trischen kommen, um die Insel schon einmal ein bisschen kennenzulernen. Wertvolle Erfahrungen der VorgängerInnen können an dem Tag auch schon vor Ort weitergegeben werden.

Wir hatten jedenfalls einen ganz wunderbaren Tag, Till freut sich auf das kommende Jahr und ich freue mich über meinen sympathischen Nachfolger. Mehr wird heute nicht verraten – er wird sich dann ja bald hier im Blog selbst vorstellen!

Till und ich mit Axel an seiner „Luise“

 

Wettersonde

Liebe LeserInnen,

das Wetter ist, neben der Tide, für die Arbeit auf Trischen essenziell. Möchte ich zum Beispiel eine Vogelzählung machen achte ich darauf, dass es möglichst nicht regnet und im besten Fall relativ windstill ist. Die Wettervorhersage schaue ich meistens online nach, manchmal höre ich auch den Wetterbericht über den Seefunk. Vor ein paar Tagen kam das Wetter auf ganz andere Weise zu mir auf die Insel. Eine E-Mail erreichte mich, in der ich erfuhr das eine Wettersonde des Deutschen Wetterdienstes (DWD) auf Trischen gelandet wäre. Angegeben waren die genauen Koordinaten wo die Sonde lag, sodass ich diese einfach wieder einsammeln konnte.

Sonde, mit Ballonresten und Schnur

 

Die Nachricht kam von Hein Kipar aus Uetersen, der einer kleinen Gruppe von überwiegend Funkamateuren angehört und eben diese Wettersonden des DWD verfolgt und einsammelt. Ihn habe ich angerufen:

Hein, die Sonde lag tatsächlich nur wenige Meter von dem Punkt entfernt, den du mir geschrieben hast. Wie hast du das gemacht?

Das ist ein bisschen Erfahrung und Vorausberechnung von dem letzten GPS-Punkt, den wir von der Sonde empfangen haben. Wir werten die Geokoordinaten aus und kommen auf etwa 100 Meter genau ran. Das errechnet man dann aus der Flugrichtung, der Windgeschwindigkeit und der Fallgeschwindigkeit der Sonde.

Also gibt es eine richtige Zusammenarbeit zwischen den Funkamateuren und dem DWD?

Nein. Wir empfangen die Sonden mit Hilfe selbst gebauter Empfänger, dekodieren die Signale, welche die Sonden aussenden. Dann verfolgen wir den Weg der Sonden vom Start bis zur Landung und machen uns auf den Weg, um sie wieder einzusammeln. Täglich gehen bis zu 40 Wetterballons in Deutschland in die Luft, welche ja irgendwo auch wieder landen. Alle paar Sekunden sendet die Sonde ein Datenpaket los. Temperatur, Luftfeuchte, Luftdruck, Windrichtung, Windgeschwindigkeit und eben die Koordinaten. Gerade im letzten Jahr, wo pandemiebedingt nur wenige Flugzeuge unterwegs waren (welche auch Wetterdaten liefern) wurden vermehrt Sonden gestartet.

Und wie groß ist der Ballon, der da dranhängt?

Beim Start hat der Ballon ungefähr einen Meter Durchmesser. Er ist mit Helium gefüllt und steigt bis auf ca. 30.000 Meter (also 30 km) Höhe. Dort oben hat der Ballon dann eine Größe von einem kleinen Einfamilienhaus. So weit hat er sich dort oben in der dünnen Luft aufgebläht. Dann platzt der Ballon. Innen drin ist ein Fallschirm der aufgeht, und das ganze flattert wieder nach unten.

Die Flugbahn der Sonde. In der Nähe von Tönning ist der Ballon geplatzt.

 

Und werden viele der Sonden auch tatsächlich wiedergefunden?

Ganz viele Sonden landen im Wasser. Je nach Windrichtung in der Nord- oder Ostsee. Es starten viele Sonden von Norderney – die landen oftmals in der Nordsee. Und die von Schleswig in der Ostsee, da wir ja meistens Westwind haben. Aber wo es geht, da sammeln wir sie ein. Heute Morgen sind wir unterwegs gewesen, da hing die Sonde aber leider 20 Meter hoch im Baum. Da lässt sich dann nichts machen.

Das ist je echt schade, dass diese Wetterballons Einwegprodukte sind, die überall in der Natur verbleiben. Gerade diese Struktur mit dem langen Seil, dem Ballon und Fallschirm können für Tiere ja auch durchaus zum Verhängnis werden.

Genau deswegen machen wir das ja. Gestern war ich erst im Raum Itzehoe und habe da eine Sonde auf einer Kuhweide eingesammelt. Am Nachmittag war ich dann nochmal unterwegs. Da kam ich dann aber zu spät, da war schon jemand vor mir dort gewesen.

Dann ist das also auch ein bisschen eine Jagd nach den Sonden?

Ja ja – wir nennen uns scherzhaft auch „Sonden-Jäger“. Da ist auch ein bisschen Wettbewerb dabei.

Sind auf Trischen schon öfter Sonden gelandet?

Soweit ich das in der Statistik zurückschauen kann, das sind in etwa drei Jahre, ist dort noch keine gelandet.

Vielen Dank, Hein Kipar, für das spannende Gespräch. Ich finde es absolut großartig, wie hier Menschen Ihre Leidenschaft aus dem Funkwesen mit der „Jagd“ nach Sonden verbinden und dabei auch noch Müll einsammeln – so schön kann Naturschutz sein 😊