NABU GAP-Ticker: The Good, the Bad and the Ugly – Positionen der Parteien vor der Entscheidung

Brüssel, 7.Oktober 2020. Nach mehr als zweijähriger Debatte steht in der übernächsten Woche die Abstimmung des Europäischen Parlaments zur GAP an. Diese gilt als wichtiger Meilenstein für die Reform der europäischen Agrarförderung, welche nun mit zwei Jahren Verzögerung ab dem 1.1.2023 in Kraft treten soll. Davor stehen aber noch Verhandlungen zwischen den politischen Gruppen im Parlament an, die versuchen im Vorfeld der Plenarabstimmung, eine gemeinsame Position zu finden. Doch was fordern EVP, S&D, Renew und Grüne im Detail? Wir versuchen einen Überblick dazu zu geben, anhand der thematischen Schwerpunkte, die bisher die Debatte prägen.

Vereinbarkeit mit den Zielen des „European Green Deal“

Im Mai hatte die Europäische Kommission mit ihrer Farm-to-Fork und ihrer Biodiversitätsstrategie zwei ambitionierte Papiere vorgelegt (siehe hier). Ohne rechtliche Verankerung in den einzelnen EU Programmen bleiben diese jedoch unverbindlich. Vor allem die GAP sehen viele Akteure in Brüssel deswegen in der Verantwortung. Sie fordern (siehe hier), wichtigen Ziele zur Pestizidreduktion, der Förderung des Biolandbaus oder zum Anteil nichtproduktiver Landschaftsbestandteile usw. direkt in die GAP-Verordnung zu integrieren. So könnte die EU Kommission bei der Genehmigung der strategischen Pläne später ausreichend Druck auf die Mitgliedstaaten ausüben, ambitioniertere Maßnahmen einzureichen. Die politischen Gruppen haben hierzu unterschiedliche Vorstellungen. Während die konservative EVP die Ziele der beiden Strategien leider erstmal einer ausführlichen Überprüfung aussetzen möchten, begrüßen sowohl S&D als auch die Grünen eine stärkere Berücksichtigung dieser innerhalb der GAP. Die liberale RENEW Gruppe stößt in die gleiche Richtung, bleibt in ihren Aussagen jedoch zu unpräzise.

Raum für die Natur

Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass vor allem das Fehlen nichtproduktiver Landschaftselemente (z.B. Brachen oder Hecken), einer der Hauptursachen für den Verlust der Biodiversität in der Agrarlandschaft darstellt. Deswegen fordert der NABU im Einklang mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen, dass ein Anteil dieser Elemente von 10% der Betriebsfläche die Grundvoraussetzung sein muss, damit Landwirte überhaupt Direktzahlungen beziehen dürfen. Zumindest sollte die GAP sicherstellen, dass die Mitgliedstaaten auf ihrer Gesamtfläche dieses Ziel erreichen, so wie es die Biodiversitätsstrategie der EU Kommission vorsieht.

Die EVP sieht das 10% Ziel allgemein kritisch und fordert, dass die GAP sicherstellen soll, dass die MS einen Anteil von nur 8% auf ihren Flächen erreichen. Verpflichtend innerhalb der Konditionalität sollen nur 5% sein und dies nur auf Ackerland und die Ausnahmen des bisherigen Greenings sollen weiter gelten. Das wäre die Wiederholung des umweltpolitischen Sündenfalls der letzten Agrarreform und keines Falls der Fortschritt der nötig ist. RENEW schlägt EU weit ein Ziel von lediglich 5% vor, aber immerhin ohne Ausnahmen. Diese können entweder über Eco-Schemes oder die Konditionalität erreicht werden. Wir haben dieses Modell bereits in der Vergangenheit kritisch begutachtet (siehe hier) und kommen zu dem Schluss, dass es weder dem Bedarf im Naturschutz noch dem Green Deal gerecht wird.

Die S&D Gruppe hat das EU weite Ziel von 10% übernommen und möchte 7% verpflichtend auf Ackerland, dafür ohne Ausnahmen. Die restliche Lücke sollen freiwillige Maßnahmen wie Eco-Schemes schließen. Das geht in die richtige Richtung und wäre eine deutliche Verbesserung gegenüber heute. Noch weiter gehen die Grünen, welche die Position des Umweltausschusses unterstützen, d.h. 7% verpflichtend auf allen Flächen, ohne Ausnahme sowie ein EU weites Ziel von 10%.

Umweltförderung unter der „Grünen Architektur“

Ein dritter Streitpunkt ist die Frage, wie viel Geld zukünftig in Umweltförderinstrumente wie die Eco-Schemes oder die AUKM in der 2. Säule gehen sollen. Während Umweltverbände eine Zweckbindung von 50% in beiden Säulen fordern, gehen die Positionen der politischen Gruppen deutlich auseinander. Die EVP fordert ein neues Konstrukt namens „globales Umweltbudget“, welches letztendlich ein Revival einer im Rat bereits gescheiterten Idee darstellt (siehe hier). Insgesamt sollen 30-35% der GAP-Gelder für Umweltmaßnahmen bereitgestellt werden, wobei die Mitgliedstaaten selbst entscheiden dürfen, welche Instrumente sie priorisieren. Jedoch müssen innerhalb der 2.Säule 30% in den Umweltschutz gehen. Klingt kompliziert und erscheint uns auch wenig sinnvoll. Zum einen sollen weiterhin die Ausgleichszahlungen für benachteiligte Gebiete als Umweltleistung anerkannt werden sowie 5% der Direktzahlungen, beides sind jedoch primär Instrumente zur Einkommensunterstützung. Dieser Vorschlag gewährleistet weder Flexibilität noch stellt er sicher, dass genügend Geld in zielgerichtete Umweltmaßnahmen geht. Er fällt auch weit hinter dem zurück, was etwa der Umweltausschuss 2019 beschlossen hatte (30% für Eco-Schemes in der 1. Säule, 40% für Umweltmaßnahmen in der 2.Säule).

Die anderen Gruppen schlagen eine deutliche Stärkung der Eco-Schemes vor und fordern, dass diese bis zum Ende der Programmierungsperiode ein Budget von 40% (S&D und RENEW) bzw. 50% (Grüne) der 1. Säule einnehmen soll. In der 2. Säule soll es einen Budgetanteil für Umweltmaßnahmen von 35% (Renew), über 30-40% (S&D) bis hoch zu 50% (Grüne) geben. Bei RENEW bleibt problematisch, dass sie über die Eco-Schemes Maßnahmen bezahlen wollen, welche eigentlich unter der Konditionalität verpflichtend sein sollten (z.b. der wichtige GLÖZ9, siehe oben). Bei der S&D ist unklar, ob die Ausgleichszahlungen für benachteiligte Gebiete als Umweltleistung zählen sollen. Bei allen drei Gruppen stimmt zumindest die Richtung und würde (bei Renew in abgeschwächter Form) einen Ausstieg aus den pauschalen Flächenprämien einleiten.

Ausblick

Das Spektrum der Positionen geht, wie man sieht, sehr weit auseinander. Doch scheint eine gewisse Lagerbildung stattzufinden, mit Grünen und S&D auf der einen und der EVP auf der anderen. Unklar ist die Rolle der RENEW-Gruppe, welche das Zünglein an der Waage sein dürfte bei den kommenden Verhandlungen und der geplanten Abstimmung. Trotz einiger guter Ansätze und der Beteuerungen wichtiger Entscheidungsträger, scheint man sich dort intern nicht zwischen den beiden Polen zwischen progressiver Neuausrichtung und „Business as usual“ entschieden zu können. Noch bleiben etwas mehr als zwei Wochen bis zur Abstimmung und damit zu hoffen, dass der Groschen auf die richtige Seite fällt.

Der NABU-GAP-Ticker

Was steht auf dem Spiel für Insekten, Bauernhöfe und unsere ländlichen Räume? Was sagt Julia Klöckner in Brüssel? Wie stimmen unsere Abgeordneten ab? Was passiert hinter den Kullissen? Im NABU-GAP-Ticker informieren wir über die Verhandlungen zur künftigen EU-Agrarpolitik – denn wir meinen, die Zeit der Hinterzimmerdeals ist vorbei. Es geht um viel – und die Öffentlichkeit hat ein Recht zu wissen, wie der Milliardenpoker um die Gemeinsame Agrarpolitik der EU abläuft. Abonnieren Sie diesen Blog um auf dem Laufenden zu bleiben, stellen Sie Fragen und diskutieren Sie mit uns über die Kommentarfunktion. Hintergrundinfos auf www.NABU.de/Agrarreform2021. Folgen Sie uns auch auf Twitter: @NABU_biodiv#FutureOfCAP

Titefoto: Europäische Union 2013

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