NABU-GAP-Ticker: Liberale Gräben – RENEW Position zur GAP

Brüssel, 22.Juni 2020. Während eines Webinars stellten vergangene Woche Agrar- und Umweltpolitiker der liberalen RENEW-Gruppe im Europaparlament ein gemeinsames Positionspapier zur GAP vor. Dieses soll die politische Basis der Gruppe für die weiteren Verhandlungen im Vorfeld der im Herbst erwarteten Plenarabstimmung darstellen. Vor allem bei der sgn. Grünen Architektur der GAP schlägt es umfassende Änderungen am Kommissionsvorschlag vor. Diese sehen zwar mehr Flexibilität für Landwirte und Mitgliedstaaten vor, konterkarieren aber zugleich ein einheitliches Niveau im Umweltschutz und lassen noch viele offene Fragen.

Kernstück des unter der Führung der beiden Agrarpolitiker Jan Huitema (NL) und Martin Hlaváček (CZ) verfassten Positionspapiers ist eine Neuausrichtung des Verhältnisses der verpflichtenden Konditionalität zu den freiwilligen Eco-Schemes. Positiv ist ein verpflichtendes Mindestbudget für jene Eco-Schemes, welches zu Beginn 30% der 1. Säule betragen und bis zum Ende der Programmierungsperiode auf 40% anwachsen soll. Angesichts der weiter unten beschriebenen Veränderungen im Zusammenspiel zwischen Eco-Schemes und Konditionalität wird dieser Anteil jedoch kaum ausreichen, um für die Umwelt entscheidende Verbesserungen zu bringen.

In der Konditionalität wurden leichte Anpassungen vorgenommen. Unter GLÖZ 9 wird ein Mindestprozentsatz von 5% für nichtproduktive Flächen und Landschaftsbestandteile festgeschrieben, welchen Landwirte auf ihren Flächen aufweisen müssen, um Direktzahlungen beziehen zu können. Auch hier ist positiv, dass eine Prozentzahl genannt wird, diese fehlte im ursprünglichen Vorschlag der Kommission (siehe hier). Klar ist aber, dass 5% „Space for Nature“ nicht ausreichen, um das Artensterben aufzuhalten. Nötig sind laut diverser Studien mindestens 10% (siehe hier).

Diese leichten Verbesserungen werden jedoch dadurch gefährdet, dass Landwirte sich laut Vorschlag von bestimmten Standards innerhalb der Konditionalität befreien können, wenn sie sich in ein äquivalentes Eco-Scheme einschreiben. Nimmt ein Landwirt beispielweise an einer freiwilligen Maßnahme teil, die 10% nichtproduktiver Flächen vorsieht, wird der entsprechende Standard (in dem Fall GLÖZ9) nicht mehr angewendet. Dies könnte je nach Umsetzung hoch problematisch sein, je nachdem welche Basis für die Vergütung der Landwirte in diesen äquivalenten Eco-Schemes angenommen würde.

Bleiben wir bei dem obigen Beispiel: es macht einen Unterschied, ob ein Landwirt in dem genannten Eco-Scheme für die vollen 10% eine entsprechende zusätzliche Vergütung bekommt oder nur für die 5%, die über das Niveau der Konditionalität hinausgehen. Im letzteren Fall würden die Eco-Schemes einen zusätzlichen Nutzen für die Umwelt bringen, der über die Konditionalität hinausgeht. Im ersten Fall, welchen die Autoren offenbar favorisieren, würde zusätzliches Steuergeld für freiwillige Maßnahmen ausgegeben, die im Kommissionsvorschlag noch verpflichtend wären. Das vorgeschlagene Budget für Eco-Schemes wird also zum Teil wieder aufgefressen und es bleibt weniger Geld zur Verfügung, um Maßnahmen zu vergüten, die über das Basisniveau hinaus.

Dieses moderate Budget für die Eco-Schemes zusammen genommen mit der schwindenden Abgrenzung zur Konditionalität führt zum nächsten praktischen Problem. Es ist anzunehmen, dass sehr viele Landwirte versuchen werden in diesen äquivalenten Eco-Schemes unterzukommen. Die Nachfrage würde vermutlich das Angebot deutlich übersteigen. Eine Gruppe von Landwirten würde eine zusätzliche Vergütung bekommen, die Landwirte, welche leer ausgehen, unterlägen jedoch weiter der Konditionalität ohne mehr Geld aus der GAP zu bekommen. Diese Einführung von zwei verschiedenen Basisniveaus ist weder gerecht noch bringt sie den Umweltschutz voran.

Das Papier ist innerhalb der Gruppe nicht unumstritten. Am gleichen Tag wurde ferner bekannt, dass der Umweltausschuss mit der Unterstützung der liberalen Abgeordneten dort entschieden hat, die Verhandlungen zur GAP mit dem Agrarausschuss abzubrechen (siehe hier). Hintergrund dürfte vor allem der schleppende Verlauf der Verhandlungen gewesen sein, zusammen mit der Tatsache, dass der Umweltausschuss progressive Forderungen in diesem Format kaum durchsetzen konnte (ein eigener Artikel zu den Hintergründen folgt in Kürze). Dies führte bei den Agrarkollegen jedoch zu erbosten Reaktionen. So attackierte die RENEW-Sprecherin im Agrarausschuss Ulrike Müller ihre Parteifreunde im Umweltausschuss auffallend scharf. Einigkeit sieht anders aus, aber es ist zu hoffen, dass die Abgeordneten die weiteren Diskussionen nutzen, um das Konzept nachzubessern.

Der NABU-GAP-Ticker

Was steht auf dem Spiel für Insekten, Bauernhöfe und unsere ländlichen Räume? Was sagt Julia Klöckner in Brüssel? Wie stimmen unsere Abgeordneten ab? Was passiert hinter den Kullissen? Im NABU-GAP-Ticker informieren wir über die Verhandlungen zur künftigen EU-Agrarpolitik – denn wir meinen, die Zeit der Hinterzimmerdeals ist vorbei. Es geht um viel – und die Öffentlichkeit hat ein Recht zu wissen, wie der Milliardenpoker um die Gemeinsame Agrarpolitik der EU abläuft. Abonnieren Sie diesen Blog um auf dem Laufenden zu bleiben, stellen Sie Fragen und diskutieren Sie mit uns über die Kommentarfunktion. Hintergrundinfos auf www.NABU.de/Agrarreform2021. Folgen Sie uns auch auf Twitter: @NABU_biodiv#FutureOfCAP

Titefoto: Europäische Union 2013

Keine Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

Bitte bleibe höflich.
Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht und Pflichtfelder sind markiert.