The good, the bad and the ugly: Umweltgedanken zum Brexit

The good, the bad and the ugly: Umweltgedanken zum Brexit

Heute um 23 Uhr Brüsseler Zeit verlässt Großbritannien die Europäische Union. Der NABU und sein europäisches Partnernetzwerk BirdLife International bedauern dies zutiefst. Im Folgenden ein paar Gedanken und Lesetipps, die den Blick vor allem nach vorne richten. Was bringt uns der Brexit für die Rettung von Artenvielfalt und Klima?

Ein Umweltvorreiter verlässt die EU

Mit Großbritannien verliert die EU ein Land, das sich zwar immer wieder für eine Absenkung von sozialen und Umweltstandards eingesetzt hat, aber auch oft eine starke Stimme für Natur- und Klimaschutz war. Das „Grundgesetz“ des europäischen Naturschutzes, die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie wurde ganz entscheidend von Briten mit auf den Weg gebracht. Einer der Paten der FFH-Richtlinie ist übrigens Stanley Johnson, der Vater des amtierenden britischen Premierministers, ehemaliger Abgeordneter des Europäischen Parlaments. Hier ein gemeinsamer Aufruf von Johnson und dem ehemalige NABU-Präsident Olaf Tschimpke zur Verteidigung der FFH-Richtlinie von 2016, und hier ein Interview mit Johnson (auf Englisch) aus derselben Zeit.

Die NGOs bleiben verbunden

Die europäischen Natur- und Vogelschutzverbände haben dem Engagement der Royal Society for the Protection of Birds (RSPB) viel zu verdanken. RSPB, die mitgliederstärkste Naturschutzorganisation Europas, hat gemeinsam mit dem NABU das weltgrößte Netzwerk von Naturschutzverbänden, BirdLife International, gegründet und gleichzeitig eine Vielzahl von Nichtregierungsorganisationen in Süd- und Osteuropa, in Zentralasien und in anderen Teilen der Welt aufgebaut. Unser BirdLife Partner RSPB wird sich weiter einbringen – in Brüssel aber schmerzlich fehlen, denn auch für den Aufbau des EU-Büros von BirdLife war RSPB maßgeblich. Unsere britischen Freunde haben zum Beispiel ganz entscheidend die Arbeit zur Verteidigung der erwähnten FFH-Richtlinie (gegen Deregulierer aus Deutschland) unterstützt und auch die agrarpolitische Arbeit europaweit koordiniert, bevor dies der NABU jetzt übernahm. Ein interessantes Interview mit dem früheren RSPB-Koordinator für internationale Arbeit, Alistair Gammel, ist einer der meistgelesenen Beiträge dieses Blogs geworden. Und hier, brandneu, der Kommentar seines heutigen Nachfolgers Martin Harper, der in wenigen Wochen auch den NABU in Berlin besuchen wird.

Anforderungen an eine Handelsabkommen, das dem European Green Deal gerecht wird

Für den Natur- und Umweltschutz in Europa wird es von großer Bedeutung sein, wie das noch auszuhandelnde Handelsabkommen zwischen Großbritannien und der EU aussehen wird. NABU und RSPB haben hierzu bereits vor Jahren konkrete Forderungen aufgestellt und teilweise in die Verhandlungen für die Übergangsregelung eingebracht. Im Vorfeld der Europawahl 2019 erläuterte der damalige RSPB-Chef Mike Clarke im NABU-Magazin „Naturschutz Heute“ die wichtigsten Punkte.

Jetzt gilt es Druck auf die Regierungen beider Seiten auszuüben, damit in Großbritannien auch nach der Übergangsphase ab 2021 dieselben Umweltstandards gelten und durchgesetzt werden wie in der EU. Trotz aller Beteuerungen, dass dem so sein wird, stehen die Zeichen dafür nicht allzu gut: Erstens schielein einige in der britischen Regierung darauf, eine Art „Singapur“ an der Themse zu werden, ein Brückenkopf für US-amerikanische Unternehmen in Europa – ein Steuerparadies mit wesentlich niedrigeren Umwelt- und Sozialstandards (andere „Vorteile“ des Brexit fallen auch den EU-Gegnern in England kaum ein…). Doch dies darf die EU keinesfalls akzeptieren und muss das sogenannte „level playing field“ als Bedingung für Zugang zum Binnenmarkt machen, wie dies auch für die Schweiz oder Norwegen überwiegend gilt. Zweitens wird leider auch auf EU-Seite noch viel zu wenig beachtet, dass Standards auch durchgesetzt werden müssen. Bislang ist auf britischer Seite noch viel zu wenig geschehen um Mechanismen aufzubauen, die eine ähnliche Durchsetzung garantieren wie dies in der EU mit ihrer Kommission, Beschwerdemöglichkeiten und dem Europäischen Gerichtshof der Fall ist (ohne deren Druck zum Beispiel Deutschland nie die Nitratstandards einhalten würde). Ein Äquivalent hierzu gibt es bisher nicht in Großbritannien. Und drittens muss – man denke an die Ambitionen des „European Green Deal“ und die Dringlichkeit der Umweltkrise – garantiert werden, dass beide Seiten ihre Standards anheben, sobald der jeweils andere dies tut. Wenn dies nicht erfüllt wird, besteht noch eine ganz andere Gefahr, als dass Umwelt und Naturschutz in Großbritannien unter die Räder kommen: Der Druck, die Standards zu senken (oder nicht ausreichend anzuheben) stiege auch innerhalb der EU, denn niemand will unfairen Wettbewerb in seinem eigenen Land.

Spannendes Versuchslabor für Klimaschutz und Agrarpolitik?

Es ist aber nicht gesagt, dass in allen Bereichen Großbritannien der EU hinterherhinkt. Zum einen können sich auch dort die politischen Verhältnisse ändern, der Deregulierungswahn beendet werden, denn das Umweltbewusstsein in der Bevölkerung ist groß, die Wissenschaft exzellent. Zum anderen gibt es bereits jetzt interessante Schritte und Ankündigungen für ambitionierten Klimaschutz und eine ganz andere Agrarpolitik. Die britische Regierung will den Brexit dafür nutzen, das zu tun, wozu Deutschland und die EU durch die Blockade der agrarindustriellen Lobby jahrzehntelang nicht im Stande waren: Die Umwandlung der ineffizienten, unsozialen und umweltschädlichen Flächenprämien in gezielte Anreize und Investitionshilfen für Bäuerinnen und Bauern – mit dem Ziel die ökologische Transformation der Landwirtschaft durchzusetzen. Es lohnt sich, die künftigen Entwicklungen in Großbritannien genau zu beobachten.

Abschiedsparty im Europäischen Parlament. Foto: André Prescher

Eine zusätzliche Stimme für den Planeten?

Auf globaler Ebene könnte sich der Brexit auch als Chance erweisen. Bislang war Großbritannien beispielsweise bei UN-Klima- und Biodiversitätsabkommen immer Teil des EU-Blocks. Nun könnte es eine zusätzliche progressive Stimme in die Wagschale werfen. Falls sich nach dem Abflauen des hysterischen EU-Ablehnung die britische Politik vom Mantra der Deregulierung und des Nationalismus auf die Rolle besinnt, die es lange gespielt hat. Ein Land mit exzellenter Wissenschaft, außergewöhnlicher Naturliebe und großer Unterstützung für internationale Kooperation kombiniert mit bester diplomatischer Vernetzung weltweit.

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