NABU-GAP-Ticker: Agrarministerrat im September: Status Quo löst Umweltprobleme nicht

24. 09.2020 Am Montag war es wieder so weit, Frau Klöckner eröffnete in Brüssel die dritte Sitzung des EU-Agrarministerrats unter ihrer Präsidentschaft, mit einem klaren Ziel vor Augen. Erstens, die Mitgliedstaaten davon zu überzeugen, zügig mit den Verhandlungen voranzukommen, sodass eine Positionierung des Rates (allgemeine Ausrichtung) zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) im Oktober gelingt. Zweitens, die deutschen Kompromissvorschläge zur GAP sowohl den anderen konservativen EU-Agrarministern als auch der Öffentlichkeit irgendwie schmackhaft machen. Das gewünschte Ergebnis blieb allerdings aus – nach der Sitzung war die Lage immer noch undurchsichtig und wenig vielversprechend. Es stehen noch viele offene Fragen im Raum und es war klar, dass noch nicht alle Einwände vom Tisch sind.

Die Frage wird sein, ob sie innerhalb der nächsten vier Wochen die von der Kommission und der Öffentlichkeit geforderten höheren Umweltambitionen den Status-Quo liebenden Ministern als Kompromiss verkaufen kann.

Mittlerweile sind mehr als zwei Jahre vergangen, seitdem die EU Kommission ihren Vorschlag für die GAP-Reform veröffentlicht hat und der EU-Agrarministerrat seine Diskussion zu diesem Vorschlag begonnen hat. Nennenswerte Fortschritte sind bislang ausgeblieben, immer mit dem Verweis darauf, dass der EU-Haushalt noch nicht feststünde. Dennoch versuchte der Rat sich mit einzelnen Elementen zu befassen. Nach der politischen Einigung zum EU-Haushalt im Juli sollen die Verhandlungen nun zu einem Abschluss kommen. Julia Klöckner hat daher nun begonnen, konkrete Vorschläge zu machen, die auf der Arbeit der vorhergehenden Ratspräsidentschaften aufbauen. Nach langem Stillschweigen, bekennt auch Deutschland sich nun endlich zu konkreten Positionen. Der NABU hat die ersten Textvorschläge ausgewertet:

  1. Space for Nature: Besonders heiß diskutiert wird die Frage, wie man mit dem Vorschlag der Kommission umgehen soll, einen Mindestprozentsatz nicht-produktiver Elemente (wie Brachen, Blühflächen oder Hecken) in die Konditionalität einzuführen. Diese Forderung hat ihren Urspung in der bisherigen GAP, dort gab es eine de-Facto Verpflichtung 5% der Ackerfläche für Greening-Maßnahmen bereitzustellen, die sog. ökologischen Vorrangflächen. Dazu zählen allerdings auch produktive Elemente wie Zwischenfrüchte und Leguminosen. Inzwischen gibt es eine lange Liste wissenschaftlicher Publikationen, die immer wieder zeigen, dass ein Mindestprozentsatz von 10% nicht-produktiver Agrarfläche, sowohl auf Ackerflächen als auch im Grünland oder in Dauerkulturen, notwendig ist um die Biodiversität wiederherzustellen. Deutschland macht jetzt einen doppelten Vorschlag:
  • X% (X soll größer sein als die 5% des heutigen Greening) der Fläche im Ackerland (produktiv und nicht-produktiv)
    ODER
  • 3% nicht-produktive Elemente ausschließlich auf Ackerland.

Damit schlägt die Bundesregierung keine wirkliche Verbesserung vor. Die Erfahrung aus der Vergangenheit zeigt, dass die Mitgliedstaaten im Zweifel meistens die einfache Lösung wählen. Im Rat wächst jedoch die Zustimmung hierfür (z.B. Frankreich, Spanien, Österreich). Dennoch gibt es Mitgliedstaaten die selbst diese schlechten Kompromisse als zu ambitioniert ablehnen (z.B. Schweden, Tschechien, Finnland).

  1. Money for Nature: Die zweite wichtige Diskussion im Rat dreht sich um die sog. Mindestbudgets, also die Frage, ob in der 1. Säule für Eco-Schemes oder in der 2. Säule für Agrarumweltmaßnahmen Gelder zweckgebunden sein sollen. In der 2. Säule will die Mehrheit der Mitgliedstaaten, dass die Ausgleichszahlungen für benachteiligte Gebiete auch zum „Umweltbudget“ gezählt werden. Dies wird von einer Vielzahl der Verbände und Wissenschaftler fachlich abgelehnt und auch von der EU-Kommission kritisiert. Eine Ausgleichszahlung, die eigentlich ein Einkommensausgleich für produktive Nachteile ist, kann schwer als eine reine Umweltleistung kategorisiert werden. In den meisten Fällen sind dies sogar schädlich für Natur und Umwelt. Was die 1. Säule betrifft, bleibt die Frage, ob Deutschland seinen Kompromiss zu den Eco-Schemes durchsetzen kann. Dieser sieht vor, dass die Eco-Schemes für Mitgliedstaaten verpflichtend und mit einem Mindestbudget ausgestattet werden (die genaue Höhe bleibt offen) und dieses progressiv ansteigen wird. Auch eine Art Übergangsperiode könnte eingeführt werden, so dass Gelder die nicht ausgegeben werden, in den ersten 2 Jahren zurück in die Direktzahlungen fließen. Die Reaktionen auf diesen Vorschlag waren sehr gemischt (eher dagegen: Polen und Italien, eher dafür: Frankreich). Österreich legte einen weiteren Vorschlag auf dem Tisch, wie man die beiden Mindestbudgets koppeln und über die Jahre verteilen könnte.
  2. Change for Nature: Trotz der Vielzahl der Vorschläge zeichnet keiner von Ihnen eine Vision von einer zukunftsorientierten Landwirtschaft. Beispielsweise versucht der Agrarministerrat die Indikatoren, die das neue Modell prüfen sollten, abzuschwächen. Er versucht den Link zum European Green Deal (Farm to Fork und Biodiversitätsstrategie) abzuschwächen. Zusätzlich wäre da noch die Übergangsverordnung, die über 2 Jahre mit so wenig Inhalten zur Umwelt ausgestattet wird, dass es nur um Gelder geht, aber nicht wirklich um einen Übergang zu einem neuen System. Und so kann die Liste noch weitergeführt werden. Da kommt die deutsche Ratspräsidentschaft immer wieder mit dem Status Quo. Sich nur darauf zu fokussieren, wie man die GAP-Gelder weiter fließen lassen kann, hilft nicht dabei, die dringenden Veränderungen in der Landwirtschaft weiter voran zu treiben. Frau Klöckner muss jetzt nachbessern. Sie hat die Verantwortung nicht einen Deal um jeden Preis anzustreben, sondern einen Deal, der die Zukunft der Bauern sowie auch die des Planeten berücksichtigt.

 

Der NABU-GAP-Ticker

Was steht auf dem Spiel für Insekten, Bauernhöfe und unsere ländlichen Räume? Was sagt Julia Klöckner in Brüssel? Wie stimmen unsere Abgeordneten ab? Was passiert hinter den Kullissen? Im NABU-GAP-Ticker informieren wir über die Verhandlungen zur künftigen EU-Agrarpolitik – denn wir meinen, die Zeit der Hinterzimmerdeals ist vorbei. Es geht um viel – und die Öffentlichkeit hat ein Recht zu wissen, wie der Milliardenpoker um die Gemeinsame Agrarpolitik der EU abläuft. Abonnieren Sie diesen Blog um auf dem Laufenden zu bleiben, stellen Sie Fragen und diskutieren Sie mit uns über die Kommentarfunktion. Hintergrundinfos auf www.NABU.de/Agrarreform2021. Folgen Sie uns auch auf Twitter: @NABU_biodiv#FutureOfCAP

Titelfoto: Europäische Union 2013

2 Kommentare

Karin Pohl

24.09.2020, 10:00

ich beobachte in meiner nahen Umgebung gerade wie aus artenreichen Bergwiesen durch einen holländischen Industriebauern in kürzester Zeit Grasäcker gemacht werden. Wo früher nur einmal im Jahr gemäht wurde (meist erst Juli wegen des Wetters) gelingt es durch die Silo-Kunststoff-Verpackung nun dreimal zu mähen. Lerchen sind verschwunden und die meisten Blühpflanzen auch, alles ist nur noch ein dunkelgrünes Meer von Grashalmen. Das dürfte einfach nicht geschehen aber es gibt keine Handhabe ihm Einhalt zu gebieten, er mäht, fährt Gülle und Dünger und presst alles aus dem Boden raus was möglich ist. Kein Bezug zur Gegend, Landschaft oder Natur, nur Gewinnstreben. Traurige Grüße Karin Pohl

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Florian Treede

24.09.2020, 11:44

Hallo Frau Pohl, das sind alles schlimme Entwicklungen. Wir würden uns freuen wenn Sie eine Sprachnachricht über unsere Kampagnenseite aufnehmen: https://mitmachen.nabu.de/werdelaut/ Wir leiten diese Sprachnachricht dann weiter an Ihr zuständiges Mitglied des EU-Parlamentes.

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