Mehr Chance als alles andere – warum das Naturwiederherstellungsgesetz für die Landwirtschaft so wichtig ist

Landwirtschaft wird in Zukunft nur in gesunden Agrarökosystemen funktionieren können. Es geht dabei vor allem um den Erhalt der Produktionsgrundlagen Boden und Wasser. Ein gesundes Agrarökosystem ist vielfältig und weist eine hohe Artenvielfalt auf – mehr Arten (an Land, in der Luft und im Boden) bedeuten resilientere Systeme und mehr Sicherheit in Zeiten der Extreme. Sind Agrarökosysteme resilienter, können sie die Auswirkungen des Klimawandels besser abpuffern. Starkregen kann von einem humusreichen Boden besser aufgenommen werden, in einer Dürre kann er zudem länger Wasser speichern. Eine strukturreiche Landschaft mit Hecken und Kleinstrukturen führt zu einem veränderten Mikroklima und zu verbesserten kleinen Wasserkreisläufen, d.h. Wasser regnet auch da ab, wo es verdunstet. Eine hohe Artenvielfalt steigert schließlich die Bestäubungsleistung und führt zu einer besseren natürlichen Schädlingskontrolle. Die landwirtschaftlichen Erträge werden also entsprechend stabiler durch gesunde Agrarökosysteme. Die Agrarlandschaft wird sich dennoch anpassen müssen – gesunde Agrarökosysteme brauchen mehr Platz und mehr extensiv bewirtschaftete Fläche. All das lohnt sich jedoch langfristig und ist ein unumgänglicher Baustein der Ernährungssicherung in der EU. 

Das Naturwiederherstellungsgesetz (Nature Restoration Law) trat am 18. August auf EU-Ebene in Kraft. Nun haben die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit ihre Naturwiederherstellungspläne zu erstellen. Diese werden sich auch auf die Agrarlandschaft auswirken.

Was müssen die einzelnen Betriebe tun? 

Das Naturwiederherstellungsgesetz verpflichtet nicht einzelne Betriebe, sondern die Bundesregierung bzw. die Bundesländer. Das Monitoring der Indikatoren wird jedoch auf Landschaftsebene durchgeführt und viele der Maßnahmen selbst werden auf landwirtschaftlicher Fläche und somit von den Betrieben umgesetzt werden müssen.

Ob die Mitgliedsstaaten auf Ordnungsrecht, Förderpolitik oder nur Bewusstseinsbildung setzen, bleibt ihnen überlassen – solange sie glaubhaft darlegen, so die Ziele des Gesetzes erreichen zu können. Ganz ohne weitere finanzielle Mittel wird das natürlich nicht gehen. Der NABU fordert deshalb eine Verstetigung und Aufstockung des Aktionsprogramms Natürlicher Klimaschutz (ANK), das vor allem für die Landwirtschaft neue Förderinstrumente schaffen will. Außerdem ist es unumgänglich, dass ein Teil der Maßnahmen über die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) finanziert und vor allem gesteuert werden, da die Verbesserung einiger Indikatoren in der Agrarlandschaft nur so zu erzielen ist. Darüber hinaus muss – sowohl vom NABU wie auch der Umweltministerkonferenz gefordert – im nächsten EU-Haushalt ein eigenständiges Finanzierungsinstrument, wie z.B. ein Nature Restoration Fund, für die Umsetzung der Verordnung geschaffen werden. 

Agrarökosysteme wiederherstellen anhand geeigneter Indikatoren 

Um den Erfolg der Wiederherstellung in der Agrarlandschaft zu messen und klare Ziele zu formulieren, verwendet das Wiederherstellungsgesetz Indikatoren, die über bestimmte Zeigerarten die Artenvielfalt repräsentativ beschreiben. Doch welche Indikatoren werden für die Agrarlandschaft verwendet? Was bedeutet das konkret für die landwirtschaftliche Nutzung? 

Die Wahl geeigneter Indikatoren ist im Bereich Biodiversität relativ schwierig. Beim Klimaschutz kann man jegliche Emissionen in CO²-Äquivalente umrechnen. Bei der Artenvielfalt müssen jedoch zunächst entsprechende Indikatorarten/-gruppen gewählt werden, für die es bereits eine europaweit vergleichbare Datengrundlage und somit ein einheitliches Monitoringssystem gibt – geeignet sind beispielsweise Tagfalter und Feldvögel.  

Für das Offenland wurde im Artikel 11, Absatz 3 der Naturwiederherstellungsverordnung der sogenannte Feldvogelindex als Indikator gewählt. Diese bereits in der GAP und der nationalen Biodiversitätsstrategie etablierte Methode erfasst jährlich die Verbreitung zehn charakteristischer Arten, darunter Kiebitz, Steinkauz und Feldlerche. Bis 2030 soll der Indikator um zehn Prozent steigen, in den letzten Jahren fiel er hingegen noch. 

Die zehn Arten stehen als Schirmarten stellvertretend für die Bedürfnisse vieler weiterer Tier- und Pflanzenarten sowie die Qualität einer lebendigen Agrarlandschaft allgemein. Steigt der Feldvogelindex, heißt dies somit nicht “nur”, dass es diesen zehn Arten besser geht, sondern dass der gesamte Lebensraum ökologisch aufgewertet wurde und viele andere Arten ( wie z. B. Insekten) ebenso profitieren. 

Welche Maßnahmen stellen den Lebensraum von Feldvögeln wieder her? 

Maßnahmen, die (wieder) Lebensraum zur Verfügung stellen, sind beispielsweise das Anlegen von Brachen, Blühstreifen und Altgrasstreifen. Andere Maßnahmen verbessern wiederum die Qualität des Ackers oder des Grünlands als Lebensraum. Im Acker sind dies produktionsintegrierte Maßnahmen, wie z. B. der Anbau in weiter Reihe, der Verzicht auf den Einsatz von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel oder eine Reduktion der mineralischen Stickstoffdüngung. Einige Arten, wie beispielsweise der Kiebitz, benötigen ganz spezielle Schutzmaßnahmen, z. B. das Offenlassen bestimmter Flächen im Acker oder die Markierung der Nester, damit sie vor der Überfahrt von Traktoren geschützt sind. Für das Grünland können Altgrasstreifen, beweidete Flächen oder Flächen, die weniger oft gemäht werden, die Lebensraumqualität verbessern.  

Foto: Frank Derer

Bild: Verschiedene Bläulingarten leben auf Grünlandstandorten. Foto: Frank Derer

Als Indikatoren für den Zustand der Agrarökosysteme gemäß Artikel 11, Absatz 2 wurden Grünlandschmetterlinge, der Anteil organischen Kohlenstoffs in mineralischen Böden und der Anteil von Landschaftselementen wie Hecken, Feldgehölze und Kleingewässer festgelegt – bei diesen soll bis 2030 der negative Trend gestoppt werden. Danach sollen die Anteile wieder steigen, bis ein wissenschaftlich begründetes „zufriedenstellendes Niveau“ erreicht ist. Die Mitgliedsstaaten können dabei zwei der drei Indikatoren auswählen, aber auch Maßnahmen für alle drei ergreifen. 

Grünlandschmetterlinge zeigen den Zustand von Grünland an, Landschaftselemente bieten Lebens- und Nahrungsraum für die Artenvielfalt. Viele Arten der Agrarlandschaft haben einen Großteil ihres Lebensraums jedoch bereits verloren. Gerade die Grünlandschmetterlinge verdeutlichen hier zudem auch die Schnittmengen mit anderen Naturschutzzielen. So würden sie beispielsweise sehr stark von der Verbesserung und Wiederherstellung von Berg- und Flachlandmähwiesen profitieren – etwas, das auch das neuste Urteil des EuGH gegen Deutschland dringend einfordert. 

Auf gehts: Landwirt*innen müssen auf Naturschutz setzen 

Die landwirtschaftlichen Betriebe sollten das neue Gesetz zur Wiederherstellung der Natur als eine Chance begreifen. Denn es lohnt sich, sich mit den Regelungen vertraut zu machen und einmal genauer hinzuschauen, was man auf dem eigenen Betrieb umsetzen und wie die Politik dabei unterstützen kann. Wir alle, aber vor allem auch die landwirtschaftlichen Betriebe selbst, brauchen eine gesunde Natur. Die Branche sollte diese Chance also nutzen und sich als Vorreiter im Klima- und Umweltschutz etablieren. Entsprechend ist aber auch die Politik auf nationaler wie auf EU-Ebene dazu angehalten, entsprechende Rahmenbedingungen und Förderstrukturen zu schaffen, sodass sich Natur- & Klimaschutz für die Landwirtschaft auch lohnen. 

Dabei nehmen viele Betriebe bereits seit Jahren an Agrarumweltmaßnahmen teil, um Feld- und Wiesenvögel zu schützen, sie bauen Zwischenfrüchte an, um die Bodengesundheit zu fördern oder sie legen neue Hecken an, um Erosion vorzubeugen. Diese Maßnahmen sind bekannt – um die Ziele der WVO zu erreichen, müssen jedoch die Flächenanteile erhöht werden. Naturschutz darf nicht mehr nur am Rande stattfinden, vielmehr sollte der überwiegende Teil der landwirtschaftlich genutzten Fläche wieder als Lebensraum fungieren und gleichzeitig zur Produktion von Nahrungsmitteln genutzt werden. Dies wird nicht leicht umzusetzen sein, aber es ist durchaus machbar, wenn Klima- und Umweltschutz als Wertschöpfung unabdingbar in jeden Betrieb integriert werden. Die Politik muss die entscheidenden Weichen stellen und die Betriebe, die sich auf den Weg machen wollen, unterstützen und einen lukrativen Betriebszweig Naturschutz möglich machen.  

 

4 Kommentare

leonhard neeser

19.12.2024, 19:42

ich frage mich nur,wie geht man denn mit den vielen Investitionwünschen in sog.minderwertigen Lagen um,wwelche ja gerade von der Diversität her sehr wertvoll sind,daß diese Flächen mit Freiflächenfoltaik bzw. Windrädern und Gewerbe-bzw Wohnungsbauflächen verwendet werden sollen ?

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Bettina Kirschner

20.12.2024, 18:12

"Naturwiederherstellungsgetz"...ein neuer Name für etwas, für das es in ähnlicher Form seit langem Agendas u.ä. gab. Die grundsätzlichen und erforderlichen politischen Rahmenbedingungen sind aus meiner Sicht nach Jahrzehnten noch immer nicht gegeben. Beispielsweise wollte Frau Klöckner 2018 die ökologische Landwirtschaft fördern, gleichzeitig schränkte sie ein, daß man nur mit Bio die Welt nicht ernähren kann...wieso muß Deutschland die Welt ernähren ? Seit Jahren ein Slogan, den viele Bürger glauben. Geht es nicht eher um Produktion von Erzeugnissen für den Export ? Oder sie räumt ein, daß der Schutz der Pflanzen für die Bauern aufwändiger sei ohne sogenannte "Pflanzenschutzmittel". Warum wird dieser Begriff noch immer geführt...es ist schlichtweg Gift und daher genau das Problem. Auch dürfen Nahrungsmittel keine Spekulationsobjekte sein und nicht der Profitmaximierung für Agrarkonzerne dienen, was leider der Fall ist, weil von der Politik im Interesse von Konzernen agiert wird, so sehe ich es. Einige Jahre habe ich die Probleme der Bauern immer bei der im Januar in Berlin stattfindenden Demo "Wir haben es satt", mitbekommen und ich habe nicht den Eindruck, daß der poltische Wille inzwischen ein anderer ist. Es werden Programme, Agenda's, Regelungen usw. aufgestellt...alles auf dem Papier. Sehr gut war das regelmäßig aufgezeigt, in der Zeitschrift "Schrot & Korn", die ich einige Jahre abboniert hatte. Dort wurden die Problem beim Namen genannt und auch mit der Politik Gespräche geführt. Aber leider sehr ernüchternd und enttäuschend, welche Probleme auf Grund mangelnder Bereitschaft seitens der Politik einer Lösung entbehren mußten und müssen. Ob sich nun etwas ändert...eigentlich unvorstellbar. Warum kann nicht jedes Land seine eigenen Maßnahmen (natürlich mit Unterstützung) entsprechend der Gegebenheiten inizieren ? Vielleicht wäre mal ein Blick zu unseren osteuropäischen Nachbarn angebracht, die oft als "arme Länder" dargestellt werden und junge Leuten kaum eine Chance haben, dort Geld zu verdienen und deshalb abwandern. Vielleicht sollt man dort mal ansetzen und für Veränderungen sorgen. Dort gibt es sehr zumindest viel Selbstversorgung und traditionellen Anbau von Gemüse. Was andererseits ja damit zusammenhängt, das kein Geld da ist für sogenannte "Pflanzenschutzmittel" , und dies eben zum Vorteil für Mensch und Natur gereicht. Ein neues Bewußtsein bei Bürgern und Politik für den Wert von Nahrungsmitteln ist meines Erachtens notwendig und Menschen, die bereit sind auf kleinstrukturierten Höfen zu arbeiten. Ich tue dies mehmals im Jahr als "Wwooferin" (mittlereweile als Rentnerin) und konnte daher erleben, wie schwer es ist und was es heißt, gesunde Lebensmittel anzubauen. Aber auch mit welcher Leidenschaft und welchem Enthusiasmus diese Menschen diese Herausforderungen trotz oftmals schwieriger Umstände bewältigen.

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Laura Henningson

02.01.2025, 10:16

Vielen Dank für Ihren wertvollen Beitrag liebe Frau Kirschner!

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Dr. Peter Herold

20.12.2024, 19:41

Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen Naturschutz nicht nur in der Agrarlandschaft wäre zunächst, dass wir - quasi als Nulllinie - so schnell wie möglich zu 100 % Ökolandbau kommen. Nicht dass der Ökolandbau optimal wäre - da gibt es schon auch noch viel Luft nach oben -, aber das wäre mal die Grundvoraussetzung. Denn die derzeitige Situation ist doch absurd: wir nehmen fast 50 % des europäischen Steueraufkommens in die Hand, um damit eine Landwirtschaft zu fördern (ja sogar erst möglich zu machen!), die uns unsere Lebensgrundlagen systematisch kaputt macht und uns mit Lebensmitteln versorgt, die diesen Namen in weiten Teilen nicht mehr verdienen. Und dann nehmen wir von den restlichen etwas mehr als 50 % des Steueraufkommens einen weiteren großen Teil in die Hand und machen damit das, was wir Naturschutz nennen - was aber tatsächlich nicht viel mehr ist, als die schlimmsten Folgen dieser völlig falschen Landbewirtschaftung zu kaschieren. Und an allen Ecken und Enden fehlt das Geld (Bildung, Infrastruktur, Pflege etc. und, ja, auch im Naturschutz). Viel sinnvoller wäre es doch, die Agrarpolitik so auszurichten, dass die Landwirtschaft - so, wie es mal war - das, was naturschutzfachlich wertvoll ist, en passant mitliefert - zusätzlich zu gesunden Lebensmitteln. Wie das gehen könnte, diskutieren (und wissen!) wir mittlerweilse seit Jahrzehnten - aber es passiert genau nichts, es wird eher immer schlimmer. Als Renate Künast Agrarministerin war, gab es eine Phase mit Licht am Horizont - danach leider nicht mehr! Der Bauernverband in Verbindung mit der Agrarindustrie sorgt dafür, dass es garantiert nicht in die richtige Richtung geht - und schadet damit nicht nur der Allgemeinheit und den kommenden Generationen massiv, sondern auch seiner eigenen Klientel. Aber die ist zu großen Teilen ganz offensichtlich nicht in der Lage das zu verstehen und fällt auf die Lügen und Desinformatinen der konventionellen Agrarlobby herein. Die Naturschutzverbände biedern sich eher an, anstatt dem DBV und seinen Machenschaften den kampf anzusagen. Und auch das Restoration Law wird keinen Fortschritt bringen. Auf EU-Ebene ist der Einfluss der konservativen und konventionellen Lobby schon jetzt viel zu groß. Nach der Bundestagswahl wird er auch in Deutschland weiter zunehmen, nachdem selbst die Grünen ihre Prinzipien zugunsten des "Mitspielen-Dürfens" in der Regierung inzwischen über Bord geworfen und ihre Herkunft vergessen haben. Und ist der Sauerland-Fritze erst mal Bundekanzler, geht es mit dem Naturschutz steil bergab ...

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