NABU-GAP-Ticker: Mehr als 3600 Wissenschaftler fordern Umkehr bei GAP-Reform

Mehr als 3600 Wissenschaftler schlossen sich jüngst eine Publikation zur Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik(GAP) an, welche gestern in der Fachzeitschrift People and Nature veröffentlich wurde. Grundtenor: Die GAP dürfe nicht länger das Artensterben, den Klimawandel und die Degeneration der Böden vorantreiben, sondern müsse helfen, diese Probleme zu lösen.

Bei der gegenwärtigen laufenden Reform der GAP müssten alle Beteiligten grundsätzlich umdenken. Die Wissenschaftler kritisieren vor allem den Legislativvorschlag der EU-Kommission als unzureichend. Diese erlaube es den Mitgliedstaaten den Pfad der geringsten Umweltambition zu gehen. Die generellen Schwächen des bisherigen Systems würden dagegen weitergeführt. Der Fokus liegt etwa weiterhin zu stark auf den pauschalen, rein flächenbasierten Direktzahlungen, die an zu geringe Umweltstandards gebunden und insgesamt zu ineffizient sind. Für effektive und zielgerichtete Maßnahmen im Umweltbereich fehle jedoch zunehmend das Geld, nachdem der 2.Säule der GAP in den Vorschlägen der Kommission massive Budgetkürzungen drohen. Wiederholt wurde ebenso die Kritik an der Aussage der Kommission, dass 40% der Direktzahlungen als Klimaschutz gelten. Dies wurde von einem vom NABU in Auftrag gegebenen Gutachten vor Kurzem ebenso vorgebracht. Die Bezuschussung etwa von Ernteausfallversicherungen durch öffentliche Gelder ohne Auflagen zur Risikominimierung könne zudem Fehlanreize setzen. Landwirte würden anstatt Risiken zu vermeiden, sich zu sehr auf diese Versicherungslösungen verlassen.

Zehn-Punkte-Plan für Rat, Parlament und Mitgliedstaaten

Die folgenden Zehn Punkte würden nach Ansicht der Autoren deutliche Verbesserungen im bisherigen System der Agrarsubventionen bringen. Der Aufruf richtet sich vor allem an den Agrarrat sowie das Europäische Parlament, welche in den kommenden Wochen ihre Position gegenüber dem Vorschlag der Kommission festlegen werden.

  1. Umwandlung der Direktzahlungen in Zahlungen für die Erbringung öffentlicher Leistungen: vor allem gekoppelte Zahlungen für intensive Produktionssysteme, die hohe THG-Emissionen fördern, müssten sofort abgeschafft werden. Die dadurch freiwerdenden Mittel könnten stattdessen für mehr zielgerichtete Maßnahmen eingesetzt werden.
  2. Ausreichende Finanzierung für die Bekämpfung des Klimawandels etwa durch Wiedervernässung von Moorgebieten oder Anpassungen im Tierhaltungssektor.
  3. Ausreichende Finanzierung von Instrumenten zum Erhalt der Biodiversität und von Ökosystemen: Eine Möglichkeit wäre die Rückkehr zur Verpflichtung 10% der landwirtschaftlichen Fläche für natürliche und naturnahe Habitate bereitzustellen und generell mehr Geld in Instrumente wie AUKM und Eco-Schemes zu investieren.
  4. Förderung innovativer Ansätze zur Lösung von Umweltproblemen wie z.B. ergebnisorientierte AUKM.
  5. Förderung der kollektiven Planung von Umweltmaßnahmen auf Landschaftsebene.
  6. Verpflichtung der Mitgliedstaaten in ihren strategischen Plänen spezifische, messbare, ambitionierte, realistische und zeitnahe (S.M.A.R.T.) Ziele zu setzen.
  7. Überarbeitung der Indikatoren, etwa durch stärke Berücksichtigung der Wirkungsindikatoren: Indikatoren sollten auf den besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen aufbauen. Ein Beispiel ist der „Butterfly Grassland Indicator“, welcher, obwohl wissenschaftlich bewährt, im Kommissionsvorschlag nicht berücksichtigt wurde.
  8. Stärkung des Umweltmonitorings und der Durchsetzung von Regeln, um sicherzugehen, dass die GAP die gewünschten Ergebnisse erzielt.
  9. Identifizierung und Ansprache der Auswirkungen der GAP auf den globalen Süden.
  10. Höhere Transparenz bei der GAP und ihrer Reform etwa durch verbesserte Verfügbarkeit von Verhandlungsdokumenten und Informationen über die Implementierung. Interessenskonflikte von Entscheidungsträgern müssen identifiziert und angegangen werden.

Rat und Parlament sind nun gefragt

Viele dieser Punkte bringt auch der NABU als Forderung in die aktuelle Debatte auf EU Ebene ein. Vor allem die Forderung nach einer besseren Finanzierung von Klima- und Naturschutz innerhalb der GAP sowie die Einrichtung von 10% „Space for Nature“ (siehe hier) könnten eine deutliche Verbesserung der Situation für Natur- und Umwelt bringen. In den Medien wurde bereits intensiv über die Deklaration der Wissenschaftler diskutiert, sogar auf der anderen Seite des Atlantiks in der New York Times. Die Entscheidungsträger in den europäischen Institutionen müssen nun endlich auf die Wissenschaft hören, wenn es um die Frage geht, wie die fast 60 Mrd. € an Agrarsubventionen jährlich verteilt werden sollen. Sollten diese jedoch weiter Klientelpolitik betreiben, ist der Fortbestand des Agrarhaushaltes in der gegenwärtigen Höhe nicht mehr zu rechtfertigen.

Der NABU-GAP-Ticker

Was steht auf dem Spiel für Insekten, Bauernhöfe und unsere ländlichen Räume? Was sagt Julia Klöckner in Brüssel? Wie stimmen unsere Abgeordneten ab? Was passiert hinter den Kullissen? Im NABU-GAP-Ticker informieren wir über die Verhandlungen zur künftigen EU-Agrarpolitik – denn wir meinen, die Zeit der Hinterzimmerdeals ist vorbei. Es geht um viel – und die Öffentlichkeit hat ein Recht zu wissen, wie der Milliardenpoker um die Gemeinsame Agrarpolitik der EU abläuft. Abonnieren Sie diesen Blog um auf dem Laufenden zu bleiben, stellen Sie Fragen und diskutieren Sie mit uns über die Kommentarfunktion. Hintergrundinfos auf www.NABU.de/Agrarreform2021. Folgen Sie uns auch auf Twitter: @NABU_biodiv#FutureOfCAP

Titefoto: Europäische Union 2013

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