Wattwelt
Die Weite des Watts; mancherorts wirkt sie bei Niedrigwasser unendlich und auf den ersten Blick unbelebt. Doch bei näherem Hinschauen offenbart sich einer der produktivsten Lebensräume der Erde mit unzähligen Lebewesen, die oft nur ein paar Millimeter groß sind.
Im Rahmen der Wattkartierung, die von der Schutzstation Wattenmneer e.V. 1991 initiiert wurde, wird jedes Jahr im Frühjahr und Sommer auf verschiedenen Probeflächen im Wattenmeer eine Bestandserfassung der Wattlebewesen durchgeführt. Langfristig sollen so Aussagen zu Veränderung der Arten und ihrer Populationen möglich sein. Auch auf Trischen beteiligt sich der NABU an diesem Projekt und untersucht dazu zwei Transekte, einen im Westen der Insel, einen im Osten.
Jeder dieser Transekte besteht aus 20 Probeflächen, die jeweils 50 m voneinander entfernt liegen und von der Insel ins Watt hinausgehen. An jeder Probefläche werden die auf einem Quadratmeter vorgefundenen Lebewesen wie Wattwürmer (Arenicola marina), Sandklaffmuscheln (Mya arenaria) etc. erfasst. Zusätzlich werden mit Hilfe einer kleinen und einer großen Stechröhre Proben genommen, die anschließend ausgesiebt werden. Darin werden Herzmuscheln (Cerastoderma edule), Wattschnecken (Hydrobia ulvae), Schlickkrebse (Corophium volutator) und andere ebenfalls ausgezählt. So kann man sich an Hand entsprechender Stichproben ein gutes Bild davon machen, was im Watt wuselt.
Doch schon beim Hinauslaufen zu den Transekten wird eins ganz deutlich: Das Watt auf der West- und Ostseite Trischens unterschiedet sich sehr stark. Im Westen herrscht eine stärkere Strömung, so dass feine Sedimente fortgespült werden. Was hier liegen bleibt ist Sand. Deshalb ist das Watt im Westen Trischens überwiegend durch den Typ „Sandwatt“ charakterisiert.
Im Ost dagegen liegen die Wattflächen im Strömungs- und Windschatten der Insel. Hier läuft das Wasser viel langsamer auf und ab und es lagern sich viele sehr feinkörnige Sedimente ab. Je weiter wir uns also von Osten her der Insel nähern, desto schlickiger wird das Watt. Wir befinden uns im sogenannten „Schlickwatt“. Während die Fortbewegung im West-Watt also kein Problem darstellt, dauert die Kartierung im Osten schon deutlich länger, da man mitunter tief einsinkt.
Im sandigen West-Watt sind einige Wattwürmer, Sandklaffmuscheln und Herzmuscheln zu finden. Wattwürmer (Arenicola marina) sind wohl die berühmtesten Bewohner dieses Ökosystems, denn wer hat sich nicht schon einmal über die verstreuten Häufchen gewundert, denen man fast überall im Watt begegnet. Zu jedem Häufchen gibt es aber auch irgendwo in der Umgebeung einen sogenannten Fraßtrichter, denn der 10-20 cm lange und 1 cm dicke Wattwurm lebt in einem J-förmigen Gang. Auf der oberen Seite scheidet der Wurm die Reste dessen aus, was er auf der anderen Seite gefressen hat. Dort nimmt er Sand zusammen mit Algen und Bakterien auf, der von oben immer weiter nach unten nachsackt und den Fraßtrichter bildet.
Das Ost-Watt wimmelt nur so von Kothäufchen. Bloß sind diese viel kleiner als die des Wattwurms. Verursacher ist der bis zu 10 cm lange und 1 mm dicke Kotpillenwurm (Heteromastus filiformis), der seinem Namen alle Ehre macht. Dieser kleine rote Wurm lebt in einem Gangsystem, an dessen Ende er Wattboden frisst. Ähnlich wie der Wattwurm verdaut er die organischen Bestandteile und Mikroorganismen und scheidet den Sand in Form von winzig kleinen Kügelchen, den Kotpillen, an der Wattoberfläche wieder aus. Auf einem Quadratmeter Watt sind im Ost-Watt von Trischen im Durchschnitt 1700 Kotkäufchen zu finden.
Auf den Kotpillenwurm sollte beim Wattwandern übrigens besonders geachtet werden, denn wo dieser vermehrt auftritt, wird man leicht im Schlick einsinken.
Einen weiterern im Ost-Watt sehr zahlreich auftretenden Gesellen möchte ich kurz vorstellen: Den Schlickkrebs (Corophium volutator). Er ist 6-10 mm groß, gehört zu den Flohkrebsen (Amphipoda) und lebt in einem U-förmigen Gang. Mit seinen langen Antennen kann der Schlickkrebs Nahrung wie z.B. Kieselalgen (Diatomeen) von der Bodenoberfläche zu sich herankratzen. Schlickkrebse leben im Ost-Watt von Trischen mit durchschnittlich 3000 Individuen pro Quadratmeter. Der Wattboden ist dann von ihren Gängen geradezu durchlöchert. In dieser Menge ist er wichtige Nahrung für viele weiter oben im Nahrungsnetz angesiedelte Tiere wie Vögel und Fische.
Also, Augen auf im Watt, vielleicht begegnen Sie ja bei Ihrer nächsten Wattwanderung dem ein oder anderen hier vorgestellten Tierchen.
Weiterführende Literatur:
- Kock, Klaus „Das Watt – Lebensraum auf den zweiten Blick“. Boyens-Verlag, 1998.
- Stock Martin „ Watt – Lebensraum zwischen Land und Meer“. Boyens-Verlag, 2009.