Samenausbreitung
Die Herbstzeichen sind unübersehbar, wie die letztens angespülte Kastanie zeigte. Diese lenkt den Blick auch auf einen weiteren Vorgang der Natur: die Samenausbreitung.
Wenn die Blumen verblüht sind, bilden sie Samen und Früchte, aus denen schließlich neue Pflanzen wachsen können. Ein Sprichwort sagt zwar, dass „der Apfel nicht weit vom Stamm fällt“, doch für Pflanzen ist dies eher ungünstig. Da sie sich nicht bewegen können, möchten sie sich, menschlich gesprochen, mit den Samen nicht nur vermehren, sondern auch verbreiten und neue Standorte besiedeln. Daher braucht es jemanden, der den Apfel vom Stamm wegträgt.
Beim Apfel sind dies Tiere, die sich eigentlich nur für das Fruchtfleisch interessieren und die Samen nur nebenbei aufnehmen und so in der Umgebung verteilen. Diese Strategie nutzen alle Pflanzen mit auffälligen und saftigen Früchten, z. B. Rosen mit ihren Hagebutten oder auch Nachtschattengewächse (wobei diese für Menschen giftig sind! außer Tomaten). Neben den Tieren gibt es noch weitere Möglichkeiten, wie Pflanzen ihre Samen verbreiten.
Die Salzmiere (Honckenya peploides) bildet recht große Samen, die erst einmal einfach aus der Samenkapsel fallen. Sie wächst in den Vordünen am Strand und so können die schwimmfähigen Samen von hohen Tiden fortgespült und verbreitet werden. Nach einem Sturm kann man dann im Herbst Linien aus Samen im Spülsaum sehen.
Eine häufige Verbreitungsstrategie ist der Wind. Viele Pflanzen bilden lange Haare oder sonstige Anhängsel an ihren Samen, damit diese möglichst leicht sind und gut vom Wind verdriftet werden können. Auch auf Trischen findet man solche Pflanzen. Strandastern (Aster tripolium) und Acker-Gänsedistel (Sonchus arvensis) nutzen diese Ausbreitungsstrategie, gut erkennbar an den flauschigen Pusteblumen, wie auch beim verwandten Löwenzahn (Taraxacum officinalis).
Bei einer besonderen Strategie dient ebenfalls der Wind zur Verbreitung. Doch werden nicht einzelne Samen vom Wind davon getragen, sondern die ganze Pflanze (oder zumindest größere Teile davon) wird vom Wind bewegt. Dazu ziehen die meist einjährigen Pflanzen bei der Samenreife und kurz bevor sie absterben ihre Zweige so zusammen, dass die ganze Pflanze im Umriss kugelig wird. Wenn die Samen dann reif sind und die Pflanze abgestorben ist, rollen diese „Kugeln“ durch die Gegend und nach und nach fallen die Samen heraus. Nach der Landschaft, wo diese Verbreitungsform häufig auftritt, nennt man solche Pflanzen auch „Steppenroller“. Da keine Bäume deren Lauf stoppen, können die Pflanzen so ihre Samen über etliche Kilometer verteilen.
Auch an der Nordseeküste findet man eine solche Pflanze, das Kali-Salzkraut (Kali turgida). An den schmalen Stränden nützt ihr das zwar nicht so viel, dort wo sie und ihre Verwandschaft sonst wächst, in den Steppen und Halbwüsten Eurasiens, schon.
Schließlich sind Samen nicht nur die nächste Generation der Pflanzen, sondern auch Nahrung für viele Tiere, am denke nur an die vielen körnerfressenden Vögel oder das Brot, das wir essen. Aber auch andere Organismen machen sich die Energie, die Pflanzen in die Samen stecken, zu nutze. Etliche Pilze befallen die Samenanlagen der Pflanzen und lassen sich von der Pflanze versorgen, um schließlich ihre eigenen Sporen zu verbreiten. Einer von diesen ist der Mutterkornpilz (Claviceps). Er befällt die Körner von Süßgräsern, so z. B. unsere Getreide, allen voran der Roggen, aber auch einige Dünengräser. Das schwärzliche Mutterkorn enthält giftige Alkaloide. Eine Vergiftung ist auch als Ergotismus oder Antoniusfeuer bekannt und war bis in die Neuzeit ein gefürchtetes Krankheitsbild.